Manchmal ist es schon verwunderlich: Dann denkt man, dass man inzwischen die Top 30 der Kryptowährungen fast auswendig kann und plötzlich erscheint wie aus dem Nichts eine Kryptowährung, die man bisher noch nicht kannte. Vor wenigen Tagen war das Ecash, nun tauchte auf einmal U.Cash auf. Letzterer konnte sich nun immerhin ein paar Tage im Coinmarketcap ohne Zensur halten, obwohl das Marktkapital durch Trading auf kleinen Exchanges zustande kommt. Aktuell erfährt er zwar eine Konsolidierung, wurde aber von anderen Medien schon als neuer Shooting-Star am Kryptohimmel bezeichnet.
Zynisch betrachtet kann man U.Cash als ein Musterbeispiel dafür sehen, warum eine Bewertung auf Basis des Marktkapitals seine Grenzen hat: Die Marktkapitalisierung einer Kryptowährung ist das Produkt von Supply und letztem Preis. Wenn also jemand mehrere Milliarden Token emittiert und diese auf einer Exchange für wenig Geld gehandelt werden, erhält man schnell ein hohes Marktkapital.
So geschah es mit U.Cash: Da ein Supply von 21 Milliarden Token erzeugt wurde, erreicht man mit einem Betrag von 5 Cent pro Token schon eine “Milliardenbewertung”. Als eine grobe Orientierung kann man sicherlich das Marktkapital nutzen, sollte jedoch immer auch die Frage stellen, was eine hohe Marktkapitalisierung bedingt. Das lässt sich natürlich auf jede Messgröße übertragen: Immer ist die Frage nach der Datenherkunft zu stellen. Das allein ist jedoch absolut kein Grund, eine Kryptowährung oder einen Token zu verdammen. Schauen wir uns also U.Cash mal genauer an.
U.Cash – Peer-to-Peer-Finanzen unabhängig von Blockchain
Wenn man das Abstract von U.Cash liest, ist man etwas underwhelmed: Da wagt also jemand eine Disruption der Banken und will alles in Peer-to-Peer-Hände legen! Meine Güte, das ist ja ein von Bitcoin komplett zu unterscheidender Use-Case! Der Fairness halber ist jedoch zu betonen, dass dem Projekt ein Financial Service Network vorschwebt, was deutlich mehr als ein reines Peer-to-Peer-Zahlungsnetzwerk umfasst. Das Projekt ist auch ehrlich und betont, dass die Idee auch nicht neu ist, sondern auf Securacoin, einem 2014 gegründeten Unternehmen, welches Bitcoin-Adoption voranbringen will, zurückgeht.
Es soll also nicht nur möglich sein, Zahlungen zu realisieren. Das Ziel ist, den gesamten Bereich, den eigentlich Banken abdecken, auf dezentrale Beine zu stellen. Es geht also nicht nur um Peer-to-Peer-Transaktionen, sondern um ein Netzwerk an ATMs, um Daueraufträge und natürlich auch um Debit- und Kreditkarten. Zusätzlich ist die Entwicklung von Multi-Signature-Wallets und einen Financial Messaging Service nach ISO20022 geplant.
Einen Großteil dieser Lösungen gab es zwar schon, U.Cash möchte jedoch von Einzellösungen weg und ein Komplettpaket entwickeln. Ob nun diese Sammlung an Partikulärlösungen innovativ ist, sei dahin gestellt. Die Stoßrichtung von U.Cash ist jedoch auch eine andere: Nicht die Entwicklung eines neuen Protocol Layers, sondern eines neuen Application Layers ist das Ziel. Ein Phänomen im Blockchain-Ökosystem, welches von verschiedenen Seiten benannt wurde, ist die Fokussierung auf Protokoll-Development, von neuen Blockchains, was auf Kosten von konkreten, fertig entwickelten Anwendungen geschieht. Deshalb existieren viele Blockchain-Plattformen, alle mit ihren jeweiligen Use Cases, und viele Proof-of-Concept-Lösungen.
U.Cashs Ansatz ist anders: Die Plattform versteht sich als blockchain-agnostisch und kann mit verschiedenen Kryptowährungen (und Fiatwährungen) arbeiten. Deshalb ist geplant, vom U.Cash-Token ausgehend verlinkte Coins auf verschiedenen Blockchains zu schaffen. Man orientiert sich dabei am Sidechain-Konzept von Rootstock. Dadurch möchte U.Cash die Vorteile der verschiedensten Blockchain-Technologien miteinander kombinieren, sodass U.Cash in eigenen Worten
“die Smart Contracts von Ethereum mit der Sicherheit und Community von Bitcoin, der Anonymität von Zcash und Monero und den Stärken einer Vielzahl anderer Blockchains kombiniert.“
Weitere Partikulärlösungen sind geplant, um die Vorzüge der zentralisierten Bankenwelt in dezentralen Umgebungen zu implementieren. “Geplant” ist vielleicht auch der falsche Ausdruck, schließlich soll gemäß Roadmap schon sehr viel vorhanden sein.
