Interview mit Mauro Casellini von Bitcoin Suisse: „Tether sehe ich als großes Risiko im Markt“

Bitcoin Suisse existiert bereits seit 2013 und ist fester Bestandteil des sogenannten Crypto Valleys. Das in Zug, Kopenhagen und Liechtenstein ansässige Unternehmen war maßgeblich beim Aufbau von Blockchain-Größen wie Ethereum Foundation oder Tezos beteiligt. Um von dieser Markterfahrung zu lernen, haben wir uns mit Mauro Casellini, CEO der Bitcoin Suisse (Liechtenstein AG), zum Interview getroffen. Dieses Interview erschien bereits in unserer September-Ausgabe des Kryptokompass.

Sven Wagenknecht
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Bitcoin Suisse

Beitragsbild: Mauro Castellini

BTC-ECHO: Ihr habt als eines der ersten Krypto-Unternehmen das Entstehen der Krypto-Ökonomie von Anfang an miterlebt und geprägt. Wie würdest du das Entwicklungsstadium beschreiben, indem wir uns aktuell befinden?

Mauro Casellini: Bei dieser Frage beziehe ich mich gerne auf den Gartner Hype Cycle, bei dem sich die Blockchain-Technologie gerade im Übergang vom „Gipfel der überzogenen Erwartungen“ zum „Tal der Enttäuschungen“ befindet. Ich sehe es persönlich aufgrund der Ereignisse der letzten Wochen und Monate ähnlich. Viele Unternehmen und Blockchain-Begeisterte stellen fest, dass Blockchain eben nicht das Mittel für jedes Problem ist und viele der ICO-Hype-Ideen nicht umsetzbar sind. Wiederum kristallisieren sich auf der anderen Seite andere Use Cases heraus, die erfolgreich umgesetzt werden und einen Mehrwert generieren. Hier kann man zum Beispiel TradeLens erwähnen. Eine Zusammenarbeit zwischen Maersk und IBM, die den Prozess des Containershipments auf der Blockchain abbilden und den Prozess dadurch stark optimieren konnten. Es ist aktuell eine sehr spannende Zeit, die in der nächsten Phase des Hype Cycles (Pfad der Erleuchtung) viele Projekte aufzeigen und die aktuell existierenden Finanzmarktstruktur stark verändern und vor allem optimieren wird.

BTC-ECHO: Euer Unternehmensname lautet Bitcoin Suisse. Wie relevant ist Bitcoin für euch und eure Kunden überhaupt noch?

Mauro Casellini: Die Entstehung des Namens ist darauf zurückzuführen, dass es 2013 neben Bitcoin nicht wirklich andere Kryptowährungen gab. Aber auch heute noch ist Bitcoin nach wie vor die größte Kryptowährung und für uns sehr wichtig, da wir unter anderem als Broker unser Geld verdienen. Wenn man aktuell den Krypto-Markt anschaut, sieht man eine Dominanz von über 70 Prozent gemäß CoinMarketCap (20.08.2019), was seit März 2017 nicht mehr der Fall war. Dies zeigt sehr klar auf, wie wichtig BTC und wie groß seine Rolle nach wie vor im Markt ist.

BTC-ECHO: Was sind konkrete Bitcoin-Projekte?

Mauro Casellini: Ein sehr spannendes Bitcoin-Projekt ist aus meiner Sicht das Lightning-Netzwerk, das als Second-Layer-Zahlungssystem aktuell einen Gegenwert von rund 8,5 Millionen US-Dollar beinhaltet (gem. Defipulse.com). Hierbei kommen wir auch gleich zu einem anderen spannenden Projekt in der Blockchain-Welt: Decentralized Finance oder kurz #DeFi. Wobei aktuell vor allem Ethereum mit MakerDAO, Ox und Uniswap sehr bekannt dafür sind.

Bei Bitcoin tut sich hier aber auch einiges. Als weiteres Projekt ist sicherlich Rootstock zu nennen, das das Ziel verfolgt, Smart Contracts für das Bitcoin-Netzwerk nutzbar zu machen und gleichzeitig eine volle Kompatibilität zu Ethereum zu ermöglichen. Somit verfolgt Rootstock das Ziel, das von vielen Bitcoin-Maximalisten als finale Lösung angesehen wird. Es versucht, erfolgreiche Use Cases von anderen Projekten auf der Bitcoin Blockchain abzubilden.

