Wiener Börsenchef Boschan “In dem Moment, wo Bitcoin als Währung identifiziert wird, verschwindet er legal”

Aus Christoph Boschan wird so schnell wohl kein überzeugter Bitcoin-Investor. Zuletzt verglich der Chef der Wiener Börse den Bitcoin Hype mit der Tulpenmanie und attestierte einen Crash, sobald BTC als Währung oder Finanzinstrument reguliert würde. Im Gespräch mit BTC-ECHO will Boschan die Frage klären: Droht ein Kurskollaps?

Moritz Draht
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Der Chef der Wiener Börse Christoph Boschan

Beitragsbild: Wiener Börse

In einem Interview mit Die Presse holte Christoph Boschan vor einigen Tagen zum Tiefschlag aus: Bitcoin sei “jeder Handlungsalternative haushoch unterlegen” und zeige Ähnlichkeiten mit “der Tulpenmanie”. Die Kritik rundete er mit der ironischen Formulierung ab, dass Bitcoin immerhin “extrem wichtig für den kriminellen Zahlungsverkehr” sei. Die Äußerungen schlugen erneut hohe Wellen im Krypto-Space. Rückt man die Aussagen jedoch etwas gerade, zeigt sich ein bestehendes Bitcoin-Grundsatzproblem.

Bitcoin: Eine Frage der Regulierung

An Bitcoin scheiden sich die Geister, nicht nur unter Anlegern, sondern auch unter Regulatoren. Nach wie vor fehlt es an einer gemeinsamen, europäischen Gesetzgebung, die einen verbindlichen Rahmen für Krypto-Werte schafft. Krypto-Regulierung ist Ländersache. Die EU-Verordnung über Markets in Crypto Assets (MiCA) befindet sich nach wie vor im Entwurfsstatus.

Deutschland hingegen nimmt im europäischen Vergleich eine Sonderrolle ein. Seit 2020 sind Krypto-Werte, darunter Bitcoin, als Finanzinstrumente im deutschen Kreditwesengesetz aufgenommen. Im Gegensatz zum MiCA-Entwurf, der eine gesonderte Aufteilung von Token, E-Geld-Token, Utility-Token und sonstigen Krypto-Werten vorsieht, versucht die deutsche Gesetzgebung, einen einheitlichen Rahmen zu schaffen.

In Österreich ist Bitcoin hingegen weder als Währung noch als Finanzinstrument, sondern als Eigentumsrecht klassifiziert. Dies sei “der große Glücksfall für den Bitcoin” und “letztlich Ausdruck unserer liberalen Wirtschaftsordnung”, wie Christoph Boschan gegenüber BTC-ECHO erklärt.

Bitcoin ist derzeit als Eigentumsrecht und nicht als Währung oder Finanzinstrument klassifiziert. Das kann auch nicht anders sein, denn klassifizierte man ihn als Währung, wäre seine Existenz schlicht nicht gestattet, seine Ausgabe und Benutzung vielfach strafrechtlich untersagt und verfolgt – Art. 16 und 128 unseres EU-Vertrages geben nur der EZB das Recht eine Währung herauszugeben.

Christoph Boschan

Dem CEO der Wiener Börse nach könne man den regulatorischen Status folglich auf die knappe Formel bringen: “In dem Moment, wo der BTC als Währung identifiziert wird, verschwindet er legal”. Eine vermeintlich reißerische These, die zwar Krypto-Enthusiasten aus der Reserve locken mag, aber Boschan zufolge nur die “geltende Rechtslage” wiedergibt. Bitcoin könne schließlich nicht als Währung eingestuft werden, da das “Hausrecht” für die Ausgabe von Währungen bei der EU liegt.

Präzedenzfall Ripple

Gleiches gelte laut Boschan “für die Regulierung als Finanzinstrument”. Am Beispiel Ripple ließe sich schließlich ablesen, “was es bedeutet, als Finanzinstrument betrachtet zu werden”. Im Dezember vergangenen Jahres erklärte die US-Börsenaufsicht SEC die Ripple-Währung XRP zum Security Token, also zum Wertpapier, und zettelte daraufhin einen Rechtsstreit mit dem kalifornischen FinTech an.

Doch gerade an diesem Beispiel zeigt sich, dass die Rechtslage für die Token-Ökonomie alles andere als eindeutig ist. Entgegen der Haltung der SEC ist XRP in anderen Jurisdiktionen nicht als Wertpapier, sondern als Utility Token eingestuft. Zudem ist unklar, ob die SEC mit ihrem Vorstoß Recht behält. Letztlich werden die zuständigen Gerichte über den regulatorischen Status entscheiden. Der Präzedenzfall Ripple zeigt: Krypto-Assets und Regulierung befinden sich noch immer in der Findungsphase.

