Machtfaktor Blockchain Warum China und Facebook die gleiche Blockchain-Strategie verfolgen

Staaten wie Konzerne sehen in der Blockchain-Technologie die Chance, ihren Einfluss zu vergrößern, anstatt sich selbst von der Dezentralität unterminieren zu lassen. Wie dieser Widerspruch funktioniert, was China und Facebook mit der Blockchain-Technologie bezwecken wollen und warum der virtuelle Raum für das Kryptowährungsprojekt Libra langfristig viel interessanter ist als Schwellenländer als Libra-Befürworter zu gewinnen. Ein Kommentar.

Sven Wagenknecht
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Facebook und China Lego

Beitragsbild: Shutterstock

Zwar ist Facebook keine Nation und China kein Unternehmen, dennoch verfolgen beide Akteure die gleiche Blockchain-Strategie. Beide Akteure möchten mithilfe der Blockchain ihr eigenes Ökosystem stärken, ohne dabei nennenswert Kontrolle abzugeben. So möchten Konzerne und Staaten vom dezentralen Datenaustausch und der rein digitalen Abwicklung von Werte- und Vertragstransaktionen profitieren. Um Partizipation und Privatsphäreschutz der Bevölkerung oder der Nutzer geht es dabei nicht.

China hat sehr gut verstanden, dass sich die Zukunft des Landes an den digitalen Infrastrukturen entscheidet. So setzt sie jetzt mit der Blockchain-Strategie die Grundvoraussetzung für ein neues Maß an digitaler Wertschöpfung. Als bereits führende Big-Data-Nation fehlt es noch an einer passenden Infrastruktur, um die Verzahnung der heimischen Unternehmen und Bevölkerung auf ein neues Automatisierungs- und Interaktionslevel zu heben. Das gleiche Prinzip gilt auch für den Internetgiganten Facebook. Zwar hat Facebook keine eigene Volkswirtschaft, aber dafür ein eigenes Ökosystem. Anstatt Bürger besitzt der Facebook-Konzern mehr als doppelt so viele Nutzer wie China Einwohner.

Kleine Zugeständnisse für große Gewinne

Wenn man ein System dezentralisiert, dann wird Macht und Kontrolle an andere Akteure oder die nächstliegende untere Stufe abgegeben. So gibt Facebook beispielsweise Einfluss an die Teilnehmer der Libra Association ab. Wenn sich der chinesische Staat dezentralisiert, indem er beispielsweise wie Deutschland auf stärker föderale, ergo dezentrale Strukturen setzt, dann verliert auch die dortige oberste Staatsführung an Einfluss. Nun funktioniert kein komplexes System vollständig dezentral oder vollständig zentral. Entsprechend stellt sich jeder Akteur, ganz gleich, ob Staat oder Unternehmen, die Frage, wie viel (dezentrale) Eingeständnisse er bereit ist zu machen, um das eigene System maximal stabil zu halten und gleichzeitig ausbauen zu können. Blockchain ist daher vor allem eines: Eine Kosten-Nutzenrechnung, die Kontrolle und Macht als Währung hat.

So tritt Facebook für seine Kryptowährung Libra die Kontrolle an ein Konsortium ab. Es findet also eine Dezentralisierung, ergo Abnahme an direktem Einfluss, statt. Der chinesische Staat wiederum bindet unter anderem Konzerne wie Alibaba oder Tencent, anstatt wie bisher nur Banken, in die Herausgabe seiner Central Bank Digital Currency (CBDC) ein. Diese Form der Pseudodezentralisierung dient letztlich nur dazu, die eigene Macht weiter auszubauen und zu stärken. Eine Dezentralisierung in konsortialen Strukturen ist daher vor allem ein Ausbau von Allianzen.

Umgekehrt versucht Facebook, genügend Anerkennung für seine Kryptowährung, insbesondere von regulatorischer Seite und aus der Bevölkerung, zu erhalten. Letztlich ist Facebook also bereit, ein Eingeständnis einzugehen, um damit seinem Ziel, eine neue Wertschöpfungsstufe für sein eigenes Ökosystem zu erschaffen, näherzukommen. Diese Eingeständnisse finden aber nicht auf der Endnutzer-Ebene statt, sondern verbleiben bei Politik und Partner-Unternehmen.

Warum die Blockchain über den Status als Hegemon entscheidet

Auch bei China geht es bei der Blockchain-Strategie nicht darum, den Status quo zu verwalten, sondern die eigene Expansion und Behauptung gegenüber Wettbewerbern voranzutreiben. So wird der Staatenwettbewerb vor allem durch die technologische Innovationsgeschwindigkeit entschieden. Der Staat oder die Region, die bei den Zukunftstechnologien das Rennen macht, wird auch politisch in der Welt das Sagen haben. Künstliche Intelligenz, das Internet der Dinge, Virtual Reality etc. sind die digitalen Schlachtfelder der noch jungen 20er-Jahre.

Wenn China den Hegemonialstatus der USA einnehmen will, ohne Krieg zu führen, dann wird das nur über wirtschaftliche Dominanz gelingen. Diese hängt wiederum von der internationalen Wettbewerbsfähigkeit der eigenen Volkswirtschaft ab.