BTC-ECHO: Siehst du Bitcoin als Wertspeicher im Sinne eines digitalen Goldes oder doch eher als Währung?

Mauro Casellini: Die Definition eines Wertspeichers ist schon sehr speziell. Etwas weist dann die Funktion eines Wertspeichers aus, wenn viele daran glauben, dass es noch lange Zeit wertvoll sein wird. Gold wird zweifelsfrei als Store of Value betrachtet, auf einer einsamen Insel ohne Essen ist Gold jedoch nicht viel Wert. Es hängt also von einigen Faktoren ab, ob etwas nun tatsächlich ein nachhaltiger Wertspeicher ist oder nicht.

Ich persönlich sehe Bitcoin als „Store of Value“, also als Wertspeicher. Die Parallelen zu Gold als bekanntesten Wertspeicher sind dabei sehr klar vorhanden. Dabei ist es unter anderem die beschränkte Menge, das aufwändige Mining und das Vertrauen in das System, das von der Technologie hinter Bitcoin sichergestellt wird.

Oft wird die aktuell vorliegende Volatilität von Bitcoin als negativer Aspekt aufgezeigt, die für einen Wertspeicher sehr unpassend sei. Diese ist aus meiner Sicht aber vor allem deswegen vorhanden, da die kritische Masse der Nutzer noch nicht erreicht worden ist und nur ein kurz- bis mittelfristiges Problem darstellt.

Wiederum sind im Vergleich zu Gold einige Vorteile für den Wertspeicher vorhanden. So kann Bitcoin einfacher transportiert, unabhängig von Grenzen und Richtlinien verschoben und zudem nicht konfisziert werden. Gold kann beschlagnahmt werden, andere Vermögenswerte noch viel einfacher. Mit Bitcoin sind wir hier aber von diesem Risiko grundsätzlich ausgeschlossen, was dazu führen kann, dass Bitcoin der größte Wertspeicher in der Geschichte der Menschheit werden könnte.

BTC-ECHO: Glaubst du, dass die Bitcoin-Dominanz weiter zunehmen wird?

Mauro Casellini: Kurzfristig denke ich, dass die Dominanz weiter zunehmen wird. Viele der gelisteten Projekte auf CoinMarketCap liefern nach wie vor nicht, was seit Langem versprochen wurde. Zudem ist zu erwähnen, dass zwischen Token Value und Token Economics oft kein direkter Zusammenhang besteht und daher auch „erfolgreiche“ Projekte einen wertlosen Token aufweisen können.

Weiter ist das näherrückende Halving im Mai 2020 ein weiterer Faktor, der dafür sorgt, dass BTC noch spannender wird. Mittel- bis langfristig hoffe ich aber auch auf andere Projekte, die an Marktanteilen gewinnen. Spätestens mit dem Use Case der Tokenisierung werden andere digitale Assets entstehen, die Marktanteile zugunsten von BTC übernehmen können.

BTC-ECHO: Wie viele der Utility-Token-Projekte der aktuellen Top 100 wird es in drei Jahren noch geben?

Mauro Casellini: Die Grundfrage ist, ob Utility Token den Wert des Projektes wirklich repräsentieren bzw. repräsentieren können. Dabei ist zu beachten, dass der Token Value leider oft nicht im direkten Zusammenhang mit dem Projekt selbst steht. Ich bin zudem gegenüber einem Großteil der Projekte in den Top 100 sehr kritisch gestimmt und erwarte, dass hier oft kein Mehrwert entstehen und daher in den nächsten Jahren die Daseinsberechtigung einiger Token verschwinden wird.

BTC-ECHO: Was sind die drei größten Risiken, die du aktuell für den Krypto-Markt ausmachst?

Mauro Casellini: Tether (USDT), regulatorische Einschränkungen, kritische Masse. Tether sehe ich als großes Risiko im Markt. Es ist möglich, dass USDT blockiert (lock up function) oder anderweitig unbrauchbar wird. Es würde wahrscheinlich eine Kaskade von Aktivitäten folgen. Dies könnte zu massiven, ökosystemweiten Schäden am gesamten Krypto-Markt führen. Weiter stellt sich bei Tether auch die Frage, wie längerfristig damit umgegangen wird, dass USDT aktuell nur zu 74 Prozent effektiv mit USD hinterlegt ist.

