Tönnies und Facebook  Blockchain ist das neue „Bio“ – Warum wir jetzt umdenken müssen

In den letzten Jahren haben sich Bio-Siegel in der Lebensmittelindustrie durchgesetzt. Selbst Discounter wie Aldi und Lidl stocken ihr Sortiment mit immer mehr Bio-Produkten auf. Warum die Blockchain-Technologie die Bio-Bewegung weiter vorantreibt, wir neue „Blockchain-Bio-Siegel“ benötigen und was Cambridge Analytica mit dem Fleischproduzenten Tönnies gemeinsam hat.

Sven Wagenknecht
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Die Grafik zeigt ein BIO-Gütesiegel über einem Handschlag zweier Hände, die zu einer Blockchain stilisiert sind.

Was als Nischenphänomen angefangen hat, ist in den letzten Jahren immer mehr zu einem Standard geworden: Das Einkaufen von Lebensmitteln mit Bio-Siegel. Es sind längst nicht mehr nur „Ökos“ oder „Yuppies“ in Großstädten wie Berlin oder Barcelona, die viel Wert auf ökologische und nachhaltig produzierte Lebensmittel legen. Lebensmittelproduzenten, die den Bio-Standards nicht entsprechen – Stichwort: Tönnies – werden zunehmend gesellschaftlich geächtet. Um auch langfristig profitabel zu sein, wird es als Unternehmen immer wichtiger, sich an die neuen Konsumentenbedürfnisse anzupassen. Entsprechend wundert es auch nicht, dass das Marketing sowohl von der Lebensmittel-, aber auch Kleidungsindustrie, immer öfter einen grünen und nachhaltigen Anstrich bekommt.

Mit Bio-Kapitalismus zu einer besseren Welt

Letztlich ist es weniger der Altruismus oder Idealismus der Unternehmen, die ihre Kleidung nicht mehr in Bangladesch produzieren oder Hühner in schuhkartongroßen Käfigen halten. Am Ende geht es ums Geldverdienen. Die Konsumenten entscheiden mit ihrer Brieftasche, wohin die Reise geht.

Von dieser „Öko-Dynamik“ kann man sehr viel lernen. Insbesondere die Etablierung dezentraler Infrastrukturen durch die Blockchain-Technologie geht in die genau gleiche Richtung. Wer möchte, dass dezentrale Anwendungen und damit Datenschutz sowie mehr Transparenz bei gleichzeitig höher Privatsphäre eine Zukunft haben, der muss verstehen wie die Erfolgsgeschichte der Nachhaltigkeits- und Ökologiebewegung funktioniert.

Lachs auf der Blockchain

Langjährige BTC-ECHO-Leser werden eine ganz bestimmte Art von Artikeln auf unserer Seite gut kennen. Die Rede ist von News zu BlockchainTracking-Lösungen, also Transport- und Logistikprozessen, die via Blockchain erfasst und damit für jedermann nachvollziehbar gemacht werden. Ganz gleich, ob chinesische Schweinehälften, italienischer Rotwein oder Schokolade aus Ecuador: es gibt kaum ein Lebensmittel, mit dem nicht schon Blockchain-Pilotprojekte vollzogen wurden.

Dabei geht es vor allem darum, dass der Konsument beim Kauf sicher gehen kann, woher die Ware kommt. Auch und gerade bei Bio-Produkten ist dies oft nicht wirklich transparent. So ist es bekannt, dass beispielsweise Garnelen oder Avocados, die außerhalb der EU gefangen respektive angebaut werden, oftmals nicht den Bio-Standards entsprechen, dennoch aber an das attraktive Bio-Siegel kommen können. Wirklich sicher kann sich der Konsument indes bei kaum einem im Ausland produzierten Lebensmittel sein.

Wenn Bio nicht mehr reicht: Das Blockchain-Siegel

Das Erfassen von Waren über eine öffentlich einsehbare Blockchain, die es ermöglicht, die gesamte Lieferkette nachzuverfolgen, kann zu einem höheren Verbraucherschutz beitragen. Neben einem Bio-Siegel könnte es also auch ein Blockchain-Siegel geben, das dem Verbraucher durch Einscannen mit der Smartphonekamera die Möglichkeit gibt, sämtliche produktbezogene Herstellungs- und Transportbedingungen nachzuvollziehen.

