Vorsicht Ramschanleihe? El Salvador: Lohnt sich ein Investment in die Bitcoin-Staatsanleihe?

Am Samstag, dem 20. November, hat der Präsident El Salvadors, Nayib Bukele, den sogenannten Bitcoin Bond vorgestellt. Dabei handelt es sich um eine Staatsanleihe mit einem Emissionsvolumen von einer Milliarde US-Dollar, dessen Gelder in Bitcoin und Infrastrukturprojekte, genauer gesagt den Bau einer Stadt, investiert werden sollen. Was von der Staatsanleihe zu halten ist und was Anleger bei einem Investment beachten sollten.

Sven Wagenknecht
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Bitcoin City

Beitragsbild: Eigene Bilder

Als Nayib Bukele die Bitcoin-Staatsanleihe vorgestellt hat, war die Stimmung wie auf einem Popkonzert. Wir waren vor Ort und haben darüber berichtet. Im Rahmen einer Bühnenshow hat der Präsident El Salvadors das Projekt Bitcoin City vorgestellt. Eine Wirtschaftssonderzone beziehungsweise Krypto-Steueroase im eigenen Land. Finanziert werden soll die neue Stadt mithilfe mehrerer Staatsanleihen. Die erste Anleihe ist wie folgt strukturiert:

Der Bitcoin Bond im Überblick – Die wichtigsten Zahlen

  • Umfang: 1 Milliarde US-Dollar
  • Coupon: 6,5 Prozent
  • Verwendung: 500 Millionen USD in Bitcoin und 500 Millionen USD in Infrastruktur (Bau von Bitcoin City)
  • Laufzeit: 10 Jahre (Ende 2032); Zinsausschüttung jährlich im Januar
  • Dienstleister: Blockstream (Strukturierung), Bitfinex Securities (Handelsplatz und Emission) und Liquid Network (Protokoll)
  • Zahlmöglichkeiten: US-Dollar, USDT und Bitcoin
  • Mindestanlagebetrag: 100 US-Dollar

Auch sollen Bitcoin-Gewinne in Teilen an die Investoren – nach einer fünfjährigen Haltefrist – zurückgezahlt werden. Diese könnten ab dem 6. Jahr wie eine Art Dividende aus Bitcoin-Kursgewinnen die Rendite der Anleihe erhöhen.

Das große Ablenkungsmanöver von Nayib Bukele

Mit der “Bitcoinisierung” der gesamten Ökonomie von El Salvador wagt Präsident Bukele ein riskantes Ablenkungsmanöver. Das wirtschaftlich angeschlagene Land, dessen bestehende Anleihen auf Ramschniveau notieren und Zinsen jenseits der 10 Prozent zahlen müssen, sollen nun durch Bitcoin-Staatsanleihen ersetzt werden. Das Schicksal von El Salvador hängt damit weniger vom politischen Geschick als von der zukünftigen Bitcoin-Kursabwicklung ab.

Sollte das volle Anleihevolumen platziert werden, dann würde man – im übertragenen Sinn – sagen können, dass Bitcoin eine viel höhere Bonität besitzt als El Salvador. Schließlich liegt der Zinssatz der Bitcoin-Staatsanleihen bei rund der Hälfte der bisherigen Staatsanleihen. Die Botschaft von Bukele: Vergesst die eigentliche Bonität von El Salvador. Mit dieser Ablenkung gelingt es dem Präsidenten, die Fremdkapitalkosten mal eben um rund die Hälfte zu drücken – andere Staatschefs dürften neidisch werden.

Zocken wie Michael Saylor

El Salvador kopiert mit seiner Bitcoin-Staatsanleihe eine Form der Währungswette, wie sie vor allem Microstrategy CEO Michael Saylor bekannt gemacht hat. Auch er hat Anleihen in US-Dollar herausgegeben, ergo US-Dollar-Schulden aufgebaut, um das Kapital anschließend in Bitcoin zu investieren. Bukele und Saylor setzen gleichermaßen darauf, dass der US-Dollar gegenüber dem Bitcoin weiter an Wert verliert und die Schulden damit dahinschmelzen respektive Währungsgewinne entstehen.

Es ist an dieser Stelle also sehr wichtig, den Bitcoin Bond nicht mit Staatsanleihen zu vergleichen, die ausschließlich in ihrer eigenen Landeswährung notieren und ihre Rückzahlung nicht von Währungsspekulation abhängig machen. Streng genommen könnte El Salvador das Geld – zumindest die eine Hälfte der 500 Millionen US-Dollar – auch in einen Aktienfonds investieren. Die Absicht wäre identisch. Auch ist die Bezeichnung Bitcoin-Anleihe nur bedingt korrekt, da es sich strenggenommen um eine US-Dollar-Anleihe handelt.

