Was der Absturz wirklich bedeutet 

Bitcoin Crash: 4 Insider erklären Gründe des Absturz – und warum er nicht das Ende ist

Der Crash schockiert Anleger, ETF-Abflüsse explodieren, die Stimmung kippt. Doch Experten warnen vor zu viel Panik.

Giacomo Maihofer
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Beitragsbild: Shutterstock

| Bitcoin crasht. Das sind die Gründe

Bitcoin stürzt an einem Tag um zehn Prozent auf fast 80.000 US-Dollar. Das ist selbst für diesen volatilen Markt brutal. Liquidationen explodieren, Panik verbreitet sich in den sozialen Netzwerken. Und plötzlich ist die Frage, die nach jedem großen Rücksetzer auftaucht, wieder da: Ist das der Anfang eines neuen Krypto-Winters oder nur die normale Korrektur innerhalb eines intakten Bullenmarktes? Wir haben vier Expertenstimmen eingeholt: eine Emittentin, eine Research-Analystin, ein Börsenchef und ein Branchenstratege. Ihre Botschaft ist klar. Und doch überraschend vielschichtig.

Liquidationen im Milliardenbereich, ETF-Rekordabflüsse, fallende Tech-Aktien, steigende Renditen: Das Gemisch, das diesen Crash befeuert, ist komplex. Was wie eine spontane Panik aussieht, ist in Wahrheit ein Zusammenspiel aus Marktmechanik, Risikodynamik und Makroökonomie. Und die Experten, mit denen wir gesprochen haben, zeichnen vor allem ein Bild: Der Schmerz ist real, aber der strukturelle Schaden bleibt aus.

Zunächst die nackten Zahlen: Innerhalb eines Tages verliert Bitcoin an einem Tag fast zehn Prozent und rutscht in Kursbereiche um die 80.000 US-Dollar, die viele Anleger seit Monaten nicht mehr gesehen haben. Besonders ist dieses Mal: Die Liquidationswelle vom Oktober hat den Markt strukturell ausgedünnt. Damals wurden an einem Tag 16 Milliarden US-Dollar an gehebelten Long-Positionen vernichtet, so viel wie noch nie. Orderbücher verloren Tiefe. Neue Schocks treffen auf weniger Kaufvolumen und weniger Risikoappetit. Das beschleunigt den Abverkauf. Zum anderen schlägt die globale Risikostimmung aktuell um. Die Fed zögert mit Zinssenkungen, Anleiherenditen steigen, Tech-Aktien schwächeln, das KI-Narrativ bekommt Risse. Und Bitcoin reagiert – wie so oft – schneller und härter als alle anderen.

Johanna Belitz (Valour): “Das ist ein normaler Rücksetzer“

Für Johanna Belitz, Head of Nordics beim Krypto-Emittenten Valour, passt der aktuelle Absturz in ein historisches Muster. Solche Korrekturen seien Teil des Krypto-Marktes und wiederholen sich seit Jahren. Der Markt sei, trotz wachsender institutioneller Durchdringung, nach wie vor volatil und stark abhängig von Stimmung und globalen Geschehnissen.

Belitz erinnert daran, dass die Liquidationswelle vom Oktober den Markt strukturell geschwächt hat. Viele gehebelte Positionen seien abgeräumt worden, was die Tiefe der Orderbücher verringert habe. Wenn dann, wie jetzt, ein makroökonomischer Schock auftrifft, treffe er auf einen Markt, der weniger Widerstand leisten kann: “Die Nachwehen der massiven Liquidationswelle vom Oktober verstärken die Abwärtsdynamik.” Der Nervosität der Anleger misst sie Bedeutung zu, aber nicht in einem Ausmaß, das auf systemische Probleme schließen lässt. Für sie bewegt sich alles noch im Rahmen eines normalen Bullenmarkt-Zyklus: rau, aber vertraut.

Violeta Todorova (Leverage Shares): “ETF-Anleger sind im Minus – das ist der höchste Stresspunkt”

Eine ganz andere Ebene beleuchtet Violeta Todorova, Senior Research Analyst bei Leverage Shares. Sie sieht im Crash vor allem eine strukturelle Verschiebung: Zum ersten Mal in diesem Zyklus liegt der Bitcoin-Kurs unter dem durchschnittlichen Einstiegspreis der US-Spot-ETF-Anleger. Das sei mehr als eine psychologische Schwelle. Denn Spot-ETFs sind physisch gedeckt; Abflüsse lösen echten Verkaufsdruck aus.

Todorova beschreibt ein Zusammenspiel aus makroökonomischen Gegenwinden und einer Branche, die zum ersten Mal spürt, was es bedeutet, wenn ETF-Investoren unter Druck geraten. “Der jüngste Rückgang hat die ETF-Anleger auf dem falschen Fuß erwischt”, sagt sie. “Viele dieser Anleger sind nun im Minus.” Das erklärt auch die massiven Abflüsse im November, die sich inzwischen auf rund 2,8 Milliarden US-Dollar summieren.

