Wer nicht erst seit kurzem im Kryptosektor unterwegs ist, weiß, dass Nuri (ehemals Bitwala) eine Pionierrolle im deutschen Bitcoinsektor eingenommen hat. Schon seit 2015, noch vor dem ersten großen Krypto-Hype 2017, arbeiteten die damaligen Gründer an der Idee, Blockchain bzw. Bitcoin Banking für die Öffentlichkeit zu erschließen. Die große Frage, die man sich im Rahmen der Insolvenz nun stellen mag, ist, was von der Idee und dem ursprünglichen Unternehmen übrigbleibt?
Mammutaufgabe Insolvenz
Eine Insolvenz ist eine organisatorische Mammutaufgabe. Im Fall von Nuri geht es jetzt nicht darum, die Stecker zu ziehen, sondern auf der einen Seite das Geschäft weiter laufen zu lassen, ergo die wichtigsten Dienstleistungen weiter erbringen zu können und gleichzeitig einen Sanierungsplan zu erstellen. Schließlich sitzt Nuri nicht nur auf viel personellem, und teils technischem Know-How, sondern auch auf rund 500.000 Kunden und einem verwalteten Kundenvermögen von knapp einer halben Milliarde Euro.
Ein Sanierungsplan kann daher vor allem bedeuten, ein Unternehmen für einen potenziellen Käufer attraktiv und übergabefertig vorzubereiten. Strukturen zu schaffen, dass sich ein anderes Unternehmen, zum Beispiel eine Krypto-Börse, oder Investoren, zum Beispiel ein Wagniskapitalgeber, Nuri annimmt. Was dieses “annehmen” bedeutet, steht in den Sternen. Dies kann theoretisch die Weiterführung des bestehenden Geschäftes unter neuer Gesellschafterordnung sein oder ein “Filetieren” bestimmter Bereiche, die man für eigene Zwecke verwertet.
Auf das Timing kommt es an
Das Beispiel Nuri zeigt, wie wichtig das makroökonomische Umfeld für Start-ups zur Finanzierung ist. Hätte es die Krypto-Bank geschafft, zum Höhepunkt der Bewertungsrallye im Herbst/Winter 2021 eine größere Finanzierung zu schließen, dann hätte es voraussichtlich mit angezogener Handbremse weiter auf Kurs bleiben können. Natürlich ist es aber auch zu einfach, nur das Makroumfeld für die Insolvenz des Fintechs verantwortlich zu machen.
Die hohen Kosten, die der Wachstumskurs von Nuri verschlungen hat, mögen in einer wirtschaftlichen Boom-Phase zu tolerieren sein, aber nicht mehr in der aktuellen Krise. Steigende Finanzierungskosten, im Kontext inflationsbedingter Leitzinserhöhungen, machen Risikoinvestitionen relativ gesehen unattraktiver. Die Folge sind Bewertungsabstriche, die am Ende eine Unternehmung nicht mehr wirtschaftlich tragfähig bzw. finanzierungs- und kreditwürdig zur bisherigen Bewertung erscheinen lassen.
Des einen Leid, ist des anderen Freud
Ebenjenes angesprochene Timing spielt auch in den Sanierungsprozess hinein. In dem aktuellen Umfeld ist es grundsätzlich schwieriger, mögliche Käufer zu einem hohen Preis zu finden. Schließlich geht es den meisten Konkurrenten mit potenziellem Kaufinteresse finanziell selbst nicht so gut. Doch auch hier gibt es immer Ausnahmen. Wer nun über ausreichend Kapital verfügt, kann strategisch extrem kluge M&A-Transaktionen durchführen. Insbesondere mit Hinblick auf Marktanteile sind die vielen Kunden von Nuri für den ein oder anderen Player sicherlich attraktiv.
Auf der anderen Seite dürfte das Management von Nuri, wie es auch aus den Unternehmensmitteilungen zu entnehmen ist, alles daran setzen, so viel wie möglich vom Unternehmen zu retten, insbesondere die Jobs.
Das Spiel gegen die Zeit
Für Nuri ist Geschwindigkeit jetzt wichtig. Schließlich müssen kostspielige Prozesse aufrechterhalten werden. Auch besteht die Gefahr, dass Nuri-Kunden immer mehr ihrer Einlagen abheben. Eine schnelle Lösung, um so viel von der Substanz zu retten wie möglich, dürfte also eine hohe Priorität einnehmen.
Man muss an dieser Stelle allerdings auch klar sagen, dass gegenwärtig noch jedes Szenario denkbar ist. Wie es zukünftig bei Nuri weitergeht, werden wir bei BTC-ECHO berichten.