Ende der Private Keys Darum geht es der Krypto-Ökonomie 2021 an den Kragen

Das Silicon Valley und die Wall Street haben im letzten Quartal des Jahres gezeigt, wohin sich die Krypto-Ökonomie im Jahr 2021 entwickeln wird. Neben neuen Investorengruppen geht aus auch um neue Spielregeln. Warum Private Keys in Vergessenheit geraten und eine diversifizierte Aufbewahrungsstrategie auch bei digitalen Assets Sinn ergibt.

Sven Wagenknecht
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Private Keys verlieren an Bedeutung für die Krypto-Ökonomie

Beitragsbild: Shutterstock

Wie wir bereits ausführlich berichtet haben, geht das aktuelle Momentum am Krypto-Markt vor allem von den institutionellen Investoren aus. Das heißt, dass insbesondere Großinvestoren wie Hedgefonds, Finanzdienstleister und Unternehmen für die steigenden Kurse bei Bitcoin und Co. verantwortlich sind. Diese neue Form der Etablierung und Institutionalisierung der Krypto-Ökonomie bringt aber auch veränderte Spielregeln mit sich. Was im letzten Quartal 2020 sichtbar geworden ist, wird sich in 2021 weiter beschleunigen: Die Abkehr der Eigenverwahrung aus Anlegersicht.

Neue Wale und Re-zentralisierung von Bitcoin

Mit dem Aufkommen dieser neuen Bitcoin-Großinvestoren findet eine weitere Zentralisierung, zumindest aus Verwahrsicht, bei Bitcoin statt. Zwar waren bislang auch die größten Bitcoin-Vermögen relativ ungleich auf wenige Wallet-Adressen verteilt, dennoch wurden diese oftmals in Privatbesitz gehalten. Soll bedeuten, dass ein einzelner Bitcoin-Investor über seine Private Keys verfügt hat.

Durch Hedgefonds wie Guggenheim Macro Opportunity Fund oder dem Krypto-Dienst von PayPal ändert sich dies signifikant. Zwar findet durch PayPal eine weitere Verteilung von Bitcoin auch auf Kleinanlegerseite statt, und dahingehend auch eine Dezentralisierung, allerdings nicht unter dem Gesichtspunkt der „physischen Verwahrung“.

Ganz gleich, ob man Anteile an einem urkundlich verbrieften Bitcoin ETC von HANetf / ETC Group (ISIN: DE000A27Z304) oder VanEck Vectors Bitcoin ETN (ISIN: DE000A28M8D0) erwirbt oder ob man via PayPal Kryptowährungen auf seinen Account lädt, man gibt Zugriff und Kontrolle über seine Bitcoin an einen Finanzintermediär ab. Wenige Player verwalten damit immer größere Mengen an Kryptowährungen.

Wer braucht schon Private Keys?

Während viele institutionelle Investoren gar keine andere Wahl haben als auf die Verwahrangebote einzugehen, da sie selbst die Private Keys nicht verwahren dürfen, stellt sich ebenfalls die Tendenz ein, dass auch Kleinanleger der neueren Stunde immer weniger in Kontakt mit der Option der Selbstverwahrung kommen. Die nutzerfreundlichsten Angebote, ganz gleich, ob PayPal, Revolut oder die Krypto-App Bison von der Börse Stuttgart bieten nur eine custodial Wallet an, bei der die Private Keys bei der jeweiligen Verwahrgesellschaft liegen.

Nicht nur übt hier das Angebot Einfluss auf die Nachfrage aus, sondern zeigt sich damit auch umgekehrt, dass sich eine neue weniger idealistische, weniger staatskritische oder politisch libertär geprägte Krypto-Investorenschaft etabliert. Auf sie wirkt das Mantra „Not your keys, not your coins“ mit Blick auf das Jahr 2021 und seiner neuen Angebote geradezu antiquiert.

Dezentralität und Eigenverantwortung treten in der Praxis immer weiter in den Hintergrund. Das Motto ist klar: Man möchte möglichst einfach und bequem an dem Wertzuwachs von digitalen Assets partizipieren. Die Eigenverwahrung gehört allerdings nicht zu diesem eher pragmatischen Krypto-Verständnis.

Die Früchte des Krypto-Konzern-Lobbyismus

Gerade die großen Player verstärken diese Tendenz, da sie es sich nicht mit der Politik und den Regulierungsbehörden verscherzen möchten. Der Staat hat kein Interesse daran, dass Bitcoin-Investoren ihre Private Keys selbst halten. Schließlich möchte der Staat auch nicht, dass man sein Bargeld unter der Matratze aufbewahrt oder sein Gold im Garten verbuddelt. Entsprechend ist davon auszugehen, dass die hochregulierten und damit auch zentralisierten Angebote seitens der Politik grünes Licht bekommen.