Hier befindet sich jedoch eine der Red Flags beim Projekt U.Cash: Sowohl im White Paper als auch auf der Seite werden, hart ausgedrückt, viele Phrasen gedroschen. Eine ruhige, detailreiche Darstellung von Lösungswegen vermisst man ebenso wie eine Roadmap mit konkreten Daten. Wann die jeweiligen Phasen realisiert sein sollen, ist der sehr unübersichtlichen Webseite nicht zu entnehmen. Ebenso sind bis auf die Advisors keine Partner genannt; es wird zwar mehrfach betont, dass man beispielsweise im Retail-Sektor auf verschiedene Partner zurückgreifen könne, jedoch finden sich nicht mehr Angaben dazu; nur indirekt kann man annehmen, dass auf das Netzwerk von SecuraCoin zurückgegriffen wird.
IBO – Airdrop meets Referral-Programm meets Outsourcing
U.Cash betont, nicht das klassische ICO-Finanzierungsmodell zu verfolgen, sondern eher eine Partizipation der Community zu motivieren. Das Konzept der sogenannten Initial Bounty Offerings oder kurz IBO soll in einem White Paper namens “Initial Bounty Offerings (IBOs): A Framework to Build Blockchain-Enabled Organizations” vertiefter erklärt sein. Leider ist dieses Paper nirgends zu finden, sodass man sich hier auf die Äußerungen im White Paper zu U.Cash und im Announcement auf Bitcointalk berufen muss.
Ein Initial Bounty Offering ist eine Anfrage zur Partizipation der Community: Für Erstellen eines Accounts, für Hilfe bei der Übersetzung eines White Papers, für Teilnahme am Referral-Programm, für das Posten von Blogposts, Steemit Posts oder Reddit Posts, aber auch für jene, die als sogenannter Converter, also Anbieter von finanziellen Dienstleistungen auf der U.Cash-Plattform arbeiten wollen, gibt es kostenloses U.Cash. Ein Initial Bounty Offering ist also den nicht unüblichen Bounty Programs, wie sie viele ICOs und Kryptowährungen in ihrer Frühphase kennen, nicht unähnlich und besitzt vor allem den Unterschied, dass man nicht nur eine Einmalzahlung für eine Dienstleistung erhalten kann, sondern beispielsweise durch Registrierung als Converter über die gesamte IBO-Periode an den Airdrops beteiligt ist. Insgesamt stellt sich deshalb ein IBO als eine Mischung aus klassischem Bounty-Programm, Airdrop und Referral-Programm dar.
U.Cash – Tolles Projekt oder doch nur ein Scam?
Was gefällt, ist der Fokus auf den Application Layer und die Idee, keine neue Blockchain oder “Blockchain der Blockchains” zu schaffen, sondern auf bestehenden Systemen aufbauend etwas Neues zu realisieren. Es ist in dem Zusammenhang klar, warum William Mougayar mit an Bord sitzt, ist doch seine Vision von zukünftiger Blockchain-Nutzung, dass diese weit im Hintergrund arbeiten werden und der User diese nicht zu Gesicht bekommt. Das Team hinter U.Cash ist benannt und kann über Linkedin überprüft werden.
Wie schon gesagt fällt die Unmenge an Marketing-Sprech im White Paper und auf der Webseite sehr negativ auf. Wenn man zusätzlich noch im Github-Account zum einen einen recht generischen Smart Contract und zum anderen nur ein geforktes Projekt findet, fragt man sich schon, was bis auf das White Paper, ein Initial Bounty Offering und ein durch Handel auf einer einzigen Exchange erreichtes Market Cap erreicht wurde. Etwas weniger polemisch ausgedrückt: Ja, man merkt, dass das Projekt viel erreichen will, jedoch fehlt ein gewisser Fokus. Man möchte alles lösen, so dass im White Paper fast jedes Buzzword der letzten Monate zu finden ist. Eine gewisse erste Fokussierung würde dem Projekt gut tun.
Insgesamt ist dieses aus dem Nichts kommende Projekt kritisch zu bewerten, was durch Vorwürfe verschiedener Nutzer bezüglich der Schwierigkeiten beim Withdraw-Prozess und dem Verdacht auf einen Scam bestätigt wird. Wer sich dennoch für das Projekt interessiert sei, wie immer auf die Webseite, das White Paper und die Telegram-Gruppe verwiesen.
BTC-ECHO