Risiko bei Altcoins Sicher in Katastrophen – Wie resilient ist ein Krypto-Projekt?

Die Dezentralität eines Projekts misst sich nicht nur an der Anzahl der Nodes oder der Kapitalkonzentration. Hier geht es weniger um einen möglicherweise zu starken Einfluss auf die weitere Entwicklung des Netzwerks, sondern um die Resilienz des Krypto-Projekts. Der bekannte Researcher Hasu hat zum Abschätzen derselben ein in der IT-Szene bekanntes Framework namens „bus factor” auf die Krypto-Welt übertragen.

Dr. Philipp Giese
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Eine Krypto-Münze, in dem Fall Bitcoin, in einer Mausefalle.

Beitragsbild: Shutterstock

Wie abhängig ist ein Projekt von einzelnen Personen? Der klassische Vergleich hierzu ist freilich Bitcoin: Auch mit dem Weggang von Satoshi Nakamoto existiert Bitcoin weiter. Auch von anderen zwischenzeitlich zentralen Playern ist die Mutter aller Kryptowährungen unabhängig: Als 2016 der langjährige Entwickler Mike Haern der Bitcoin-Community den Rücken zu kehrte, war das eben kein zu großer Verlust für dieselbe.

Das Problem ist nicht auf das Krypto-Ökosystem beschränkt: Freunden der Open-Source-Community mag dabei schnell das Essay The Cathedral and the Bazaar in den Sinn kommen. In diesem stellt Eric S. Raymond dar, wie eine offene Open-Source-Kultur deutlich flexibler und durch eine Interaktion mit einer breiten Community wird. „Mit genügend Augen wird jeder Fehler leicht auffindbar“, so Eric Raymond in seinem Buch.

Dezentralität oder etwas allgemeiner ausgedrückt eine große Community an Entwicklern, die ein Projekt gut kennen, ist auch für die Widerstandsfähigkeit und Resilienz eines Entwicklungsprojektes hilfreich. Im Bereich des Risikomanagements existiert deshalb der so genannte Bus-Faktor. Dem Namen liegt ein makaberes, aber einleuchtendes Gedankenexperiment zugrunde:

Wie viele Core-Entwickler dürfen von einem Bus überfahren werden, bevor das Projekt nicht mehr fortgeführt werden kann?

Der Bus-Faktor ist damit also die Zahl der Menschen, auf denen das Projekt in signifikanter Weise aufbaut.

Als Illustration ein Extremfall: Im Jahr 1982 startete Byron Preiss eine groß angelegte Schatzsuche in Amerika. In einem Fantasy-Buch namens The Secret versteckte Byron Preiss Hinweise auf 12 reale Schätze, die irgendwo in den USA und Kanada versteckt waren. Nur drei Schätze wurden bisher gefunden. Wo die übrigen sind, ist immer noch ein Rätsel. Da Byron Preiss im Jahr 2005 tragischerweise den Folgen eines Verkehrsunfalls erlag, gibt es auch keinen Menschen mehr, den man hierzu fragen kann. Das Geheimnis der 12 Schätze war an eine einzelne Person gebunden.

Bus-Faktor: Welcher ist optimal?

Das Beispiel mit Byron Preiss ist tragisch und makaber, zeigt jedoch die schwierige Balance auf, die Unternehmern meistern müssen. Bezogen auf The Secret wäre ein hoher Bus-Faktor auch ein Risiko gewesen: Mit jedem Geheimnisträger steigt die Gefahr, dass die Positionen der Schätze eweiter verraten werden oder einer der Geheimnisträger selbst die Schätze für sich beansprucht.

Ein zu hoher Bus-Faktor ist also auch nicht erstrebenswert, zumindest nicht für jedes Projekt. Wenn zu viele Mitarbeiter in einem Unternehmen wissen, was der Wettbewerbsvorteil gegenüber anderen Produkten ist, stellt sich die Frage, wann die Konkurrenz das Geheimnis hinter diesem Vorteil erfährt.

Das Problem, einen optimalen Bus-Faktor zu finden, ist also nicht einfach. Je exklusiver ein Projekt ist, desto geringer wird der optimale sein. Sicherlich wird man diesen zu bestimmten Zeiten leicht erhöhen müssen, beispielsweise wenn neue Mitarbeiter eingewiesen werden.

Letztlich handelt es sich hier um eine Art Vertrauensproblem, welches aber umso dramatischer ist, je geschlossener ein Projekt ist. Open-Source-Projekte, welche den gesamten Code mit der Welt teilen, haben entsprechend einen sehr hohen Bus-Faktor, jedoch ist das dem Projekt zugrunde liegende Wissen auch nicht sonderlich exklusiv.

