Nicht überall, wo „Blockchain“ drauf steht, steckt auch ein öffentliches, dezentralisiertes Transaktionsbuch drin. Gerade wenn es um den Einsatz der Blockchain-Technologie in Unternehmen geht, trifft man häufig auf eine marketingwirksame Verballhornung des Begriffs. Man kann es daher nicht oft genug betonen, dass es sich bei der Blockchain-Technologie um eine besondere Ausformung einer Distributed-Ledger-Technologie handelt. Auf diesen Umstand weisen auch die Autoren der von der Frankfurt School herausgegebenen „Entscheidungshilfe für den Einsatz von Blockchain-Technologien in Unternehmen: Vier Frameworks im Vergleich“ gleich zu Beginn ihres Papers hin.
Darin – die Überschrift lässt es bereits erahnen – vergleichen Philipp Sandner und Daniel Höfelmann von der Frankfurt School Business-Lösungen auf DLT-Basis. Als Bewertungskriterien legen die Analysten Benutzerfreundlichkeit, Effizienz und Performance, Kosteneffizienz, Release-Fähigkeit und Aktualität, Sicherheit sowie Verwaltung zugrunde.
Installation und Benutzerfreundlichkeit
Hier konnten sowohl Ethereum als auch R3 Corda und Hyperledger Fabric punkten. Während bei Ethereum vor allem die ausführliche Dokumentation auf GitHub lobend erwähnt wird, können Hyperledger Fabric und Corda in der Kategorie Modularität punkten. So ermöglicht Hyperledger durch seine Module (von denen Fabric selbst eines bildet) eine zielgerichtetere Implementierung, als diese beispielsweise bei Ethereum möglich ist. Da über Quasar keine öffentliche Dokumentation vorliegt, schneidet diese Underdog-DLT in dieser Kategorie am schlechtesten ab.
(Kosten-)Effizienz und Performance
Hier liegen alle vier untersuchten DLT ungefähr gleichauf. Allerdings hinkt Ethereum im Bereich der Transaktionsvolumina der Konkurrenz hinterher – zumindest in seiner jetztigen Proof-of-Work-Ausformung. Trotzdem erhalten auch Hyperledger Fabric, R3 Corda und Quasar hier keine Spitzenbewertungen. Die Forscher begründen ihre Entscheidung so:
Quasar/Stellar, Corda und Fabric nennen hier höhere Werte, allerdings sind bei Corda und Fabric auf Grundlage der Recherche diese nur in sehr günstig gewählten und nur von den jeweiligen Herstellern/Konsortien durchgeführten Tests dokumentiert worden. Eine Prüfung und/oder Bestätigung hoher Transaktionsvolumen durch Dritte war für alle drei Systeme nicht zugänglich. Insofern können hier Quasar/Stellar, Corda und Fabric keine positiven Werte attestiert werden.
Zumindest konnten alle vier DLT im Bereich der Transaktionsgebühren überzeugen. Bei Ethereum und Hyperledger gehen die Analysten von niedrigeren Wartungskosten aus, da diese Netzwerke über einen größeren Entwickler-Pool als die Konkurrenz verfügten:
In beiden Fällen kann aus einer großen Menge externer Entwickler gewählt werden, was die Preisfindung eher positiv beeinflusst. Bei Corda und Quasar/Stellar ist jedoch zumindest unklar, wie ausgereift der Markt externer Entwickler mit einschlägiger Erfahrung ist.
Release-Fähigkeit und Aktualität
In dieser Kategorie kann Ethereum glänzen. Besonders die große (Entwickler-)Community spricht hier für die Kopfgeburt Vitalik Buterins. Allerdings attestieren die Verfasser des Papers Hyperledger Fabric, R3 Corda und Quasar/Stellar eine bessere Upgradebarkeit.
Sicherheit
Auch hier kann Ethereum als einzige Vertreterin einer wirklich dezentralisierten, öffentlichen DLT punkten. Durch die Quelloffenheit des Codes unterliegt dieser der ständigen Überprüfung einer wachsenden Entwicklergemeinschaft. Hier können die abgeschlosseneren Systeme Hyperledger Fabric, R3 Corda und Quasar/Stellar per definitionem nicht mithalten. Allerdings weisen die Verfasser der Analyse darauf hin, dass es auf allen Plattformen noch ungeklärte Fragen gibt. Dies betrifft besonders ihre Konformität mit der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO). Gerade im Bereich des Datenschutzes sehen die Autoren vor allem die Entwickler der jeweiligen (d)Apps in der Pflicht.
