Haben die verschwägerten Blockchain-Firmen Tether und BitFinex wissentlich Bitcoin-Kurs-Manipulation betrieben? Hat sich die mutmaßliche Manipulation gar auf die Futures-Märkte ausgewirkt? Oder doch nur alles Humbug? Die Story des Bitcoin-Kurses, dem Stable Coin Tether und einer in Ungnade gefallenen Krypto-Exchange.
Der Vorwurf: Bitcoin-Kurs-Manipulation im großen Stil
Um die Ausmaße der mutmaßlichen Bitcoin-Kurs-Manipulation zu verstehen, muss man zunächst die Mechanismen des Krypto-Markts begreifen, die eine solche Manipulation theoretisch möglich machen. Grundlage des Ganzen bildet der Stable Coin Tether (USDT). Dieser ist eine digitale Abbildung des US-Dollars. Er hat den ursprünglichen Anspruch, dass jede Einheit des Coins (USDT) von einem hinterlegten US-Dollar gedeckt ist.
Das ermöglicht vor allem Liquidität auf den Märkten. Trader, die schnell zwischen Bitcoin und US-Dollar wechseln wollen, können auf den Stable Coin zurückgreifen. Dadurch entfällt die Notwendigkeit, über Bankkonten tatsächliches Geld zu überweisen. Somit können Trader Zeit sparen. Beim Bitcoin-Kurs, der für seine starken Schwankungen bekannt ist, kann diese Zeit unter Umständen sehr viel Geld wert sein.
Daraus ergibt sich jedoch auch ein Problem. Da die Herausgabe neuer Tether über die private Firma Tether Limited erfolgt, konnte der digitale Druck neuer USDT-Einheiten nicht immer einwandfrei überprüft werden.
Unkontrollierter Tether-Druck soll Bitcoin-Gewinne begünstigt haben
Das führt auch zur Klage, der sich sowohl Tether als auch Schwesterfirma BitFinex aktuell gegenübersieht. Sie soll unkontrolliert Tether gedruckt haben, um damit den Bitcoin-Kurs zu manipulieren. Indem sie mit den frisch gedruckten Tether an entsprechenden Krypto-Exchanges Kaufaufträge stellte, konnte sie so – mutmaßlich – den Bitcoin-Kurs künstlich in die Höhe treiben.
Im Zusammenhang mit den im Dezember 2017 eingeführten Bitcoin Futures der Chicago Mercantile Exchange (CME) und der Chicago Board Options Exchange (CBOE) hätten die Firmen damit doppelt profitieren können. Nicht nur vom hochmanipulierten Bitcoin-Kurs, sondern auch von dessen anstehendem Fall. Schließlich kann man mit den Bitcoin Futures, auch als Terminkontrakte bekannt, auf einen sinkenden Bitcoin-Kurs wetten. Durch gezielte Bitcoin-Kurs-Manipulation hätte man also sowohl von einem Anstieg (durch Verkauf von BTC) als auch von einem Fall (Futures) profitieren können.
Dementsprechend heißt es in der Anklageschrift:
Die Angeklagten [Bitfinex und Tether] haben durch ihre alleinige Kontrolle und Zugriff auf den Druck von USDT den Bitcoin-Kurs manipuliert, indem sie USDT herausgaben, die nicht von einer 1:1-Reserve an US-Dollar gedeckt waren. Damit haben sie die neu gedruckten USDT verwendet, um Bitcoin über die in den USA ansässigen Kryptowährungsbörsen Bittrex und Poliniex Bitcoin zu kaufen.
Diese Klage wurde zunächst zurückgezogen. Nun wurde sie jedoch in einer anderen Jurisdiktion und unter dem Namen eines anderen Klägers erneuert.
Bitfinex wiegelt ab
Gegenüber dem englischsprachigen Krypto-Magazin Coindesk wies BitFinex die Vorwürfe nun von sich. Dementsprechend äußerte sich Stuart Hoegner, Leiter der Rechstabteilung von BitFinex, zu einer kürzlichen Änderung der Zuständigkeiten der Klage:
Anscheinend haben die Kläger beschlossen, dass ihre Klage im Southern District of New York eingereicht werden soll, was die Frage aufwirft, warum sie überhaupt im Staat Washington eingereicht wurde. Unabhängig davon, ob diese Klage im Staat Washington oder im südlichen Bezirk von New York eingereicht wird, bleibt sie völlig unbegründet und wird zu gegebener Zeit entsorgt werden.
Studie spricht für Bitcoin-Kurs-Manipulation
Demgegenüber steht nicht nur die Klage selbst, sondern auch eine Studie von John Griffin (University of Texas) und Amin Shams (University of Ohio). Diese stellten bereits 2018 fest, dass BitFinex und Tether mit dem Bitcoin Bull Run Ende 2017 zu tun gehabt haben könnten. In einem vergangenes Jahr veröffentlichten Update stellten sie anschließend fest, dass die Bitcoin-Kurs-Manipulation gar nur von einer einzelnen Entität, einem sogenannten Wal, ausgegangen sei.
Doch auch hier wiegelte Bitfinex ab – die Studie sei mangelhaft, Bitfinex bezeichnete die Klage als „parasitär“. Gegenüber BTC-ECHO ließ John Griffin damals verlauten:
Es gibt keine Mängel in unserer Studie. In der Vergangenheit war es immer so, dass Betrüger Fakten so lange attackieren, bis es nicht mehr geht.
Die Reaktion des Gerichts steht indes aus. Ob eine Bitcoin-Kurs-Manipulation tatsächlich stattgefunden hat, lässt sich derzeit nicht mit letzter Sicherheit sagen. Fest steht: Die Geschichte von BitFinex lässt wenig Vertrauen erwecken.