Bus-Faktoren im Krypto-Bereich: Maß für die Resilienz

Für Kryptowährungen ist dieser Faktor umso wichtiger: Ein hoher Bus-Faktor spricht für ein System ohne einen Single Point of Failure. In der Hinsicht ist es zweifellos sinnvoll, dass viele Kryptowährungen über offene Quellcodes verfügen und aktiv zur Partizipation aufrufen. Dennoch existieren auch im Krypto-Bereich Risiken, die den Bus-Faktor dramatisch mindern können. Er macht dabei folgende fünf Punkte als Risiken fest:

  • Die Vision hinter einer Kryptowährung
  • Das Marketing der Idee hinter der Kryptowährung zur Erhöhung der Adaption
  • Das Funding eines Altcoins
  • Forschung und Entwicklung um dieses Krypto-Asset
  • Schließlich noch als Krypto-eigenes Feature die Block-Produktion

Ohne auf die einzelnen Punkte im Detail einzugehen – wer daran Interesse hat, kann den Originalartikel von Hasu auf Deribit Insights lesen – soll kurz kommentiert werden, was das für Investoren bedeuten kann.

Die einzelnen Risiken im Detail

Bezüglich der Vision sollten sich Investoren die Frage stellen, welchen Einfluss zentrale Persönlichkeiten wie Satoshi Nakamoto oder Vitalik Buterin auf ein Asset haben. Folgt die Community deren Äußerungen ohne weiteres Nachdenken oder bringt sich dieselbe proaktiv in die weitere Entwicklung des Assets ein?

Wie steht es mit dem Marketing? Ist ein Projekt in erster Linie von einem zentralen Evangelisten abhängig, welches die Kurse durch Announcements hochmanipuliert? Auch das ist ein Single Point of Failure.

Funding im Krypto-Bereich ist ohnehin ein kontroverses Thema. Egal, ob man über Premining, ICOs oder neuere Entwicklungen wie die Developer-Gebühr für das Core-Team hinter ZCash spricht: Diese Ansätze stehen in der Kritik, weil eine zentrale Entität die alleinigen Profiteure sind.

Forschung und Entwicklung ist ebenfalls ein Punkt, bie dem man über den Bus-Faktor sprechen kann. Selbst bei Open Source Projekten gilt: Sofern nur eine abgeschlossene Gruppe von Insidern die Software für ein Projekt schreibt, kann dies zu einem geringen Bus-Faktor und einem Single Point of Failure führen.

Die Anwendung des Bus-Faktors auf die Block-Produktion kann man von zwei Seiten betrachten. Zum einen kommen wir hier auf das bekannte Problem der Mining-Zentralisierung. Je mehr der Hash Rate von einem einzelnen Mining Pool kontrolliert wird, desto mehr kann sich hier ein Single Point of Failure ergeben. Hier kann man jedoch auch betonen, dass ein geringer Bus-Faktor auf Seiten der Miner zum Teil durch einen hohen Bus-Faktor im Node-Ökosystem abgefangen werden kann. Auch wenn diese keine Blöcke generieren können, bietet eine hohe Anzahl an Nodes einen gewissen Schutz gegen ein boshaftes Verhalten seitens der Miner. Ein Beispiel dafür war die User-Activeated Soft Fork, bei welcher es die Node-Hoster waren, die von den Minern eine Akzeptanz von Segregated Witness erzwangen.

Der Bus-Faktor: Eine Risiko-Abschätzung für Krypto-Investoren

Was wir bei genauerer Betrachtung merken: Das betrachten einer einzelnen Eigenschaft bezüglich des Bus-Faktors reicht nicht aus. Beispielsweise muss bei der Block-Produktion die Situation auf Seiten der Miner/Staker und auf Seiten der Full Nodes bewertet werden. Wie sieht es jedoch mit dem Bus-Faktor hinsichtlich der Node-Entwicklung aus? Wenn alle Nodes denselben Client nutzen, kann dies für eine Kryptowährung ein gewisser Risikofaktor sein. Eine Lektion, die wir aus der Sicherheitslücke CVE-2018-17144 im Bitcoin-Ökosystem lernten.

Für Investoren bietet der Bus-Faktor eine gute Gretchenfrage, die sie bei der Bewertung von Assets stellen können. Wie stark sind zentrale Eigenschaften wie die Vision, das Marketing oder die Block-Produktion von zentralen Playern abhängig? Je höher die Bus-Faktoren bei den einzelnen oben angesprochenen Themen sind, desto resilienter wird das Krypto-Ökosystem sein.

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