STO für alle? Finanzblasen verhindern: Ein Rettungsplan für die deutsche Wirtschaft

Die Niedrigzinsen und Aufkaufprogramme der Notenbanken helfen nicht allen Unternehmen. Insbesondere KMUs sowie Start-ups bekommen nur wenig von den vielen Notenbank-Milliarden und günstigen Refinanzierungskonditionen ab. Wie ein neues Rettungspaket die Position von GmbHs auch in schweren Zeiten sicherstellt, bestehende Finanzblasen reduziert und dabei Deutschland zu einem Digitalisierungsschub verhelfen kann.

Sven Wagenknecht
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Exitschild zeigt den Weg aus den Flammen, was die deutsche Wirtschaft symbolisieren soll.

Beitragsbild: Shutterstock

| Anleger sind in ängstlicher Vorerwartung auf aktuelle Wirtschaftsdaten.

Die Corona-Krise und hohe Staatsverschuldung führen zu immer extremeren und kreativeren Maßnahmen von Notenbanken und Staaten. Dabei werden viele Milliarden in den Markt gepumpt, um eine Stabilisierung zu erwirken. Während der Mittelstand und damit auch die Kapitalgesellschaftsform GmbH oftmals leer ausgehen, findet eine übermäßige Kapitalkonzentration auf die großen, börsengehandelten Aktiengesellschaften statt. Nicht nur können Konzerne mit Zugang zum Finanzmarkt von günstigen Refinanzierungskonditionen profitieren, sondern auch von einer neuen Käufergruppe: den Notenbanken. Diese greifen weltweit immer stärker in den Finanzmarkt ein, nicht nur um Staatsanleihen aufzukaufen, sondern immer öfter auch Unternehmensanleihen. Zukünftig könnten in der Eurozone auch noch Aktien hinzukommen, wie es bereits in Japan der Fall ist.

Obwohl GmbHs in Deutschland die häufigste Kapitalgesellschaftsform stellen, steht die Rechtsform dem Kapitalmarkt eher verschlossen gegenüber. Zwar gibt es Private-Equity- sowie Wagniskapitalgesellschaften, die Beteiligungen ermöglichen, dennoch steht für viele GmbHs der Gang zur Bank an erster Stelle. Dabei profitieren GmbHs im Gegensatz zu den börsengehandelten AGs nicht gleichermaßen von dem Überangebot an Kapital und niedrigen Zinsen wie es die Unternehmen aus DAX und Co. tun.

Gefährliche Asymmetrie schürt Blasengefahr

Mit jedem Monat weiterer Notenbankmilliarden nimmt damit die Blasengefahr zu, da immer mehr Geld auf eine überschaubare Anzahl an Unternehmen verteilt wird, die im Grunde nur einen kleinen Teil der deutschen oder europäischen Wirtschaft ausmacht. Schließlich sind die meisten Arbeitnehmer in Deutschland bei GmbHs und nicht bei börsennotierten Aktiengesellschaften beschäftigt.

Unter der Annahme, dass uns die großen quantitativen Lockerungen noch bevorstehen, ergibt es Sinn über alternative Geld-Kanäle in die Realwirtschaft nachzudenken. Zumal es aus Staatssicht wichtig ist, zeitnah Inflation zu erzeugen. Indem man es schafft, den bereits entkoppelten Finanzsektor wieder stärker mit der Realwirtschaft zu verbinden, könnte man dem Ziel der Inflation einen Schritt näherkommen.

Die Frage lautet also: Wie schafft man es auf der einen Seite die massive Asset-Inflation und Überbewertung an den Finanzmärkten klein zu halten und gleichzeitig Inflation und Wachstum in der Realwirtschaft zu stimulieren?

Planwirtschaft mit Köpfchen

Anstatt immer nur Staatsanleihen und Unternehmensanleihen von Großkonzernen aufzukaufen und sich damit die eigene Bilanz zu verhageln, da die Werthaltigkeit der Assets immer weiter abnimmt, könnten Notenbanken gemeinsam mit den Staaten ein neues Aufkaufprogramm auflegen. Im Mittelpunkt würden die KMUs, ergo die GmbHs, stehen. Durch eine technisch schlanke und digitale Verbriefung von Anleihen und gegebenenfalls sogar Aktien, könnten auch GmbHs im Grunde den gleichen Finanzmarktzugang erhalten wie Aktiengesellschaften, inklusive Sekundärmarkt.

In diesem Programm würde man nicht nur die Digitalisierung enorm voranbringen, sondern auch die Realwirtschaft mit Geld fluten. Dies hätte nicht nur den Vorteil, dass man damit nennenswert das Wachstum ankurbelt und die Blasenbildung bei bereits bestehenden Assets reduziert, sondern es auch schafft, die staatlich gewünschte Inflation anzuheizen. Mit dem ursprünglichen Mandat der Geldwertstabiltät hat dies natürlich rein gar nichts zu tun.

Gegen den Anlagenotstand: Der staatlich geförderte Massenbörsengang

Doch wie könnte man nun so einen Massenbörsengang des Mittelstandes umsetzen? Folgende Punkte sollen skizzieren, welche Schritte unter anderem notwendig wären.

