"Nur vorübergehend" Inflation auf dem Vormarsch: Wirklich ein Thema für Bitcoin?

Immer wieder hört oder liest man, dass Bitcoin von einer anziehenden Inflation profitieren soll, doch ist das wirklich so oder handelt es sich lediglich um eine haltlose Behauptung?

Sven Wagenknecht
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100 Euro Geldschein wird verbrannt als Symbol der Inflation

Beitragsbild: Shutterstock

Mit zuletzt über 5,4 Prozent in den USA und 3,8 Prozent in Deutschland haben wir die höchste Verbraucherpreisinflation seit über zehn Jahren. Unter den G20 Nationen gibt es aber Kandidaten, die noch deutlich darüber liegen. Die Türkei kommt letzten Meldungen zufolge auf knapp 20 Prozent Inflation, Brasilien auf rund 9 Prozent und Russland auf rund 6,5 Prozent.

Gerne wird in diesem Kontext auf Bitcoin verwiesen, der als deflationär angelegte Kryptowährung einen Gegenentwurf zu Fiatwährungen bieten soll. In inflationsgeplagten Ländern wie der Türkei konnte so bereits eine besonders starke Nachfrage nach Bitcoin festgestellt werden.

Höhere Inflation gar schädlich für Bitcoin?

Manch einer muss sich sehr zusammenreißen, wenn er die These hört, dass Inflation entgegen dieser weitverbreiteten Meinung sogar schädlich für den Bitcoin-Kurs sein könnte. Nun ist es allerdings so, dass Wachstumsaktien und Risikowerte relativ gesehen zu sogenannten Value-Aktien in Bredouille geraten, wenn die Inflation stark ansteigt. Höhere Finanzierungskosten durch steigende Leitzinsen als Reaktion auf die Inflation senken den Ausblick. Die Aufnahme von Fremdkapital wird teurer und risikoreicher als bei einem Zins von nahezu Null Prozent.

Zwar ist Bitcoin kein Tech-Unternehmen, sehr wohl aber ein Risikoinvestment. Salopp formuliert: Die Nullzinsen sind Bitcoins bester Freund, nicht per se die Inflation. Werden sie abgeschafft, indem der Leitzins angehoben wird, dann wird auch Bitcoin dadurch geschwächt. Für Gold, wenn auch weniger Risiko-Asset als Bitcoin, gilt das Gleiche. Steigen beispielsweise die US-Renditen, dann drückt das in der Regel auf den Goldpreis.

Das nährt die These, dass das Niveau der Leitzinsen und deren Ausblick wichtiger ist, als eine aktuelle Inflation. Demnach wäre eine deflationäre Erwartung für den Bitcoin-Kurs besser als eine Inflation. Schließlich ist es die Erwartungshaltung vieler Anleger, dass sich eine Inflation an eine Deflation als logische Konsequenz der Notenbankmaßnahmen anschließt. Wenn die Inflation bereits da ist, wäre es demnach schon zu spät für einen günstigen Einstiegszeitpunkt in Bitcoin.

Das Inflationsjahr 2021

Während die größte Krypto-Rallye in diesem Jahr im deflationären Frühjahr stattgefunden hat, kam mit ansteigender Inflation die Kurskorrektur bei Risikowerten und Krypto-Assets. Die anziehende Inflation hat vielen Markteilnehmern Angst vor höheren Leitzinsen gemacht. Losgelöst von den fundamental negativen News, wie etwa den Bitcoin-Mining-Bann in China oder eine harsche Regulierungswelle, kann dies als negativer Einflussfaktor gewertet werden.

Dass mit einer strengen Reaktion der Notenbanken nicht zu rechnen ist, haben die letzten Tage gezeigt. Insbesondere das Fed-Treffen in Jackson Hole konnte den Markt eher beruhigen – mit vorschnellen Aktionen der Fed (also das Federal Reserve System, die US-Notenbank) ist nicht zu rechnen. Die Gretchenfrage, die sich Anleger und Notenbanker zugleich stellen, ist, ob die Inflation nur vorübergehend ist – oder eben nicht. Ein Thema, das bekanntlich die Gemüter erhitzt.

Auf den Zeithorizont kommt es an

Ebenso wenig wie BTC keinen kurzfristigen Inflationsschutz bietet, kann man auch annehmen, dass Bitcoin das Gegenteil eines kurzfristigen Safe Havens darstellt. Die Betonung liegt auf kurzfristig, da die langfristigen Effekte ganz andere sein können. Während des Corona-Crashs im März 2020 ist Bitcoin stärker als die meisten anderen Anlageklassen in den Keller gerauscht. Verständlich, schließlich werden in Phasen einer Marktpanik zuerst die Assets verkauft, die besonders liquide und risikoreich sind. Wenn es an der Börse knallt, wird verkauft und in Euro, US-Dollar, Schweizer Franken und weitere Fiat-Währungen umgeschichtet. Das gilt für alle Sachwerte wie Bitcoin, Gold oder Aktien.