Der Schlüssel dazu liegt in einer effizienteren Allokation und Vernetzung von Informationen sowie Daten. Während eine zentrale Steuerung durch ihre Einfachheit besticht, gewinnen dezentrale Systeme ab einem gewissen Komplexitätslevel die Oberhand. Die Herausforderung besteht aber eben in deren Organisation und Steuerung. Bis dato, also ohne die Blockchain-Technologie, war es nicht möglich, Dezentralität technologisch effektiv abzubilden. Zentrale Steuerungssysteme waren so in der Regel überlegen.

Mit der Etablierung von dezentralen Infrastrukturen, ergo Blockchain, ändert sich dieser Umstand, sodass neue Organisationsprinzipien möglich werden. Dies hat zur Folge, dass die Karten neu gemischt werden. Was in den 60er-Jahren das Wettrennen zum Mond war, ist heute der Versuch, die eigene volkswirtschaftliche Produktivität schneller als die Konkurrenz durch die genannten Zukunftstechnologien auf ein neues Vernetzungs- und Effizienzlevel zu heben.

Facebook: Die Expansion im digitalen Raum

Während nun China seine Industrie mithilfe der Blockchain besser vernetzen und zu einem höheren Produktivitätslevel führen will, um zu mehr internationalem Einfluss zu gelangen, möchte auch Facebook seine Einflusssphäre vergrößern. Anstatt auf den digitalen Renminbi setzt Facebook auf Libra. Beide Digitalwährungen treten an, um Marktanteile zu gewinnen und effizienter zu sein als die bisherigen analogen Fiatwährungen. China möchte durch den digitalen Renminbi Vorteile für die eigene Industrie und Notenbankpolitik durch programmierbares Geld gewinnen. Diesen staatlich bestimmten Währungskrieg geht Libra noch nicht ein, da es ihm dazu als Unternehmen an politischer Macht fehlt.

Dies gilt allerdings nicht für die digitale und staatenlose Welt, die langfristig viel relevanter für Facebook ist als die analoge Welt. Bereits heute könnte Facebook Libra einsetzen, um die Zahlungsabwicklungen auf seinen Plattformen über Libra zu organisieren. Das mag ganz nett sein, hat mit dem langfristigen Potential durch Virtual Reality nur wenig zu tun.

Der lange Atem von Facebook

Langfristig möchte Facebook den virtuellen Raum genauso anführen wie es heute Social Media und Messengerdienste dominiert. Die zukünftige Wertschöpfung in Virtual-Reality-Welten ist zudem um ein Vielfaches attraktiver, als Entwicklungsländer von einem fiatgedeckten Libra Coin zu überzeugen.

Dies deutet sich bereits an den spielerischen Gehversuchen mit der Virtual Reality Horizon an. Mit dem aufgekauften VR-Brillenhersteller Oculus arbeitet Facebook an der Entstehung einer Social-Media-Virtual-Reality. In Zukunft kann man dann innerhalb des Facebook-Ökosystems ins virtuelle Kino gehen, Businessmeetings abhalten, eine Versicherung abschließen oder neue Turnschuhe im virtuellen Ladenlokal erwerben. Limitierungen wie in der analogen Welt werden schlichtweg aufgehoben.

Theoretisch wird das Facebook-Ökosystem damit in der Lage sein, einen signifikanten Teil des globalen Konsums im digitalen Raum über seine virtuellen Ländereien abzuwickeln. Die Perspektive, eine digitale Leitwährung als Pendant zum analogen US-Dollar zu schaffen, ist deutlich vielversprechender und einfacher als sich mit Staaten anzulegen, die im Zweifel über politische Sanktionsmechanismen verfügen. Auch sich durch eine eigene Blockchain-Abwicklungsstruktur von Banken lösen zu können verspricht ein neues Maß an Unabhängigkeit. Die vermeintliche Blockchain-Dezentralisierung führt damit zum genauen Gegenteil: Facebook wird noch mächtiger und in der Spitze noch zentralistischer.

Die nächsten Schritte

Es wäre naiv anzunehmen, dass sich diese Szenarien innerhalb der nächsten fünf Jahre durchsetzen werden. Sofern es nicht zu einer großen Krise kommt, wird der digitale Renminbi es nicht schaffen, den US-Dollar als Leitwährung zu verdrängen. Auch wird es Facebook in diesem Zeitraum nicht gelingen, ein digitales Ökosystem im Rahmen einer virtuellen Welt mit dem BIP von Deutschland zu erschaffen.

Sowohl Facebook als auch China werden in Zukunft einige Eingeständnisse gen Dezentralisierung eingehen müssen, um ihre langfristigen Ziele zu erreichen. Solange sie es aber schaffen, ihre Nutzer oder Bürger im eigenen Ökosystem zu halten, wird ihr Einfluss trotz Dezentralisierung eher zu- als abnehmen. Es sollte jedem bewusst sein, dass die Blockchain-Technologie in den Händen von autokratischen Staaten und Konzernen wenig mit den ursprünglich offenen und partizipativen, ergo wirklich dezentralen Blockchain-Systemen, zu tun hat.

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