Seit einigen Wochen wird das Thema der Krypto-Besteuerung und insbesondere die steuerfreie Jahresfrist erneut heiß diskutiert. Insbesondere die Äußerungen von Prof. Dr. Co-Pierre Georg, Director of Frankfurt School Blockchain Center, und das Strategiepapier vom SPD-Arbeitskreis Seeheimer Kreis sorgen aktuell für Schlagzeilen. Überschneidungen lassen sich dabei vornehmlich bei den Rufen zur Abschaffung der Haltefrist bei Kryptowährungen finden.
Laut dem Strategiepapier des Seeheimer Kreises wolle man damit spekulativen Risiken, Verbraucherschäden, Finanzkriminalität und potenziellen Gefährdungen für die Finanzstabilität entgegenwirken. Co-Pierre Georg sehe in seinen Forderungen darüber hinaus die Möglichkeit für den Fiskus, weitere Steuereinnahmen im ein- bis zweistelligen Milliardenbereich zu generieren.
Abschaffung der Frist, wie würde das aussehen?
Abgesehen von meiner persönlichen Einstellung zu der Diskussion kommt für mich vor allem diese Frage viel zu kurz: “Was kommt danach?” Daher möchte ich im Folgenden insbesondere die möglichen steuerlichen Konsequenzen solcher Änderungsbestreben betrachten und aufzeigen, was nach der hypothetischen Abschaffung der Jahresfrist kommen könnte.
Entfernung der Jahresfrist bei privaten Veräußerungsgeschäften (bei Krypto)
Wer von der “Krypto-Haltefrist” spricht, meint dabei steuerlich korrekt betrachtet die Jahresfrist bei privaten Veräußerungsgeschäften. Unter private Veräußerungsgeschäfte fallen per Definition alle Verkäufe von Privatpersonen. Dass Bitcoin, Gold oder Schmuck hierunter fallen, liegt auf der Hand. Aber auch der Verkauf des gebrauchten Autos oder der alten Gitarre sind theoretisch Teil der privaten Veräußerungsgeschäfte. Für alle diese privaten Verkäufe gilt ebenso die Jahresfrist. Sie ist also keineswegs eine „Sondervergünstigung“ für Krypto-Anleger, wie es Diskussionen darüber teilweise vermuten lassen. Sie ist eine pragmatische Regelung und wurde konzipiert, um den Verwaltungsaufwand bei den Finanzämtern zu minimieren, lange bevor der erste Satoshi das Licht der Welt erblickt hat.
Die Konsequenzen einer generellen Abschaffung der Jahresfrist bei privaten Veräußerungsgeschäften wären gravierend:
Jeder Bürger, der etwas privat verkauft, angefangen beim 10 Jahre alten Toaster auf Ebay, müsste plötzlich Steuererklärungen erstellen. Dabei könnte er selbst beim genannten Extrembeispiel neben den Gewinnen auch Verluste anrechnen. Der Staat könnte durch solche Anrechnungen sogar erhebliche Einnahmen verlieren und das Finanzamt hätte mit einem unglaublichen bürokratischen Aufwand zu kämpfen. Ein absurdes Beispiel, das die weitreichenden Konsequenzen aufzeigt und deren Effekt weit über Kryptowährungen hinausgeht.
Verschiebung von Krypto-Besteuerung in die Kapitalerträge
Eine alternative Möglichkeit zur Anpassung der gesetzlichen Rahmenbedingungen, die in der öffentlichen Debatte schon öfter fiel, ist die Verschiebung der Besteuerung von Kryptowährungen hin zur Betrachtung innerhalb der Kapitalerträge, wie dies beispielsweise auch bei Aktien der Fall ist und vor einigen Jahren bereits von Österreich umgesetzt wurde. Damit würde grundsätzlich jeder Gewinn mit Kryptowährungen pauschal steuerpflichtig sein, unabhängig von der Haltedauer. Anders als beim privaten Veräußerungsgeschäft würde dann allerdings nicht der persönliche Einkommensteuersatz, sondern die Kapitalertragsteuer von 25 Prozent zzgl. Solidaritätszuschlag (und Kirchensteuer) fällig werden.
Die Folgen einer solchen Anpassung wären auch hier nicht zu vernachlässigen. Das Thema Krypto(-Besteuerung) kann weit mehr sein, als der reine Kauf und Verkauf von Coins. Es gibt innerhalb der Krypto-Welt viele Spezialthemen mit besonderen Tücken oder Definitionen im Steuerrecht, die deutlich über die aktuell geführte Diskussion hinausgehen. Grundlage für etwaige Bewertungskriterien ist dabei stets das aktuelle BMF-Schreiben, das das Ergebnis langjähriger Iterationen ist und sich mit den verschiedensten Steuerfragen in der Krypto-Welt befasst.