Regulatorische Einschränkungen könnten dazu führen, dass der Handel mit Kryptowährungen und digitalen Assets eingeschränkt bzw. regulatorisch nicht erlaubt wird. Davon wird aber nicht ausgegangen, da sich Regulatoren mehrheitlich dafür aussprechen, das Ganze zu regulieren und nicht zu blockieren.

Ein weiteres, oft vernachlässigtes Risiko sehe ich in der kritischen Masse. Solange keine kritische Masse an Teilnehmer im System ist, und auch aktiv Services über die Blockchain anbietet bzw. bezieht, wird sich die Technologie nicht durchsetzen. Ich bin aber davon überzeugt, dass mit den richtigen Services und einer erhöhten Benutzerfreundlichkeit auch die Teilnehmer im System zunehmen werden und so die kritische Masse zügig erreicht werden kann.

BTC-ECHO: Ihr habt auch einen Stable Coin mit Schweizer-Franken-Deckung herausgebracht. Wie ist der sogenannte CryptoFranc ausgestaltet und wie gewährleistet ihr die Deckung?

Mauro Casellini: Der CryptoFranc (XCHF) ist ein klassischer Stable Coin, direkt verbunden mit dem darunterliegenden Asset. In unserem Fall von XCHF ist die Deckung 1:1 mit dem Schweizer Franken gewährleistet. Die Token werden nur dann herausgegeben, wenn der äquivalente Wert in CHF eingegangen ist. Auf monatlicher Basis wird von der externen Audit-Firma Grant Thornton ein Report erstellt, der die 100-prozentige Deckung der XCHF Token mit dem darunterliegenden Schweizer Franken bestätigt. Dieser Report ist jederzeit öffentlich zugänglich. So haben die Besitzer von XCHF jederzeit die Transparenz, dass ihre XCHF Token auch den ausgewiesenen Wert haben.

BTC-ECHO: Facebook hat sich die Schweiz als Jurisdiktion für ihr Kryptowährungs-Projekt Libra ausgesucht. Was waren deiner Meinung nach die ausschlaggebenden Gründe?

Mauro Casellini: Die Libra Association ist eine unabhängige, gemeinnützige Organisation mit Hauptsitz in Genf. Für NGOs sind Offenheit der Politik, politische Stabilität und Neutralität sehr wichtige Faktoren, die in der Schweiz für alle gelten. Speziell im Bereich der Blockchain-Technologie ist die Schweiz sehr positiv eingestellt und unterstützt auch vonseiten des Bundesrates diese technologische Entwicklung aktiv. Zudem ist mit Genf aus meiner Sicht der ideale Standort gewählt worden. Denn die UN als auch die Forschungseinrichtung CERN befinden sich ebenfalls in Genf.

BTC-ECHO: Was ist deine persönliche Meinung zu dem Projekt? Wird es einen positiven Effekt auf Bitcoin & Co. haben?

Mauro Casellini: Für mich ist Libra ein spannender Use Case, der noch sehr viele technische, regulatorische und operative Fragen aufwirft. Gehen wir aber davon aus, dass Libra tatsächlich umgesetzt wird und somit eine Art „Corporate Currency“ geschaffen wird, dann sehe ich für Bitcoin & Co. einen sehr positiven Effekt. Erstens sensibilisiert das Thema Libra die Menschen für das Thema Blockchain und vereinfacht somit den Zugang zu neuen potentiellen Kunden. Zweitens erfüllt Bitcoin viele Aspekte, die bei Libra durch das gewählte Setup nicht erfüllen werden können, wie zum Beispiel Dezentralität und komplett von staatlichen Währungen losgelöste Wertentwicklung. Bitcoin und Libra erfüllen stark unterschiedliche Aufgaben und werden aus meiner Sicht keine direkten Kontrahenten sein, sondern sich gegenseitig ergänzen. Während im klassischen Fiat-System viele Anleger in Gold als Wertaufbewahrungssystem investieren, kann mit dem digitalen Cash „Libra“, Bitcoin die gleiche Aufgabe des „Store of Value“ übernehmen.

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