US-Dollar unter Druck BRICS-Staaten: Ist die De-Dollarisierung zum Scheitern verurteilt?

Der US-Dollar ist der größte Exportschlager der USA. Die internationale Währungs-Nachfrage sichert die Finanzstabilität und Potenz der Weltmacht. Doch anscheinend bekommt dieser monetäre Hegemonialstatus Risse. Die BRICS-Staaten, und davon insbesondere Russland sowie China, sägen am Leitwährungsstatus. Wie wahrscheinlich ist eine De-Dollarisierung?

Sven Wagenknecht
Teilen
US-Dollar in Flammen

Beitragsbild: Shutterstock

| Steht der US-Dollar wirklich in Flammen oder ist dies nur Wunschdenken der BRIC-Staaten?

Der Leitwährungsstatus vom US-Dollar wird seit dem Einfrieren der russischen Devisenreserven immer stärker infrage gestellt. In Social Media und Zeitungsartikeln finden sich Aussagen, die nahelegen, dass die goldenen Zeiten des US-Dollars vorbei sind. Stattdessen formieren sich unter den BRICS-Staaten neue Allianzen und Bestrebungen, für den internationalen Handel und zum Aufbau von Reserven andere Devisen und sogar Gold zu nutzen. Wie gefährlich ist also die Situation für den US-Dollar wirklich?

Petro-Dollar adieu?

Grundsätzlich gilt, dass internationale Rohstoff-Geschäfte in US-Dollar abgewickelt werden. Wenn ein Land beziehungsweise Unternehmen also von Saudi-Arabien Erdöl kauft, dann müssen dazu US-Dollar erworben werden, um das Geschäft abzuwickeln. Immer öfter kommt es aber vor, dass sich zwei Parteien auf eine andere Währung einigen. Dies gilt insbesondere für die Nationen, die kein allzu gutes Verhältnis zu den USA beziehungsweise dem Westen haben.

So haben sich im März Brasilien und China dazu geeinigt, zukünftig Handelsgeschäfte in ihren eigenen Währungen abzuwickeln. Auch gibt es vonseiten Saudi-Arabiens Überlegungen, Öl-Geschäfte in Yuan, anstatt in US-Dollar abzuwickeln. Ebenfalls wenig verwunderlich ist, dass Russland für seine Rohstoffgeschäfte nun auch Yuan entgegennimmt. Entsprechend liest man immer öfter vom Petro-Yuan, der den US-Dollar bei Rohstoffgeschäften zusehends in bestimmten Regionen ablöst.

Derartige Transaktionen legen nahe, dass in der Praxis der US-Dollar einen Bedeutungsverlust hinnehmen muss. Allerdings gibt es bislang keine Zahlen, die nahelegen, dass sich die Dominanz des US-Dollars gemessen am Transaktionsvolumen im Devisenhandel spürbar reduziert hat. Laut der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) verbleibt die US-Dollar-Dominanz mit fast 90 Prozent am globalen Devisenhandel unverändert hoch.

Realpolitik macht die Währungspolitik

Als die USA mit dem Anfang des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine die russischen US-Dollar-Reserven eingefroren haben, war der Aufschrei groß. Warum sollte in Zukunft eine Nation noch US-Dollar-Reserven aufbauen, wenn diese jederzeit von den USA eingefroren werden können? Mit voller Wucht wurden damit vor allem den weniger pro-westlich orientieren Ländern ihre Abhängigkeit von Uncle Sam vor Augen geführt.

Doch auch hier ist kurzfristig recht wenig passiert, was nicht heißen muss, dass es langfristig nicht doch zu größeren Verschiebungen kommen kann. So logisch gewisse Ausweichbewegungen in nächster Zeit sein mögen, darf man nicht vergessen, dass am Ende nur die Abhängigkeiten getauscht werden. Natürlich wird Russland statt US-Dollar zukünftig eher Yuan-Reserven aufbauen, doch letztlich macht sich Russland damit immer abhängiger von China. Das Einfrieren der russischen Devisenreserven hat daher nicht nur dem US-Dollar, sondern allen Fiatwährungen auf dieser Welt geschadet.