Beispielsweise nutzt der norwegische Fischerreibetrieb Kvarøy Arctic, unterstützt von norwegischen Fischerreiverband, das Blockchain Tracking, um transparent zu machen, woher der Lachs stammt. Ein anderes Beispiel ist das H&M-Unternehmen Cos, das mit dem Krypto-Unternehmen VeChain kooperiert, um den Weg der Kleidungsstücke via Blockchain offenzulegen. Aktuell befinden wir uns dabei oft noch in einer Pilotphase. Vergleicht man die Bio-Adaption mit der Blockchain-Adaption, dann könnte man sagen, dass wir hinsichtlich Krypto noch in den 90er Jahren stecken.

Datenskandale sind die neuen Fleischskandale

Um ein schnelleres Umdenken zu kultivieren, ist es wichtig, für Skandale zu sensibilisieren. Der Tönnies-Skandal hat von Bildzeitung, über das Handelsblatt bis hin zur Taz öfter in den Schlagzeilen gestanden als der Cambridge-Analytica-Datenskandal. Salopp formuliert versteht „der Deutsche“ keinen Spaß, wenn es um die Wurst geht, bei seinen persönlichen Daten hingegen schon.

Neben den Vorteilen, die Blockchain bei dem Tracking von Waren liefern kann, muss ein neues Datenbewusstsein bei den Verbrauchern geschaffen werden. „Wer sammelt, verifiziert und monetarisiert meine Daten?“, sollte genauso häufig hinterfragt werden wie der Ursprung der Avocado oder eben der Wurst. Blockchain kann dabei als Tool zur Mündigkeit befähigen. Der mündige Verbraucher ist informiert, ganz gleich, ob beim Wocheneinkauf im Edeka oder bei dem Durchstöbern von Facebook-Einträgen oder Amazon-Bestsellern.

Es geht auch ums Geld

Dezentralität ist die Chance in einer immer stärker vernetzten und datenbasieren Welt die Kontrolle zu behalten. Ohne Kontrolle über unsere Daten und letztlich unsere digitale Identität wird es in Zukunft zu dystopischen Szenarien kommen. Spätestens mit der Weiterentwicklung von KI ist der mündige Verbraucher nur noch eine Illusion. Eine dezentrale Datenökonomie wird nicht alle Probleme lösen können, sehr wohl aber für Optionen und Handlungspielraum sorgen.

Insbesondere die ökonomische Dimension bei der Monetarisierung spielt hier eine übergeordnete Rolle. Unsere Daten werden von Jahr zu Jahrwertvoller, da sie immer genauere Informationen zu unserem Konsum respektive unserer Konsumbereitschaft liefern können. Wer hier nicht möchte, dass bereits übermächtige Tech-Konzerne aus dem Silicon Valley noch mächtiger werden, der muss sich mit dezentralen Alternativen auseinandersetzen.

Es ist 5 vor 12

Wenn ein Blockchain-Protokoll, das von seinem Netzwerkteilnehmern betrieben wird, die gleiche Dienstleistung wie AirBnb oder Uber bereitstellen kann, dann sollte man darüber nachdenken dieses auch zu nutzen. Bislang sind derartige Angebote noch zu unausgereift für das Gros der Konsumenten. Genauso wie die Bio-Bewegung braucht es hier noch viel Zeit, sowohl in der Weiterentwicklung als auch in dem Bewusstsein der Menschen.

Zeit, die wir kaum haben, da die Weiterentwicklung der smarten Algorithmen von Google und Co. rasant voranschreitet. Auch digitales Geld wie beispielsweise Facebooks Libra wird nicht nur eine neue Stufe von Konsumentenentmündigung und Privatsphäre-Einschränkung mit sich bringen. Zwar kommt hier die Distributed-Ledger-Technologie zum Einsatz, doch trägt diese nicht oder nur sehr eingeschränkt, zur Verbraucherautonomie bei. Es ist also wichtig, zwischen Pseudo-Blockchain-Lösungen und wirklich dezentralen Blockchain-Lösungen zu unterscheiden, um „Blockchain Washing“ zu verhindern.

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