Viel interessanter ist daher die mittelfristige (Gegen-)Reaktion. So konnte Bitcoin besser als jedes andere Asset, inklusive Gold, im Anschluss an den Corona-Crash eine beeindruckende Rallye hinlegen. Die Klarheit über eine maximal lockere Geldpolitik – so kann zumindest angenommen werden – hat das knappe, digitale Gold noch attraktiver werden lassen und eine neue Spekulation auch außerhalb des Krypto-Marktes entfacht.

Es gibt keine Monokausalität

So bestechend der Zusammenhang zwischen steigenden Kursen und der Notenbankpolitik sein mag, fehlt es bei Bitcoin an weiterführenden Beweisen. Schließlich ist der Track Record bei BTC erst wenige Jahre alt. Zumal sich das Thema Krypto-Ökonomie in einer Adoptionsphase befindet, indem immer mehr Menschen mit Kryptowährungen in Kontakt kommen. Gleichzeitig bilden sich Narrative wie des “digitalen Goldes” heraus oder bekannte Personen wie Elon Musk oder Michael Saylor promoten Bitcoin als die Zukunft des Geldes.

Folglich muss man die Frage stellen, wie viel auf die Geldmengenausweitung und/oder die niedrigen Leitzinsen zurückzuführen ist oder eben einer diversen Mainstream-Adoption. Für viele Investoren mag der Inflationsschutz ein Argument für den Bitcoin-Kauf sein, doch darf man nicht die anderen Faktoren vergessen, die zu einer steigenden Nachfrage führen und den Kurs ansteigen lassen.

Je mehr sich der kollektive Glaube gegenüber Bitcoin als Inflationsschutz festigt, desto eher wird dies auch langfristig die entscheidende Eigenschaft von Bitcoin sein. Während Gold genau diese Eigenschaft über Jahrhunderte aufbauen und “verinnerlichen” konnte, befindet sich Bitcoin noch inmitten dieses Anerkennungsprozesses. Bei dieser Wachstums- und Aufbauphase kommt es im Gegensatz zum tendenziell gesättigten Goldmarkt zu zusätzlichen Auftriebsfaktoren, die die vermeintliche “Inflationsrendite” von Bitcoin überkompensieren können.

Wie viel Inflation braucht die Bitcoin-Erfolgsgeschichte wirklich?

So wichtig das Argument der mathematisch festgelegten Knappheit bei Bitcoin auch ist, muss man dennoch fragen, wie unmittelbar relevant der Faktor Geldentwertung wirklich für Bitcoin ist. Würde man rein theoretisch annehmen, dass die Inflation der Fiatwährungen genauso hoch oder niedrig ist wie die von Bitcoin, wäre dann Bitcoin deswegen wertlos oder uninteressant? Die Antwort wäre “nein”. Zwar wäre er dadurch weniger interessant, da die Notwendigkeit eines alternativen knappen Assets geringer wäre, aber der Fakt, dass Bitcoin staatenlos ist, ergo eine Weltwährung ohne politische Institutionen mit egalitären Zugangsvoraussetzungen für jeden Menschen auf der Welt, würde Bitcoin nach wie vor zu einem wichtigen apolitischen Wertspeicher machen. Der Wert des Dezentralen und Staatenlosen ist ein Wert an sich. Es gibt kein dezentraleres Transaktionssystem als Bitcoin. Dieses globale Transaktionssystem ist wie ein Auffangnetz oder zweiter Boden für die Weltwirtschaft – auch vollkommen losgelöst von dem Faktor Inflation.

Die Gelddruckorgien stimulieren die Flucht in limitierte Werte, doch auch diese Werte brauchen einen Use Case. Knappheit allein reicht nicht, um langfristig seine Werthaltigkeit zu festigen. Bitcoin hat seinen Use Case als Gold der Digital-Ökonomie gefunden, trotz aller Unterschiede zum physischen Edelmetall. Bitcoin ist zum Fluchtpunkt für alle Menschen geworden, die nicht das aktuelle Geld- respektive Notenbanksystem für nachhaltig halten. Losgelöst von der Frage, ob diese Ansicht richtig oder falsch ist, schafft sie aber letztlich eine Nachfrage, die wiederum den Kurs stützt.

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