Der US-Dollar bleibt damit die bevorzugte Reservewährung der Regierungen und macht Ende 2022 etwa 60 Prozent der Zentralbankreserven aus, verglichen mit 20 Prozent des Euro und sechs Prozent des Yen. Die BRICS-Staaten spielen bislang also kaum eine Rolle auf dem Paket der Fremdwährungsreserven.

BRICS setzen auf Gold

Mit der geradezu trivialen Erkenntnis, was die Fiat-Abhängigkeit nicht nur für Bürgerinnen und Bürger, sondern auch für Staaten bedeutet, gewinnen Gold-Befürworter wieder an Aufmerksamkeit. Seit Jahren bauen Notenbanken ihre Goldbestände weiter aus und insbesondere die BRICS-Staaten zeigen sich besonders Gold-affin. Entsprechend nehmen die Stimmen zu, dass Gold-gedeckte Währungen bald ihr Comeback erleben könnten. Doch diesmal würden die Spielregeln nicht die USA wie im Jahr 1944 in Bretton Woods machen, sondern die BRICS-Staaten und vornehmlich China.

Bislang handelt es sich dabei lediglich um Konzepte. Ob es wirklich zu einer rohstoffgedeckten Währung kommt und wie diese Deckung sichergestellt sowie transparent überprüft werden kann, ist noch vollkommen unklar. So verlockend es sich für manchen Gold-Fan auch anhören mag: auch eine goldgedeckte Währung ist nur so viel wert wie das Vertrauen in die ausgebenden Institutionen. Eine 100-Prozent-Gold-Deckung hat es zudem nie gegeben. Man erinnere sich hier nur an den französischen Präsidenten Charles de Gaulle, der im Jahr 1969 das Vertrauen in die Golddeckung des US-Dollars verloren hatte. Die Folge: Frankreich wollte seine US-Dollar gegen Gold eintauschen und hat damit das Ende des Goldstandards angestoßen.

Und selbst wenn man nur darauf schaut, wie viel die jeweiligen Notenbanken an Gold besitzen, wären die USA ihren Herausforderern überlegen. Wenn man den offiziellen Zahlen traut – es gibt Behauptungen, dass China mehr Goldreserven besitzt als offiziell angegeben – verfügen die USA (8.133 Tonnen) über rund doppelt so viel Gold wie China (1.948 Tonnen) und Russland (2.229 Tonnen) zusammengenommen.

Bretton Woods III

Aufwind bekommt das Narrativ des neuen rohstoffgedeckten Währungssystems vom viel zitierten Credit-Suisse-Strategen Zoltan Pozsar. Unter dem bedeutungsschwangeren Begriff Bretton Woods III skizziert er das Bild eines immer schwächer werdenden US-Dollars, der durch rohstoffgedeckte Währungen der genannten Akteure verdrängt wird. Bislang ist sein Szenario, trotz aller Ambitionen, nur reine Spekulation. Sofern man nicht in einer isolierten Planwirtschaft verweilen will, muss schließlich auch der Markt von dem neuen Währungssystem überzeugt werden. Genau an dieser Stelle landet man wieder am Ausgangspunkt einer jeden Währung, ganz gleich, ob rohstoffgedeckt oder nicht: dem Vertrauen.

Warum sollte man der angegebenen Rohstoffdeckung vertrauen? Wieso sollte sich Indien von China abhängig machen, wenn man doch selbst in einem Konkurrenzverhältnis zueinandersteht? Warum sollten private Akteure wie Banken und Unternehmen auf eine Währung setzen, die von korrupten und intransparenten Regierungen wie Russland verwaltet werden? Zumal sich die Frage stellt, ob man überhaupt freie Wechselkurse und international unbeschränkten Zugriff auf die neuen Währungskonstrukte erhält. Gerade das verschlossene China müsste dafür eine Kehrtwende hinlegen.

