Gastbeitrag Tokenisierung der Finanzierung von Industriegütern

Direkte Investitionen in einzelne Maschinen und Produktionsstraßen ermöglichen Industrieunternehmen neue Finanzierungsmethoden und eröffnen interessante Investments für Anleger.

Dr. Ulli Spankowski
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Industrie 4.0

Beitragsbild: Shutterstock

Tokenisierung vereinfacht den Transfer von und die Investition in zuvor illiquide Vermögenswerte und erhöht Markteffizienz

Tokenisierung hat transformatives Potenzial für Wirtschaft und Gesellschaft. Für Unternehmen erschließen sich durch Tokenisierung neue Finanzierungsmethoden und Geschäftsmodelle. Für Investoren eröffnet sich eine Vielzahl von neuen Investmentmöglichkeiten, da durch Tokenisierung für zuvor nur schwer transferierbare Vermögenswerte liquide Märkte entstehen können. Dadurch ergeben sich neue Möglichkeiten zur Portfoliodiversifikation. Beispielsweise könnte ein Investor ohne großen Aufwand ein Bruchstück eines tokenisierten Gegenstands erwerben. Außerdem werden Innovation und Wachstum beschleunigt, da Investoren direkt in die Entwicklung neuer Technologien und Produktionsstätten investieren können.

Neben neuen Investmentmöglichkeiten führt Tokenisierung auch zu einem einfacheren Investmentprozess, da durch den Transfer über die Blockchain viele Intermediäre potenziell obsolet werden. Durch den direkten Tokentransfer verringern sich die anfallenden Transaktionskosten, was zu effizienteren Marktergebnissen führt.

Tokenisierung ist die digitale Abbildung von Vermögenswerten

Im Zuge der zunehmenden Digitalisierung unserer Gesellschaft nimmt der Prozess der Tokenisierung eine wichtige Rolle ein. Der Begriff der Tokenisierung ist dabei eng verknüpft mit der Blockchain-Technologie und bezeichnet die digitale Abbildung physischer und nicht-physischer Vermögenswerte mit digitalen Token. Diese digitale Abbildung erfolgt heutzutage üblicherweise auf einer Blockchain. Konkret wird auf der Blockchain ein entsprechender Token herausgegeben, welcher den entsprechenden Vermögenswert repräsentiert – man könnte also auch von einer digitalen Verbriefung von Vermögenswerten sprechen. 

Konkreter Use Case zur Finanzierung für industrielle Investitionsgüter 

Zusammen mit Bosch, Daimler Mobility, der Universität Stuttgart und dem Technologiepartner 51nodes hat die Börse Stuttgart eine flexible Finanzierungsmethode für industrielle Investitionsgüter auf Basis der Blockchain im Rahmen eines Grundlagenprojekts entwickelt und erprobt.

Mit der neuen Methode können einerseits Investoren über digitale Token in industrielle Investitionsgüter wie Maschinen, Fahrzeugflotten oder Energieinfrastruktur investieren. Andererseits hat der Emittent der Token den Vorteil, seine Finanzierungskosten nach einem Pay-per-Use-Modell an die tatsächliche Nutzung der finanzierten Güter zu koppeln. Die Bereitstellung von relevanten Nutzungsdaten schafft dabei Transparenz und bildet die Grundlage für variable Auszahlungen an die Investoren. Als technische Basis wurde in dem Projekt die Ethereum-Blockchain gewählt. 

Tokenisierungsprozess umfasst Token-Erzeugung, Token Sale, Token Transfer und Ausschüttung

Die Wertschöpfungskette der Tokenisierung der Industriegüterfinanzierung umfasst vereinfacht die folgenden Stufen:

  • Der erste Schritt ist dabei die Token Erzeugung. Hierzu gilt es neben der Entwicklung des Finanzierungs-/bzw. Investment Smart Contracts diesen mit den Daten des zu finanzierenden Industrieguts und einem Pay-per-use/Payout-Algorithmus zu verbinden.
  • Der zweite Schritt ist der Token Verkauf. Nachdem der Token erzeugt wurde, wird der Token auf einer Primärmarktplattform erstmalig veräußert und anschließend auf einer Sekundärmarktplattform gehandelt. In diesem Kontext ist die grundsätzliche Frage der Verwahrung der Token zu berücksichtigen.
  • Der dritte Schritt ist der Token Transfer. Neben dem Transfer, sprich dem Handel auf einer Sekundärmarktplattform, gilt es einen regulierungs-/rechtskonformen Prozess der Übertragbarkeit auf externe Adressen (beispielsweise das private Wallet des Investors) aufzusetzen. 
  • Der vierte Schritt ist die Ausschüttung. Informationen über die tatsächliche Nutzung des Industrieguts werden mittels des hinterlegten Pay-per-use/Payout-Algorithmus in definierten Intervallen in Ausschüttungsbeträge „übersetzt“ und an die Halter der Investmenttoken überwiesen.

Herausforderungen auf technologischer, regulatorischer und Produkt-Ebene

Während im Jahr 2018 erstmals einfache Pay-per-Use Produkte zur Unternehmensfinanzierung entwickelt wurden, nutzt das vorgestellte Projekt erstmals das disruptive Potenzial der Blockchain-Technologie. Dadurch wird der gesamte Investitions- sowie Ausschüttungprozess effizienter und schneller, da der oft komplexe Weg über Intermediäre überflüssig wird bzw. vollautomatisch ablaufen kann. Wahr ist aber auch, dass Herausforderungen für die breite Anwendbarkeit des Projektergebnisses in der Praxis existieren.

Aus technischer Sicht muss die gesamte Wertschöpfungskette von Tokenerzeugung bis Ausschüttung digital abgebildet werden können. Somit besteht insbesondere im Rahmen der Ausschüttungen Bedarf für eine “anerkannte” Stablecoin oder digitale Zentralbankwährung, welche heute so (noch) nicht existieren. Nur mit diesen lassen sich jedoch die Effizienzpotentiale vollständig heben. Außerdem bedarf es einer klaren Regulatorik hinsichtlich der Begebung von tokenisierten Wertpapieren. Produktseitig ist die zentrale Herausforderung die Skalierung des Marktplatzes, ohne den sich die notwendige Plattform betriebswirtschaftlich nicht betreiben lässt. Dazu müssen eine ausreichende Anzahl von Emittenten und Investoren überzeugt werden.

Dr. Ulli Spankowski ist Geschäftsführer der Boerse Stuttgart Digital Ventures GmbH.

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