Bald neuer Trend unter Schwellenländern?

Auf den Gesamtmarkt bezogen spielt das Emissions-Volumen von einer Milliarde US-Dollar keine Rolle. Dennoch ist dies für das wirtschaftlich winzige Land kein Pappenstiel. Das BIP beträgt gerade einmal 24 Milliarden US-Dollar. Würde man die Höhe der Anleihe in Relation zum BIP von Deutschland setzen (3,8 Billionen US-Dollar), dann würde dies einer Anleihe von über 150 Milliarden US-Dollar entsprechen. Positive Effekte auf das BIP sind in dieser Größenordnung also durchaus für El Salvador vorstellbar.

So undenkbar derartige Anleiheemissionen für wirtschaftlich starke Nationen wären – ihre Fremdkapitalkosten sind sowieso verschwindend gering – könnte dieser Zock bei anderen Schwellenländern Gefallen finden. Die Verlockung, durch einen Bitcoin Bond Zinsen zu sparen und mit Kursgewinnen Schulden zu begleichen sowie Investitionen zu tätigen, könnte auf andere Schwellenländer mit schwacher Bonität und Währung um sich greifen. So vielversprechend die Zukunft von Bitcoin auch sein mag, am Ende ist es eine Wette auf ein einzelnes Asset. Mit einem maximal diversifizierten norwegischen Staatsfonds hat das nur wenig zu tun.

El Salvador: Die lateinamerikanische Antwort auf die Schweiz und Singapur?

Neben der Währungsspekulation geht es bei der Bitcoin-Staatsanleihe aber vor allem um Standortmarketing und das Ansiedeln neuer Industrien. Mithilfe günstigen Stroms, einer maximal aufgeschlossen Krypto-Regulierung und Steuersätzen wie auf den Karibikinseln, bietet El Salvador gute Voraussetzungen, um zu einem Wirtschaftswunderland zu werden.

Kontroverse Unternehmen wie Bitfinex, das auch hinter der Stablecoin-Firma Tether steckt, erhalten durch den Bitcoin Bond eine Spielwiese, um alles Krypto-mögliche auszuprobieren. Libertäre Krypto-Phantasien vermischen sich mit autokratischen Staatsstrukturen. Risiken und Chancen sind gleichermaßen hoch, für Unternehmen, Bürger und Staat.

USA sind wenig begeistert

Die Bitcoin-Staatsanleihe ist ein Affront gegen den US-Dollar. Bukele gibt sich in Saylor-Manier siegessicher, gemäß dem Motto: Am Ende gewinnt Bitcoin sowieso gegenüber jeder Fiatwährung.

Die Reaktion auf diese Haltung folgte bereits im Frühling dieses Jahres, als El Salvador die Bitcoin-Einführung bekannt gab. IWF und Weltbank hoben den Zeigefinger und die Ratingagenturen taten ihr übriges, und stuften die Bonität des kleinen Landes herab. Wie viel davon rein politisch motiviert ist und wie viel aus ökonomischer Überzeugung, darüber lässt sich leidenschaftlich streiten. Die Kurse der bestehenden Staatsanleihen befinden sich jedenfalls im Sinkflug gen Süden und haben seit Jahresanfang über 30 Prozent an Wert verloren.

Fazit zur Bitcoin-Staatsanleihe

Unter Voraussetzung eines gewissen Bitcoin-Positivismus ist Bukeles Strategie als genial zu bezeichnen. Wenn die Bitcoin-Wette aufgeht, dann kann El Salvador mehr als jedes andere Land Lateinamerikas seinen Wohlstand in den nächsten Jahren steigern. Anleger sollten sich jedoch gut überlegen, ob sie wirklich in die neue Anleihe investieren sollten. Scheitert El Salvador mit seinen Krypto-Plänen, dann ist die Ausfallwahrscheinlichkeit der Anleihen enorm hoch. Gelingt El Salvador das Wirtschaftswunder, indem korrespondierend dazu auch der Bitcoin-Kurs weiter steigt, dann wäre hingegen ein Direktinvestment in Bitcoin lukrativer als die Staatsanleihe. Für Anleihe-Fans mit Schwellenländerfokus und Krypto-Enthusiasmus mag der Bitcoin Bond einen Blick wert sein. Alle anderen kaufen einfach Bitcoin.

Wer wissen möchte, wie sich die Bitcoin-Etablierung vor Ort in El Salvador entwickelt, dem sei unsere Exklusiv-Reportage in der neuen Dezemberausgabe (ab 1.12 erhältlich) des Kryptokompass empfohlen.

Der Artikel spiegelt lediglich die persönliche Meinung des Autors wider. Es handelt sich dabei keinesfalls um Kauf- oder Verkaufsempfehlungen.

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