Im Grunde kann die Politik dankbar für jedes Facebook Libra oder PayPal sein – auch wenn sie das nicht zugeben würde – das neue Investoren in ein zentralisiertes, sehr gut zu kontrollierenden Ökosystem leitet. Wirklich dezentrale Alternativangebote durch dezentralisierte Finanzanwendungen (DeFi), die über eine non-custodial Wallet funktionieren, müssen aus Sicht der Politik um jeden Preis eingedämmt werden.

Dass sich nun Politiker wie Olaf Scholz kritisch gegenüber Facebooks Libra äußern, ergibt vor diesem Hintergrund nur wenig Sinn. Falls nicht längst getan, werden spätestens die Interessensvertreter von Facebook oder PayPal in Brüssel, Berlin oder Washington die Optionen klar artikulieren. Einfach formuliert: Entweder die Politik lässt Konzerne mit Krypto-Ambitionen gewähren und behält damit den Zugriff über die Transaktionen und Nutzer oder sie unterbindet die Konzern-Krypto-Dienstleistungen und öffnet damit schlecht kontrollierbaren dezentralen Angeboten Tür und Tor.

Allein die Meldung, dass Facebooks Libra schon im Januar 2021 mit den ersten Stable Coins loslegen möchte, deutet darauf hin, dass man bereits ein derartiges Einverständnis gefunden hat.

Das Gebot der Stunde: Sachlichkeit, ohne Sorglosigkeit

Die Diskussion über die Verwahrung von Private Keys wird oftmals sehr hitzig und emotionalisiert geführt. Schnell wird von böswilliger Überwachung gesprochen, die von dem Staat forciert wird. An dieser Stelle sollte man allerdings auch berücksichtigen, dass die aktuelle Tendenz von den Investoren und Verbrauchern größtenteils selbst ausgeht.

Das Gros der Investoren überlässt die Verwahrung lieber BaFin-regulierten Profis, die die Private Keys nicht auf einem Zettel in der Schublade liegen lassen, sondern dabei nach strengen Richtlinien auf Hardware Security Module zurückgreifen. Das Eingeständnis, dass die Selbstverwahrung nicht in allen Fällen die beste Wahl ist, sollte auch von Krypto-Hardlinern anerkannt werden.

Wichtiger stattdessen ist, dass die Wahlfreiheit bleibt. Wer seine Private Keys selbst verwalten möchte, sollte dies auch in Zukunft tun dürfen. Sollte es hier in Zukunft zu einer restriktiven Regulierung kommen, dann müsste man sich klar dagegen aussprechen.

Diversifikation: Was für Gold gilt, gilt auch für Bitcoin

Viele Anleger vergessen dabei, dass eine Diversifikation nicht nur in Form verschiedener Anlageklassen sinnvoll ist, sondern auch bei deren Verwahrung. Besonders deutlich zeigt sich dies am Beispiel Gold.

So kann es sinnvoll sein, sowohl physisches Gold bei sich zu Hause zu lagern als auch physisches Gold bei der Bank im Schließfach und Gold in Form eines verbrieften Zertifikates oder Fonds, zum Beispiel in Form eines Gold ETC mit physischer Deckung, das flexibel und kostengünstig handelbar ist.

Jede Form der Aufbewahrung hat ihre Vor- und Nachteile. Während man bei der Eigenverwahrung unter anderem einem Diebstahlrisiko ausgesetzt ist, kann man auf der anderen Seite von Anonymität profitieren, um seine Vermögenswerte beispielsweise vor dem Eingriff des Staates zu bewahren. Aus diesem Grund kann es sehr wohl rational sein, einen Teil seiner Kryptowährungen privat via Hardware Wallet zu verwahren und einen anderen Teil über einen Broker mit integriertem Verwahrservice. Verantwortlichkeiten und Zugriffsrechte zu diversifizieren ist bei Kryptowährungen genauso legitim wie bei Cash und Edelmetallen.

Die Entwicklung ist noch nicht vorbei

Wem diese Zentralisierungstendenz zuwider ist und wer eine staats- und überwachsungskritische Haltung einnimmt, dem kann an dieser Stelle Hoffnung gemacht werden. Während wir aktuell zwar eine Zentralisierung durch digitales Zentralbankgeld, Konzerne, Großinvestoren und einer insgesamt strengeren Regulierung sehen, gibt es auf der anderen Seite auch eine Reifung des noch irrelevanten DeFi-Sektors.

Kurz- bis mittelfristig sind „echte DeFi-Angebote“ zwar nicht in der Lage mit den verlockenden Konzern-Krypto-Angeboten zu konkurrieren. In den nächsten Jahren findet aber auch hier eine Weiterentwicklung statt, sodass dezentrale Angebote mit höherer Nutzerfreundlichkeit bei gleichzeitig höheren Sicherheitsstandards Marktanteile zurückgewinnen können. Die Konfliktlinie zentral-dezentral unterliegt also nicht nur im politischen Diskurs, sondern auch in der Krypto-Ökonomie verschiedenen Phasen, die sich abwechseln können. 

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