Was haben Fortune-500-Unternehmen, außerbörslicher Handel und Real-World-Assets gemeinsam? Sie alle spielen eine zentrale Rolle in der neuen Strategie von Ledger Enterprise. Auf der TOKEN2049 in Dubai verriet Sebastien Badault, wie Ledger vom reinen Hardware-Wallet-Hersteller zur umfassenden Infrastrukturplattform für institutionelle Krypto-Player wird. Im Fokus: Sicherheit, Skalierbarkeit und regulatorische Anschlussfähigkeit in einem zunehmend professionellen Markt. Ein Gespräch über die nächste Evolutionsstufe der digitalen Vermögensverwaltung – und warum Selbstverwahrung dabei der Schlüssel ist.
Das Interview wurde auf Englisch geführt und anschließend ins Deutsche übersetzt.
Man kennt Ledger als Hardware-Wallet-Hersteller – aber was genau ist Ledger Enterprise? Was macht ihr konkret?
Am einfachsten lässt es sich so beschreiben: Ledger Enterprise ist eine Erweiterung des Consumer-Produkts. Ursprünglich war Ledger eine reine Hardware-Firma für Endkunden. Dann kamen erste Rückmeldungen von Nutzern, die meinten: “Wir haben ein Problem. Wir brauchen einen Governance Layer über unsere Assets.” Denn bei institutionellen Kunden ist es eben nicht nur eine Person, die über die Assets verfügt. Das erste Feedback kam von Verwahrstellen, Börsen etc. – sie sagten: “Ihr dürft keinen Single Point of Failure haben.” Wenn jemand seine Seed Phrase verliert, ist sonst alles weg.
Also wurden wir gebeten, eine Governance-Ebene für unser Produkt zu entwickeln. Das Konzept der Selbstverwahrung fanden alle gut, aber eben mit zusätzlichen Kontrollmechanismen. Wir hören gern auf unsere Kunden – also haben wir dieses Feature entwickelt und vor rund fünf Jahren auf den Markt gebracht.
Wenn man Ledger Live als eine Art Service- oder App-Store-Schicht über der Hardware versteht, machen wir jetzt dasselbe für Unternehmen. Zunächst drehte sich alles um das sichere Verwahren von Assets. Heute bieten wir darüber hinaus Services an – wie etwa Staking – ähnlich wie bei den Endkunden.
Seit einem Jahr arbeiten wir an einer Off-Exchange-Trading-Plattform. Damit können Asset Manager ihre Assets einem Custodian mit Ledger Enterprise anvertrauen. Diese Assets verlassen dabei nie den Custodian, bleiben also sicher – ohne Kontrahentenrisiko. Das war eine direkte Reaktion auf die FTX-Pleite. Die Community wollte eine Lösung, bei der man nicht permanent Assets zwischen Wallets und Börsen hin- und herschieben muss. Das spart nicht nur Kosten, sondern reduziert auch das Risiko. Diese Plattform ist unser nächstes Kapitel.
Das kann also auch auf Real-World Assets (RWAs) ausgeweitet werden?
Definitiv. Wir denken bereits darüber nach. Derzeit geht es aber zunächst darum, das Netzwerk so stark wie möglich zu machen. Wir integrieren Verwahrstellen weltweit: Crypto Garage in Japan, BDAX in Korea, Etana und Equity Trust in Kanada, Komainu in Europa – damit unsere Kunden ihre Assets bei einem lokalen, regulierten Custodian hinterlegen können.
Denn Regulierungen sind regional unterschiedlich. Künftig wollen wir neben Bitcoin und anderen Kryptowährungen auch tokenisierte Vermögenswerte abbilden. Die Herausforderung: Auch hier gelten je nach Region unterschiedliche Regeln und Integrationen.
Gibt es denn jetzt schon Nachfrage von institutioneller Seite für Tokenisierung – etwa bei tokenisierten Anleihen?
Absolut. Es ist ganz klar ein Trend. Zwei Bereiche sind besonders spannend: tokenisierte Assets (inklusive RWAs, Wertpapiere etc.) und Zahlungen. Letzteres geht über klassische On-/Offramps hinaus. Sobald Institutionen oder Unternehmen Krypto halten, stellen sie sich die Frage: Was machen wir damit?
Das kann Sparen sein, z. B. in Bitcoin, oder Staking. Aber langfristig geht es auch um Payments. Und das wird richtig spannend.
Gerade bei internationalen Zahlungen könnte das ein Gamechanger sein. Wie könnte Ledger hier eingebunden sein?