Eine Verschiebung der Besteuerung würde bedeuten, dass sämtliche Themen neu diskutiert und definiert werden müssten. Vermutlich erneut ein jahrelanger Prozess, begleitet von einer Branche, die niemals stillsteht und dem Gesetzgeber schon jetzt viel abverlangt.
Darüber hinaus gilt im Steuerrecht übergreifend der Grundsatz des Vertrauensschutzes. Dieser geht davon aus, dass jede getroffene wirtschaftliche Entscheidung (jeder Person) auf der aktuellen Rechtslage beruht, daher Gesetzesänderungen nicht rückwirkend gelten dürfen und jede Änderung entsprechende Übergangsfristen bedarf. Somit müssten je nach genauer Umsetzung dieses neuen Gesetzes aktuelle Bestände von diesen Steueränderungen ausgenommen sein.
Die Verschiebung der Besteuerung ist realistischer als eine reine Abschaffung der Jahresfrist bei privaten Veräußerungsgeschäften. Damit diese aber tatsächlich auch in der Realität anwendbar wäre, würde uns bis dahin noch ein langer und komplizierter Weg bevorstehen.
Erschaffung eines eigenständigen Krypto-Steuergesetzes
Sowohl bei der Besteuerung von Kapitalerträgen, als auch bei der Besteuerung von privaten Veräußerungsgeschäften handelt es sich um Konzepte, die bereits lange vor der ersten Kryptowährung existierten. Eine Einordnung von Kryptowährungen in diese führt daher natürlicherweise zu Unklarheiten bzw. Ungenauigkeiten und schafft Interpretationsspielraum.
Aus dieser Betrachtung heraus scheint auch die Erschaffung eines völlig neuen, eigenständigen Krypto-Steuergesetzes nicht abwegig. Voraussetzung wären hier klare Definitionen und Abgrenzungen. Ebenfalls müssten bisherige Bewertungsgrundsätze infrage gestellt und überarbeitet werden.
Grundsätzlich kann in der Praxis schließlich alles tokenisiert werden. Sollte sich herausstellen, dass diese neuen Gesetze eine günstige Auslegung für etwas darstellen, könnte es gut sein, dass hier findige Steuerberater kommen und durch Tokenisierung auch andere Einkünfte in diesen Bereich verschieben. Daher ist die große Herausforderung für ein Krypto-Steuergesetz genaue Definitionen und Abgrenzungen zu haben.
Allerdings könnte ein eigenständiges Krypto-Steuergesetz auch unvoreingenommene und pragmatische Lösungen schaffen, die am Ende dem Praxistest standhalten und nicht in einem überblickbaren Chaos enden würden.
Fazit
Eine Veränderung der steuerlichen Gegebenheiten beim Handel mit Kryptowährungen hätte weitreichende Folgen: für den Krypto-Nutzer selbst, aber auch für den Gesetzgeber und die Behörden. Die Komplexität der Besteuerung sämtlicher Krypto-Themen steigt täglich mit zunehmenden Möglichkeiten auf den Blockchains. In der aktuellen Diskussion kommt der erforderliche Tiefgang und die Frage nach den Alternativen jedoch zu kurz.
Über den Autor
Werner Hoffmann ist Experte für das Thema Krypto-Steuern. Er beschäftigt sich seit Jahren mit diesem Thema und hat seine Expertise in dem Bereich Steuern aus erster Hand beim Aufbau der Steuer-IT als Beamter erlangt. Mit seiner 2018 gegründeten Firma Pekuna hat er dutzende Kunden bei der steuerlichen Aufbereitung ihrer Krypto-Transaktionen geholfen. Werner ist außerdem ein anerkannter Redner und Vortragender: durch seine Kurse wurden deutschlandweit weit mehr als 500 Steuerberater zum Thema Kryptowährungen und Steuern geschult. Seine Kenntnisse zu Krypto-Steuern sind fundiert durch seine Studienabschlüsse in Steuerrecht und Informatik. Seine praktischen und beruflichen Erfahrungen aus diesen Bereichen, sowie eigene Investments in Kryptowährungen runden den erlangten Expertenstaus ab. Als Berater von Behörden und Bundestagesabgeordneten gestaltet er das Thema der Krypto-Besteuerung in Deutschland aktiv mit.
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