Hinzu kommt die sich verschlechternde globale Risikostimmung. Tech-Werte fallen, Renditen steigen, Absicherungskosten ziehen an. Bitcoin reagiert als Erstes und, wie immer, schneller und stärker als alle anderen. Todorova betont aber, dass der Markt trotz allem kein Anzeichen für eine systemische Krise zeigt: “Der Abwärtstrend ist makroökonomisch getrieben, nicht strukturell.” Die fundamentalen Muster erinnerten eher an die typischen 25- bis 30-Prozent-Korrekturen, die häufig in einem laufenden Bullenmarkt auftreten. Für sie sieht alles mehr nach einer schmerzhaften Zwischenetappe aus, nicht nach einem finalen Absturz.

Denny Morawiak (Coinbase): “Wir sehen eine Neukalibrierung, keinen Vertrauensverlust”

Für Denny Morawiak, den Deutschland-Chef von Coinbase, ist der Crash vor allem Ausdruck einer globalen Risikoreduktion. Die Unsicherheit in der KI-Branche, die Angst vor einer möglichen Tech-Blase und die generell sinkende Risikobereitschaft der internationalen Märkte seien die eigentlichen Auslöser: “Der aktuelle Markt wird stärker von allgemeinen makroökonomischen Entwicklungen beeinflusst als von einem grundlegenden Vertrauensverlust in digitale Vermögenswerte.”

Morawiak betont, dass sich die Krypto-Branche im vergangenen Jahr fundamental weiterentwickelt hat. Regulierung sei klarer geworden, Infrastruktur robuster, institutionelle Anleger aktiver. Und auch die Onchain-Nutzbarkeit habe deutliche Fortschritte gemacht: “Die Volatilität mag die Nachrichten dominieren, aber die strukturelle Basis der Branche bleibt stabil”, sagt er.

Joshua Krüger (dEURO Association): “Politisches Versprechen ersetzt kein Risikomanagement”

Die schärfste Analyse liefert Joshua Krüger, Head of Growth bei der dEURO Association. Für ihn hat der Crash eine klare Ursache: Das politisch aufgeladene Narrativ der vergangenen Monate sei überhitzt gewesen. Viele Anleger hätten darauf gesetzt, dass ein krypto-freundlicher US-Präsident, regulatorischer Rückenwind und ETF-Zulassungen den Markt automatisch antreiben würden: “Der jüngste Kursrückgang überrascht vor allem jene, die auf ein politisches Selbstläufer-Narrativ gesetzt haben.” Die Realität, so Krüger, sei härter: “Ein politisches Versprechen ersetzt kein Risikomanagement.”

Krüger hebt die Rolle der ETF-Abflüsse hervor, die seiner Meinung nach kein strategisches Signal seien, sondern ein emotionales. Viele Anleger stiegen nicht aus, weil sie einen strukturellen Bruch erwarteten, sondern weil sie frustriert seien. Gleichzeitig gerät auch das KI-Narrativ ins Wanken. Prominente Shortseller attackieren führende KI-Aktien, was Risiko-Budgets schrumpfen lässt und Märkte wie Bitcoin sofort trifft. Hinzu kommen geopolitische Spannungen, die Zinspolitik Japans und die globale Schuldenlage, die in Summe eine Reflexreaktion auf Risikoanlagen auslösen.

Für Krüger ist der aktuelle Absturz kein finales Urteil über den Krypto-Sektor, sondern ein Weckruf: “Der Einbruch ist ein Realitätscheck”, sagt er. Die strukturellen Faktoren – institutionelle Infrastruktur, Regulierung, Knappheit, technologische Reifung – blieben intakt, auch wenn der Markt im Moment etwas völlig anderes fühlt.

Fazit: Ein Crash, der weh tut, aber (noch) keiner, der bricht

Vier Experten, vier unterschiedliche Perspektiven. Und doch ergibt sich ein erstaunlich klares Gesamtbild. Der Bitcoin-Absturz ist vor allem eine makroökonomische Zwangspause. Der Druck kommt nicht aus der Branche selbst, sondern einem globalen Umfeld, das Risiko konsequent abbaut. ETF-Abflüsse, Tech-Schwäche und geldpolitische Unsicherheit haben den Rücksetzer beschleunigt, aber nicht verursacht. Die Branche wirkt angeschlagen, nicht geschwächt. Die strukturellen Grundlagen bleiben stabil. Und historisch entstehen genau in solchen Phasen die stillen, unbeliebten Böden. Die Angst ist groß, aber Winter ist es laut diesen Experten (noch) nicht.

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