Derzeit bieten wir das noch nicht an – aber wir denken darüber nach. Allerdings würden wir das über Partner umsetzen. Ledger ist keine Börse, sondern eine Plattform, die für Sicherheit sorgt.
Bei Unternehmenszahlungen geht es nicht um 0,1 Bitcoin, sondern um Millionenbeträge. Das erfordert maximale Sicherheit. Die Frage ist also: Welche Rolle spielt Ledger beim Absichern solcher Zahlungen?
Ledger wandelt sich also vom Wallet-Hersteller zu einer Art Plattform – ähnlich wie eine Bankeninfrastruktur, aber dezentral?
Ganz genau. Wir bauen diese Services nicht selbst, sondern machen sie zugänglich – so wie bei einem App Store. In Ledger Live kannst du aktuell schon staken, swappen etc., indem du dich mit verschiedenen Partnern verbindest. Das wollen wir auch im B2B-Bereich ermöglichen.
Wir sehen, dass zunehmend auch TradFi-Akteure Interesse zeigen. Ich bin überzeugt, dass 2025 ein Fortune-500-Unternehmen einen Teil seiner Unternehmensreserven in Bitcoin halten wird.
Der Fokus verschiebt sich also von Krypto-nativen hin zu traditionellen Vermögensverwaltern?
Teilweise ja. Unsere Plattform TradeLink richtet sich an Custodians und Krypto-Börsen, aber die investierenden Fonds können aus jedem Sektor kommen. Heute sind es meist Krypto-Fonds, aber morgen könnten es klassische Asset Manager sein.
Ich sehe da Parallelen zur frühen Internet-Ära: Früher fragten Unternehmen nach “Online-Strategien”, heute ist alles miteinander verschmolzen. Genauso wird es bei traditionellen und digitalen Assets sein.
Und das bestehende Finanzsystem ist veraltet, oder?
Ja. Warum setzen wir noch auf Systeme aus den 70ern? T+2 Settlement, internationale Überweisungen, die fünf Tage dauern – das ist nicht mehr zeitgemäß. Dabei ist schnelle Abwicklung längst technisch möglich. Aber viele Banken verteidigen ihr Territorium, statt zu innovieren.
Was sind aus deiner Sicht die größten Hürden für mehr institutionelle Adoption?
Erstens: Bildung. Viele Gespräche drehen sich um Grundlagen – z. B. wie Schlüsselmanagement funktioniert. Besonders bei TradFi-Akteuren gibt es viel Aufklärungsbedarf.
Zweitens: Der Wunsch nach Services. Unternehmen wollen mit ihren Assets etwas tun können – nicht nur sie halten. Hier setzen wir an.
Und drittens: Zeit. Wir stehen noch ganz am Anfang. Stablecoins wickeln aktuell etwa 50 Milliarden Dollar pro Monat ab – das klingt viel, ist aber im Vergleich zum globalen Zahlungsverkehr winzig.
Aber das Thema Sicherheit – das ist etwas, was traditionelle Akteure sofort verstehen. Dort sind die Sicherheitsstandards extrem hoch. Genau hier setzen wir mit unserer DNA an.
Welche Rolle spielt MiCA und Regulierung generell für Ledger?
Regulierung ist wichtig, weil sie klare Spielregeln schafft. Wir engagieren uns aktiv, insbesondere beim Thema Selbstverwahrung – das sollte gesetzlich verankert werden.
Aber: In Europa ist MiCA mit der Zeit enorm gewachsen – ursprünglich 60 Seiten, jetzt über 2.000. Das erschwert die Umsetzung. Andere Jurisdiktionen wie Dubai oder Singapur machen es besser. Sie reden mit der Industrie und schaffen dann realitätsnahe Regeln. Das wünsche ich mir auch für die USA und Europa.
Was ist deine Vision für Ledger Enterprise in den nächsten drei bis fünf Jahren?
Heute sichert Ledger rund 20 Prozent der digitalen Assets weltweit – aber fast nur im Consumer-Bereich. Wenn der Gesamtmarkt auf 30 Billionen US-Dollar wächst, könnte der Enterprise-Bereich den Großteil ausmachen.
Mein Ziel: 20 Prozent dieser institutionellen Assets sollen über Ledger Enterprise abgesichert sein. Das wäre ein riesiger Erfolg – und für uns absolut realistisch. Wir wollen die Plattform sein, auf der jeder seine Assets sicher verwahren und nutzen kann.
Wenn du wissen möchtest, wie Ledger Hardware Wallets im Vergleich zu ihren Mitbewerbern abschneiden, dann besuche unsere Wallet Review.