US-Dollar Stablecoins vs. chinesische CBDC-Infrastruktur

Der Leitwährungsstatus des US-Dollars wurde in den letzten Jahren vom Kryptomarkt bestätigt. In der freien Token-Ökonomie gibt es keine US-Dollar-nahen Institutionen wie Weltbank oder IWF und dennoch haben sich Menschen auf der ganzen Welt für den US-Dollar als tokenisierte Fiatwährung entschieden. Der US-Dollar-Anteil an allen verfügbaren Stablecoins liegt ungefähr zwischen 97 – 99 Prozent.

Demgegenüber steht das staatliche Bestreben Chinas mit ihrer CBDC-Infrastruktur. Diese soll auch anderen Nationen offenstehen und eine Alternative zum westlich-kontrollierten SWIFT-Zahlungssystem darstellen. Inwiefern der E-Yuan und seine Infrastrukturen zum Exportschlager werden, ist bislang ebenfalls noch vollkommen unklar. Nicht jeder Staat wird bereit sein und seinen Bürgern erlauben, sämtliche Finanzdaten dem chinesischen Staat zu überlassen. Die Abhängigkeiten, die aus einem E-Yuan erwachsen, könnten aufgrund der programmierbaren Infrastruktur sogar die des US-Dollar übertreffen.

US-Dollar-Angriff: ein Schuss nach hinten?

Der Versuch, ein Gegengewicht zum US-Dollar aufzubauen, indem man beispielsweise einen BRICS-Währungskorb aufsetzt, könnte sogar nach hinten losgehen und den Status des Greenback bestärken. Schließlich handelt es sich um eine Mammutaufgabe, die von sehr unterschiedlichen Akteuren hinsichtlich ihrer gemeinsamen Interessen ausgeht. Man denke nur an die politische Instabilität Brasiliens, die Kriegsgelüste Russlands oder das angespannte Verhältnis zwischen Indien und China. Nicht jeder Staat wird bereit sein, wirtschaftliche Risiken einzugehen, nur um den US-Dollar als Leitwährung zu verdrängen. Zumal viele andere Entwicklungsländer, die sich diesem Währungskonstrukt anschließen müssten, von den USA unter Druck gesetzt werden dürften.

De-Dollarisierung: mehr Marathon als Sprint

Eine neue Leitwährung errichtet man nicht innerhalb weniger Jahre, sondern in Dekaden. Sicherlich mag der US-Dollar so angeschlagen sein wie seit dem Bretton-Woods-Ende 1971 nicht mehr. Auch ist davon auszugehen, dass seine Dominanz in den kommenden Jahren weiter abnehmen wird und wir einen stärkeren Währungspluralismus erleben. Die De-Dollarisierung ist damit in Gang gesetzt, auch wenn das noch lange nicht heißen mag, dass deswegen in absehbarer Zeit der US-Dollar abwertet oder er seinen Status als Leitwährung verliert.

Anstelle eines Vertrauenswechsels auf andere Fiatwährungen verliert das gesamte Fiat-Währungssystem durch die geopolitischen Ereignisse. Soll bedeuten, dass das verlorengegangene Vertrauen in den US-Dollar nicht durch einen anderen Akteur wie China mit seinem Yuan beziehungsweise E-Yuan aufgefangen werden kann. Stattdessen dürften staatlich neutrale Währungssubstitute wie Gold und Bitcoin an Bedeutung hinzugewinnen. Dabei geht es weniger um deren Zahlungs- als deren autonome Reserve- und Besicherungsfunktion. Am Ende stellt sich immer die Frage, wohin das große Geld steuert. Auch eine brasilianische Investmentbank wird nicht um US-Dollar-Anleihen herumkommen, genauso wenig wie Saudi-Arabien, das Im- und Exportgeschäfte mit den USA betreibt, nicht auf US-Dollar-Konten verzichten kann.

Du möchtest Kryptowährungen kaufen?
Wir zeigen dir die besten Anbieter für den Kauf und Verkauf von Kryptowährungen wie Bitcoin, Ethereum, Solana & Co. In unserem Vergleichsportal findest du den für dich passenden Anbieter.
Zum Anbietervergleich