DLT ja, Blockchain nein Canton: Die Blockchain-Mogelpackung von Microsoft, Goldman Sachs und Co.

Die Canton Blockchain soll als Alternative zu Ethereum, Cardano und Co. herhalten. Das sind die Chancen der Konzern-Alternative.

Sven Wagenknecht
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Canton Blockchain eine Mogelpackung?

Beitragsbild: Shutterstock

| Wie viel Blockchain steckt wirklich im Canton-Netzwerk?

Besser als nichts. So könnte man die Aktion zur gemeinsamen “Blockchain” der Großkonzerne Microsoft, Goldman Sachs und BNP Paribas verstehen. Mit Canton haben sich über 30 namhafte Unternehmen, primär aus der Finanzbranche, zu einem neuen Blockchain-Konsortium zusammengeschlossen. So möchte man mit dem Canton-Netzwerk eine Art eigenes Ethereum für Konzerne aufbauen, um beispielsweise Vermögenswerte zu tokenisieren.

Die Canton Blockchain selbst soll allerdings keinen eigenen nativen Token besitzen und ohne Kontrollabgabe der Teilnehmer auskommen. Auf der anderen Seite soll es eine Smart-Contract-Fähigkeit und Interoperabilität geben, wie man sie sonst nur von einer Ethereum Blockchain kennt. Klingt merkwürdig, ist es auch.

Canton-Netzwerk: Alter Wein in neuen Schläuchen

Der Versuch von großen Unternehmen, eigene Blockchains aufzusetzen, ist alles andere als neu. Bereits nach dem Platzen der ICO-Blase Ende 2017 war die Hoffnung einiger von ihnen groß, dass es nun die Konzerne sein werden, die über abgespeckte Blockchains die Technologie zur kommerziellen Reife bringen. Namen wie Hyperledger oder Corda schwirrten damals als eben solche Konsortial-Alternativen zu den Public Blockchains durch den Raum. Inzwischen redet man kaum noch über sie. Die vergessenen Millionengräber haben es nie geschafft, sich zu etablieren.

Ein Grund dafür ist, dass die Blockchain-Logik in vielerlei Hinsicht diametral zum zentralistisch-hierarchischen Kontrollanspruch von Großkonzernen steht. So sehr man auch mit den Vorteilen der Blockchain-Technologie liebäugelt, fehlt es an der Bereitschaft, auch die strukturellen Veränderungen, durch einen höheren Grad an Dezentralisierung und Offenheit, in Kauf zu nehmen.

Mehr DLT als “open blockchain network”

Auf der Webseite von Canton wird das Netzwerk als das erste offene Blockchain-Netzwerk vorgestellt, bei dem es dennoch möglich ist, als Teilnehmer die Kontrolle zu behalten. In der Blockchain-Community sieht man das etwas anders. Hier haben einige Bauchschmerzen damit, dass die Bezeichnung “open blockchain network” genutzt wird.

Vielmehr entsteht der Eindruck, dass es sich um eine DLT-Infrastruktur handelt, die nur partielle Aspekte einer Blockchain abbildet. Ebenjene Aspekte, die eine offene Blockchain ausmachen, findet man nämlich nicht oder nur sehr eingeschränkt beim Canton-Netzwerk wieder.

Wer hat das Sagen?

Problematisch wäre da die fehlende Incentivierung via Token. Bei der Canton Blockchain gibt es schlichtweg keine. Theoretisch kann zwar jeder ein Canton Service Provider werden und als Knotenpunkt zum Konsensmechanismus beitragen. Doch die Frage ist, warum? Hier zeigt sich, dass nur die teilnehmenden Finanzkonzerne ein Interesse haben, als Betreiber zu fungieren.

Eine wirkliche Dezentralisierung scheint nicht wirklich beabsichtigt zu sein. Auch stellt sich die Frage, was mit der Interoperabilität gegenüber beispielsweise DeFi-Protokollen ist. Davon ist nichts zu lesen. Stattdessen entsteht der Eindruck, dass es nur um die hauseigenen Applikationen der Konsortialteilnehmer geht, die man im geschlossenen Kreise freigibt. Letztlich also auch damit die Rollen der Teilnehmer definiert.

Gut gemeint, aber …

Prinzipiell ist der Versuch der Finanzkonzerne, mit dem Canton-Netzwerk ein neues Level an Programmierbarkeit und Interoperabilität zu erreichen, lobenswert. Auf dem Papier macht das Canton-Netzwerk durchaus Sinn. Zumal es nachvollziehbar ist, dass man gegenwärtig als Finanzkonzern nur bedingt dazu in der Lage ist, voll umfassend Public Blockchains zu nutzen. Kontrollanspruch, Haftungsfragen, Datenschutz etc. sind oftmals Punkte, die konzernintern die Implementierung wirklich dezentraler Anwendungen im Keim ersticken.

Das Label als offenes Blockchain Netzwerk suggeriert hingegen etwas, was nicht drinsteckt. Für Blockchain-Enthusiasten sieht das Canton-Netzwerk wie eine Mogelpackung aus. Bislang gibt es aus der Praxis kein vorzeigbares Beispiel, wo eine solche Konzern-Blockchain-Initiative erfolgreich war. Das bisherige Wachstum, die bisherige technologische Innovation sowie die täglichen Milliarden an US-Dollar-Transaktionsvolumina im Blockchainsektor stammen von Public Blockchains wie Ethereum und nicht von derartigen Konsortialkonstrukten. Warum sollte es diesmal anders sein?

Zumal jeder der teilnehmenden Konzerne eigene Ziele, Bedürfnisse und Herausforderungen besitzt, die von der Infrastruktur berücksichtigt werden müssen. Alle Teilnehmer zufriedenzustellen und “bei Laune zu halten” dürfte unfassbar schwer zu koordinieren sein.

Canton Blockchain: Ein gut gemeinter Kompromiss mit bescheidenen Aussichten

Aus Stolz und Verbohrtheit geht man mit dem Canton-Netzwerk gegen die Zeit. Beispielsweise wurden digitale Wertpapiere auf einer Ethereum, Polygon oder Stellar Blockchain bereits erfolgreich herausgegeben. Warum soll man nun eine viel eingeschränktere Canton Blockchain für die Tokenisierung und Abwicklung nutzen? Und sich damit die Möglichkeit nehmen, auf das volle Spektrum der öffentlichen DeFi-Anwendungen zurückzugreifen und überall andocken zu können.

Von außen entsteht so der Eindruck, dass man aufgrund interner Interessenskonflikte und externer Erwartungshaltung zum Kompromiss gezwungen ist. Bloß nicht zu viel riskieren, bloß nicht gegenüber Aufsichtsrat und Aktionären anecken und dennoch zeigen, dass man die Digitalisierung ernst nimmt.

Eine Innovation der inkrementellen Schritte, die sich dem Ideal eines wirklichen Open Bankings nur zaghaft nähert. Die eigentliche Innovation dürfte daher weiterhin von Ethereum, Polygon, Cardano etc. und nicht von Canton kommen.

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