Bitcoin-Regulierung zeigt Lücken

Die Pauschalkritik, die sich am Wiener Börsenchef repräsentativ für vermeintlich Bitcoin-skeptische Börsenvertreter entlädt, mag aus Krypto-Anlegersicht nachvollziehbar, aber dadurch nicht richtiger sein. Aussagen wie: “Regulieren Sie den Bitcoin wie eine Währung oder ein Finanzinstrument, dann ist er nichts mehr wert”, sollten weniger als Absage an oder Angriff auf Bitcoin und die dahinterstehende Finanz-Infrastruktur verstanden und vielmehr als Fingerzeig in Richtung mangelnder Regularien gelesen werden.

Als Manager darf ich aber mit der Verwunderung darüber schließen, dass die BTC-Branche derart die Nähe zu „Währungen“ oder “Finanzinstrumenten” sucht und dass das geradezu die Basis für den Vertrieb ist. Strategisch schlau ist das nicht, sondern vielmehr toxisch, denn umgekehrt wird ein Schuh draus, beides  – sowohl die Identifizierung als Währung wie als Finanzinstrument – sind die größten Achillesfersen des Werts des Bitcoin.

Christoph Boschan

Dabei kommt es jedoch letztlich auf die Ausgestaltung des Rechtsrahmens an. In Deutschland ist Bitcoin schließlich als Finanzinstrument klassifiziert, seinen Wert hat er dennoch nicht verloren.

Ein weit verbreiteter Irrglaube?

Wenige Freunde aus dem Krypto-Umfeld dürfte sich Boschan zudem mit der Äußerung gemacht haben, dass Bitcoin ein Vehikel für illegale Zwecke sei. Diese Ansicht leite sich Boschan zufolge aus der “ganz schlichten Beobachtung aus der Lebensrealität” ab. Wann immer die Wiener Börse erpresserischen Cyberattacken ausgesetzt sei, kommen “die Zahlungsaufforderungen ausschließlich in BTC, […] nicht in Euro, nicht in Dollar, nicht in Yen, nicht in Gold, nicht in Aktien, Anleihen oder sonstigen Derivaten, die ja alle digital noch leichtgängiger wären”.

Offensichtlich nutzen die Kriminellen das für sie naheliegendste Instrument.

Christoph Boschan

Wie so häufig, steckt auch hier der Teufel im Detail. Bitcoin und Co. in die Ecke einer Schattenwährung drängen zu wollen, derer sich vornehmlich Kriminelle bedienen, gehört ins Reich der Fabeln. Wie das Blockchain-Analyseunternehmen Chainalysis im aktuellen 2021 Crime Report skizziert, entfiel in 2020 nur ein geringer Bruchteil von 0,34 Prozent aller Krypto-Transaktionen auf illegale Zwecke. Im Vergleich zum Vorjahr sind die kriminellen Krypto-Geldflüsse um fast 2 Prozent gesunken, “die Kriminalität im Zusammenhang mit Kryptowährungen ist im Jahr 2020 deutlich zurückgegangen”.

Was jedoch im Allgemeinen für illegale Krypto-Transaktionen gilt, trifft im Speziellen nicht für Ransomware-Attacken zu. Dem Bericht nach sei “der Gesamtbetrag, der von Ransomware-Opfern gezahlt wurde, in diesem Jahr um 311 Prozent gestiegen”. Demnach hatte “keine andere Kategorie von Kryptowährungs-basierten Verbrechen eine höhere Wachstumsrate”. Chainalysis zufolge sei 2020 nicht nur das Covid-Jahr, sondern auch “das Jahr, in dem Ransomware explodierte”.

Bitcoin-Ökonomie gewinnt durch Austausch

In diesem Licht scheinen die Äußerungen Boschans eine ganz nüchterne Bestätigung der von Chainalysis festgestellten Ransomware-Zunahme zu sein. So wehrt sich der Wiener Börsen-CEO schließlich gegen den Versuch, ihn “pauschal in die Anti-Krypto-Ecke” stellen zu wollen. Denn das Gegenteil sei letztlich der Fall:

Als Infrastrukturanbieter, dessen Fundament Datenbanken sind,  begleiten wir die Entwicklungen rund um die verteilten Datenbankinfrastrukturen äußerst aufmerksam und sehr aufgeschlossen. Wir haben da dutzende Initiativen hinter uns und teilen durchaus die Faszination, die das auslösen kann.

Christoph Boschan

Vor diesem Hintergrund verlieren die Bitcoin-kritischen Töne bereits an Sprengkraft. Boschans Äußerungen können durchaus als Handlungsaufforderung gelesen werden, den Krypto-Markt in eindeutige Regularien einzubetten. Dies schafft schließlich erst die Grundlage für ein nachhaltiges Wachstum der Branche, auf der verschiedenste Dienstleister aufsetzen. Von einem vorurteilsfreien Diskurs mit traditionellen Finanzmarktakteuren kann die Bitcoin-Ökonomie auf lange Sicht nur profitieren.

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