Während die Europäische Zentralbank (EZB) noch an einem digitalen Euro arbeitet, tokenisiert J.P. Morgan reales Giralgeld auf einer öffentlichen Blockchain. Das zeigt: Die geldpolitische Zukunft entsteht nicht in den Laboren der Zentralbanken, sondern sie wird von Banken und Tech-Infrastrukturen gestaltet. Die Durchhalte- und Anti-Krypto-Parolen, die EZB-Chefin Christine Lagarde diesen Montag im Europäischen Parlament von sich gegeben hat, stoßen auf Stirnrunzeln bei Experten. Noch nie war es offensichtlicher, wie stark abgeschlagen digitale Zentralbankwährungen (CBDC) gegenüber privatwirtschaftlichen Digitalgeld-Initiativen (tokenisiertes Giralgeld und Stablecoins) sind.
JPMD: Giralgeld live auf der Blockchain
Mit dem JPMD führt J.P. Morgan, die größte Bank der westlichen Welt, tokenisiertes Giralgeld ein. Es handelt sich dabei nicht um einen Stablecoin wie USDT oder USDC, sondern um Sichtguthaben in digitaler Form, das sich nativ auf der Base-Blockchain – einer Layer-2 auf Ethereum – bewegen lässt. Dieses Instrument ist vollständig reguliert und vorerst nur für institutionelle Zahlungen vorgesehen.
Es geht hier nicht um eine Zukunftsvision, sondern um eine produktive Infrastruktur für den konzerninternen Zahlungsverkehr von J.P. Morgan. Von Hongkong nach London und weiter nach New York lassen sich liquide Mittel in Sekundenschnelle mit finaler Abwicklung (T+0) und nahezu ohne Kosten transferieren.
10.000.000.000.000 US-Dollar: So setzt J.P. Morgan Standards
Das institutionelle Gewicht dieses Projekts ist enorm. J.P. Morgan verfügt über 3,9 Billionen US-Dollar an Bilanzsumme und bewegt monatlich über 10 Billionen US-Dollar im Zahlungsverkehr. Wenn ein solcher Player beginnt, digitales Geld auf Public-Blockchain-Infrastruktur wie Base zu routen, dann ist das mehr als nur ein technologisches Experiment.
Noch bemerkenswerter ist, dass J.P. Morgan auf eine öffentliche Blockchain setzt. Damit distanziert sich die Bank von der Idee geschlossener, permissioned Netzwerke. Quorum, Corda oder Hyperledger haben sich nicht durchgesetzt, auch wenn es manch Banker immer noch nicht wahrhaben möchte.
Zumal der einzige Existenzgrund dieser privaten Blockchain-Infrastrukturen immer nur die potenzielle regulatorische Konformität war, nie die technologische Überlegenheit. Das Beispiel J.P. Morgan zeigt, dass Offenheit und Interoperabilität zum globalen Infrastrukturstandard werden.
Stablecoins und Giralgeld-Token: Zwei Säulen des digitalen Geldsystems
Trotzdem sollte man daraus nicht ableiten, dass Stablecoins keine Rolle mehr spielen. Im Gegenteil: Stablecoins und tokenisiertes Giralgeld bilden gemeinsam die tragende Architektur des künftigen digitalen Geldsystems. Während tokenisiertes Giralgeld vorerst für den institutionellen Bereich relevant ist – eingebettet in die Bankbilanz, reguliert und auf spezifische Use Cases zugeschnitten –, haben sich Stablecoins in der breiteren Krypto-Ökonomie durchgesetzt.
Mit rund 250 Milliarden US-Dollar Marktkapitalisierung und rund einer Billion US-Dollar monatlichem Transaktionsvolumen sind Stablecoins längst kein Randphänomen mehr. Sie sind das digitale Geld der Plattformökonomie, weshalb Player wie PayPal, Meta, Amazon oder Uber schon längst ein Auge auf sie geworfen haben. Professionelle Nutzer wie Market Maker, Hedgefonds und Prop-Trading-Firmen verwenden sie bereits für Arbitrage, Liquiditätsbereitstellung und globales Rebalancing. Stablecoins sind universell, programmierbar, dezentral verwendbar und haben sich am Markt bewährt.
Der digitale Euro: ein politisches Projekt ohne Marktnähe
Der entscheidende Unterschied zum digitalen Euro der Europäischen Zentralbank liegt in der Natur dieser Entwicklungen. Stablecoins und tokenisiertes Giralgeld sind marktbasiert entstanden. Sie folgen ökonomischer Logik und technologischer Machbarkeit.
Der digitale Euro von der EZB hingegen ist ein politisches Projekt. Er soll finanzpolitische Souveränität sichern, Datenschutz garantieren und monetäre Kontrolle in der Hand der Zentralbank behalten. Das klingt auf dem Papier vernünftig, ist in der Praxis aber nicht durchsetzbar. Politische Projekte haben, wie die Geschichte immer wieder gezeigt hat, eine kurze Halbwertszeit, wenn sie gegen privatwirtschaftliche, marktorientierte Lösungen antreten müssen.
Der digitale Euro ist ein typisches Beispiel für technokratischen Overreach. Die EZB versucht, über ein eigenes Digitalgeld ihre institutionelle Legitimität zu sichern, anstatt die Spielregeln für eine prosperierende, vielfältige Geldlandschaft zu schaffen.
EZB im Elfenbeinturm
Anstatt Innovationskraft zu fördern, werden Regularien und Sicherheitsbedenken vorangestellt. Anstatt Banken zu ermutigen, Giralgeld zu tokenisieren, blockiert man den Fortschritt mit regulatorischer Unsicherheit. Anstatt Stablecoins als Teil der Lösung zu begreifen, werden sie oft als Risiko behandelt.
Zwar gibt es bereits Regulierungsrahmen für Stablecoins, etwa im Rahmen der MiCA, doch fehlt es an Attraktivität, wie in diesem Artikel ausführlich erläutert wurde. Die Rahmenbedingungen müssen so ausgestaltet sein, dass sie Banken nicht nur rechtlich ermöglichen, sondern faktisch auch dazu ermutigen oder sogar incentivieren, tokenisiertes Giralgeld oder auch Stablecoins herauszugeben.
Die EZB sollte nicht länger versuchen, die Geschichte aufzuhalten. Sie sollte lernen, sie mitzugestalten – gemeinsam mit den Banken, FinTechs und dezentralen Protokollen, die bereits heute zeigen, wie digitales Geld funktioniert.