Das führte auch zu einem Perspektivenwechsel innerhalb der Bitcoin-Szene. Nachdem der Token-Markt 2018 boomte, hat sich die Hoffnung vieler Krypto-Jünger auf unregulierte Token Offerings im Gros nicht bewahrheitet.
Neu ist vor allem, dass die Branche die rechtlichen Regularien im Allgemeinen nicht mehr zu umgehen versucht, sondern als Chance versteht – was in Anbetracht der Vielzahl an Scams und dem erheblichen Reputationsschaden innerhalb der letzten zwei Jahre wenig verwunderlich ist.
STO & ICO: Token-Design und Rechtsfolgen
Mittlerweile ist den meisten Krypto-Freunden bewusst, dass die Rechtsfragen um ICOs und STOs von zentraler Bedeutung für das Unternehmen und das Token-Modell sind. Schließlich hängen von der technischen Ausgestaltung der Token die regulatorischen Anforderungen ab. Das deutsche Recht besteht aus einer Vielzahl von Gesetzen. Zu diesem Paragraphendschungel kommen EU-Verordnungen hinzu, die auch in Deutschland unmittelbar Anwendung finden. Allerdings haben sich bereits mehrere zentrale Rechtsfragen herausgebildet, die für nahezu jedes Token Offering entscheidend sind.
Welche Regularien sind es also, die dem bisher noch grauen Token-Markt zu mehr Transparenz, Anlegerschutz und schließlich allgemeiner Akzeptanz auf dem Kapitalmarkt verhelfen sollen? Oder um es mit Jacob Grimm zu formulieren: „Was aber helfen die edelsten Rechte dem, der sie nicht handhaben kann?”
Die Erlaubnispflicht
Entscheidend ist vor allem, ob der Token-Verkauf erlaubnispflichtig ist. Das ist gerade für Start-ups relevant, insbesondere wenn sie noch keine starke Finanzierung im Rücken haben. Denn eine entsprechende Lizenz zu beantragen ist zeit- und dadurch kostenintensiv.
Eine Erlaubnispflicht kann sich daraus ergeben, dass Token als Finanzinstrumente, Wertpapiere bzw. Vermögensanlagen oder E-Geld eingestuft werden und dadurch unter die Regulatorik des Kreditwesengesetzes (KWG), Wertpapierprospektgesetzes (WpPG) bzw. Vermögensanlagengesetz (VermAnlG) oder das Zahlungsdienstleistungsgesetz (ZAG) fallen.
Aufsichtsrechtlich relevant sind auch Mechanismen zur Geldwäsche-Prävention. Gemeint sind damit insbesondere die Regularien zur Kundenidentifizierung, dem sogenannten „Know Your Customer“ (KYC). Das Verfahren zur Identifizierung der Kunden kann für Token-Anbieter relevant sein, wenn sie unter den Anwendungsbereich fallen, also unter § 2 Geldwäschegesetz (GWG). Durch das KYC-Verfahren verifizieren die Unternehmen ihre Kunden. So können sie überprüfen, ob mit dieser Person Geschäfte gemacht werden dürfen. Das Verfahren schließt dabei auch mit ein, woher das Krypto-Geld stammt, welches der Kunde einbringen möchte.
Das scharfe Schwert der BaFin
Brenzlig wird es dann, wenn die BaFin einschreitet und von ihren Rechten Gebrauch macht. Werden erlaubnispflichtige Geschäfte im Aufsichtsbereich der BaFin ohne Erlaubnis getätigt, kann sie die Geschäfte untersagen. Zudem kann sie das Unternehmen dazu zwingen, das eingenommene Geld zurückzuzahlen. Dabei drohen empfindliche Bußgelder. Ein riskanter Cocktail, der Unternehmen vernichten kann.
Nicht zu unterschätzen ist auch das persönliche Risiko, dem sich die Verantwortlichen aussetzen. Denn auch eine strafrechtliche Verfolgung ist möglich und derartige Verfahren sind für die Beschuldigten wegen des Reputationsschadens und der tatsächlichen Strafe alles andere als angenehm.
Abseits der Strafen durch den Staat können verschiedene Gesetzesverletzungen in den relevanten Bereichen auch zu einer zivilrechtlichen Haftung führen. Das bedeutet, dass man Schadensersatz geltend machen kann.
Gleichzeitig ist die BaFin in dem Bereich sehr aktiv und beobachtet diejenigen, die Token herausgeben, sehr genau. Bereits 2017 hat die BaFin in 13 Fällen Verfahren gegen die Herausgeber von Token eingeleitet. Das rührte daher, dass der Verdacht auf unerlaubter Geschäfte im Raum stand. In vier Fällen wurden die Geschäfte untersagt und die Staatsanwaltschaft eingeschaltet.
Trügerischer Schein
Für den juristischen Laien kann in diesem Zusammenhang verwirrend sein, dass das Kammergericht Berlin am 25. September 2018 entschied, dass Bitcoin keine Rechnungseinheiten und damit keine Finanzinstrumente sind und folglich nicht unter die Erlaubnispflicht fallen. Denn zum einen ist das Strafurteil weder für die BaFin noch für andere Gerichte (außer die dem Kammergericht in Strafsachen untergeordneten Gerichte in Berlin) nicht zu beachten. Zum anderen lassen sich Bitcoin nicht mit ICOs und STOs vergleichen, die von Unternehmen herausgebracht werden.
Daher darf das Strafurteil des Kammergerichts nicht als Freifahrtschein für erlaubnisfreie Token Offerings missverstanden werden.
Weder unbesonnen noch furchtsam
Für Start-ups, die Token ausgeben wollen, gilt in Bezug auf aufsichtsrechtliche Maßgaben das alte Motto, weder unbesonnen noch furchtsam zu handeln. Wer allzu unbesonnen an das Thema herangeht, wird den Ausspruch des polnischen Poeten Stanisław Jerzy Lec verstehen, der sagte, dass „das Paragraphenzeichen allein […] wie ein Folterwerkzeug” aussehe. Mit guter Planung und informierter Durchführung lassen sich die aufsichtsrechtlichen Hürden jedoch nehmen und Token-basierte Finanzierungsrunden stemmen. Denn auch die BaFin hat ein Interesse an einem finanzstarken Wirtschaftsstandort Deutschland und eine gute Zusammenarbeit ist bei entsprechendem Umgang grundsätzlich möglich.