Verwaltung
Anders verhält es sich hinsichtlich der Verwaltung der einzelnen DLT. Was Interoperabilität, Testbarkeit und Logging betrifft, hängt Ethereum der Konkurrenz nach. Was jedoch nicht bedeutet, dass sich diese Features nicht auch in Ethereum integrieren ließen:
Das liegt vor allem daran, dass die drei Systeme per se für Business-Infrastrukturen ausgelegt sind und daher von ihrer Architektur ein höheres Maß an Interoperabilität und Features wie Testbarkeit und Logging mit sich bringen. Nichtsdestotrotz lassen sich durch die Anpassbarkeit einer permissioned Blockchain auch diese Features in Ethereum integrieren. Einzig und allein der initiale Aufwand ist dabei höher bzw. dieser kann wesentlich höher sein.
Fazit
Das Fazit der Autoren fällt abwägend aus. So weisen Sandner und Höfelmann völlig zurecht auf Sicherheitslücken hin, die bei Ethereum durch fehlerhafte Smart Contracts entstanden sind und teilweise (DAO-Hack!) horrende Schäden angerichtet haben. Zwar liegen diese Schwächen nicht in der Ethereum-Blockchain begründet – diese fiel selbst bislang noch keinem Hack zum Opfer. Dennoch liefert gerade der DAO-Hack ein Beispiel dafür, was ein schwach programmierter Smart Contract für Schäden anrichten kann. Trotz allem gestehen die beiden Autoren Ethereum die höchste Sicherheit zu:
Insgesamt scheint aber Ethereum kurz- und mittelfristig die höchste Investitionssicherheit zu bieten: Ethereum ist Open Source, besitzt eine große Community sowie gleichzeitig eine hohe globale Verteilung. So kann die Investition in signifikante Geschäftsprozesse auf einer selbst oder gemeinsam mit anderen Akteuren kontrollierten Ethereum-Blockchain mit der höchsten Wahrscheinlichkeit lange genutzt werden.
Allerdings könne das bei Ethereum geringere Datenvolumen für manche Unternehmen ein Ausschlusskriterium sein.
So lange bei Ethereum noch der Proof-of-Work-Algorithmus zum Einsatz kommt, wird sich daran auch wenig ändern. Ethereum will auf die Skalierbarkeitsfrage mit dem Wechsel zu Proof of Stake (PoS) antworten. Dieser lässt bislang zwar noch auf sich warten, dem Vernehmen nach steht die Codebasis für den PoS-Algorithmus jedoch kurz vor der Fertigstellung.
Was die anderen drei DLT – Hyperledger Fabric, R3 Corda und Quasar/Stellar – betrifft, fällt es den Autoren schwer, einen eindeutigen „Gewinner“ auszumachen. Für Hyperledger Fabric spreche demnach vor allem das Engagement und die Erfahrung der Linux Foundation als Schirmherrin des Projekts.
Ist das noch Blockchain?
Zuletzt werfen Sandner und Höfelmann die Frage nach der Sinnhaftigkeit einer privaten, „permissioned“ DLT auf.
Die große Herausforderung von allen rein permissoned DLT-Lösungen ist der ggf. eintretende Verlust aller signifikanten Attribute, die insbesondere den öffentlichen Blockchains zugeschrieben werden: Unveränderlichkeit der Historie, hohe Sicherheit gegen viele Angriffsvektoren wie Sybil und Denial-of-Services-Attacken (DoS) sowie dem Netzwerk immanente Herausforderungen wie „Practical Bytzantine Fault Tolerance“.
Wenn einer DLT-Lösung eines dieser Alleinstellungsmerkmale einer öffentlichen, „permissionless“ Blockchain abgehe, müsse man sich als Unternehmer fragen, ob eine Umstellung des Geschäfts auf DLT überhaupt Sinn ergebe.
Sollten wesentliche Attribute verlorengehen, stellt sich die Frage, wieso nicht gut konzipierte und technologisch vollständig erprobte Lösungen genutzt werden sollten: Dies könnte eine zentral kontrollierte Plattformen mit durchdachten Rollen-/Rechte-Prinzipien sein, bei wahrscheinlich geringeren Kosten und höherer Verfügbarkeit von Entwicklern und System-Architekten und insgesamt höherem Verständnis in der gesamten Organisation.
Deshalb sei die möglichst konkrete Ausformulierung des angestrebten Zielsystems für die Entscheidungsfindung ebenso wie das Beobachten der weiteren Entwicklung von Use Cases für private DLT und Ethereum unerlässlich.