1) Notwendige Gesetze müssen verabschiedet werden

Um GmbHs wie Aktiengesellschaften handelbar zu machen, bedarf es an Gesetzesänderungen. Konkret geht es um die Digitalisierung von Wertpapieren mit Hilfe der Blockchain-Technologie und tokenisierten Assets. Dazu muss allerdings noch das Sachenrecht angepasst werden, um den Besitzstand für digitale Güter zu definieren. Korrespondieren dazu muss die physische Verbriefung digitalisiert werden, damit ein Handel an einer regulierten Börse möglich wird. Ein Gesetzesentwurf liegt dazu bereits vor, sodass die Chancen in 2021 nicht schlecht stehen, dass erste regulatorische Voraussetzungen geschaffen werden. 

2) Nicht nur Anleihen, sondern auch Aktien

Des Weiteren muss man klären, ob man nur Fremdkapital (Schuldverschreibungen) oder auch Eigenkapital (Aktien) von GmbHs handelbar machen möchte. Für letzteres müsste regulatorisch noch deutlich mehr passieren, siehe Punkt 1). Ergänzend dazu spielt auch die aktuelle Reform der Mitarbeiterbeteiligungen eine unterstützende Rolle, die von der Bundesregierung sogar noch in diesem Jahr umgesetzt werden könnte – Stichwort: Employee Stock Ownership Plan (ESOP).

3) BaFin: Klare Regeln mit Minimum an Bürokratie  

Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) kann für eine höhere Standardisierung bei der Prospektpflicht sorgen. Die notwendigen Anwaltskosten zur Erstellung eines Wertpapierprospektes schrecken nach wie vor viele Unternehmen von einer Wertpapieremission ab. Auch das günstigere Wertpapierinformationsblatt (WIB) ist nicht „mal eben“ erstellt. Würde die BaFin bereit sein, Mustervorlagen zu erstellen, die einen höheren Standardisierungsgrad ermöglichen, dann könnte dies die Eintrittshürden respektive die Rechtskosten deutlich senken.

4) Motivationsschub für Unternehmer: Die richtigen Anreize setzen

Der Staat könnte mit einem Förderprogramm die Wertpapieremission fördern. Über die KfW könnten Fördermittel bereitgestellt werden wie man es auch von anderen Programmen, wie zum Beispiel energieeffizientes Sanieren, kennt. Auch kann man die Kosten für eine Wertpapieremission den Unternehmen ganz erstatten oder hier spezielle steuerliche Anreize setzen.

5) Notenbankgeld für Mittelstand, anstatt Konzerne

Um das viele Notenbankgeld auf die Konten der GmbHs zu bringen, kann der Staat oder gegebenenfalls auch die EU einen KMU-Fonds für digitale GmbH-Anteile aufsetzen. Jede GmbH, die nun eine digitale Wertpapieremission vornimmt, könnte sich um Gelder aus dem Fonds bewerben. So könnte man unter anderem die Voraussetzung definieren, dass man die Gelder aus dem Fonds nur für Investitionen in digitale Infrastruktur oder nachhaltige Produkte verwenden darf, um einer Fehlallokation von Kapital zumindest etwas entgegen zu wirken. Der Staat oder die EU würde damit Forderungen oder gar Anteile der GmbHs erwerben. Insbesondere innovative Unternehmen mit einem hohen Kapitalbedarf könnten damit schneller wachsen. Gleichzeitig eröffnen sich dadurch Möglichkeiten wie sie beispielsweise im Norwegischen Staatsfonds realisiert sind.

6) Börsenfieber Made in Germany

Um nicht die Übersicht zu verlieren, müsste man neue Segmente und Indizes von Börsenbetreibern in Zusammenarbeit mit öffentlichen Institutionen erschaffen. Schließlich handelt es sich auch um eine vollkommen neue, digitale Infrastruktur, da es sich um tokenisierte Wertpapiere handelt, die über eine Blockchain ausgegeben werden. Gerade der „Zwang zum Digitalen“ könnte sich hier aber zum größten Wirtschafts- und Standortvorteil erweisen. Wenn alle Beteiligte ihre Prozesse digitalisieren müssen, dann würde Deutschland beziehungsweise Europa eine Pionierrolle im globalen Finanzsektor einnehmen und Standards setzen.

Wenn schon neue Schulden, dann wenigsten sinnvoll

Auch wenn derartige staatliche Maßnahmen planwirtschaftliche Züge haben und gegen ein libertäres Wirtschaftsverständnis verstoßen sowie für neue Finanzblasen sorgen können, ist die aktuelle Allokation der Notenbankmilliarden absolut unbefriedigend. Das viele neue Geld fließt nicht in die Innovation, sondern in den Erhalt der Substanz. Mehr Konsum als Investition, wie sich beispielweise bei dem staatlich gestützten Reiseveranstalter TUI zeigt.

Eine staatlich geförderte „Liquide-Machung“ des Mittelstandes, würde nicht nur eine kleine Revolution für den deutschen oder europäischen Kapitalmarkt bedeuten, den Anlagenotstand von Pensionskassen und Co. bekämpfen und die staatliche gewünschte Inflation ankurbeln, es könnte auch zum signifikanten Ausbau unserer digitalen Infrastruktur beitragen. Zudem machen sich die KMUs damit weiter unabhängig von den Kreditinstituten als Geldgeber.

Europa hinkt in Puncto Digitalisierung Asien und den USA hinterher. Ein derartiges Infrastrukturprogramm auf Blockchain-Basis würde einen neuen Standardisierungsprozess anstoßen und für eine neue Marktdynamik sorgen. Insbesondere Start-ups und besonders innovative Unternehmen könnten von einem besseren Zugang zum Kapitalmarkt sowie zusätzlicher staatlicher Unterstützung profitieren.

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