Web3 als Alternative CBDCs und Kreditgarantien: Comeback des Dirigismus?

Die Zunahme an staatlicher Wirtschaftslenkung gefährdet zunehmend die marktwirtschaftliche Effizienz. Welche Rolle dabei Kreditgarantien, digitales Zentralbankgeld (CBDC) und das Web3 spielen.

Sven Wagenknecht
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Beitragsbild: Shutterstock

| Wird der Staat immer mehr zum Dirigenten der Wirtschaft?

Seit Anfang der 80er Jahre haben wir einen Ausbau des sogenannten freien Marktes erlebt. Der Staat hat sich in seiner aktiven Wirtschaftslenkerfunktion zurückgezogen. Nun spricht einiges dafür, dass diese Phase endet und wir wieder einen staatlichen Dirigismus erleben, wie im letzten Jahrhundert bis zum Jahr 1979 in Europa üblich.

Warum Zeitenwende?

Warum sich unser Wirtschaftssystem unmittelbar in eine neue Logik hineinbegibt, hat der Historiker und Investmentexperte Russell Napier bereits eingänglich vor einigen Wochen in einem Interview mit der NZZ erläutert. Dort erklärt er, dass es nun wieder vor allem am Staat liegen wird, Ressourcen zu allokieren, da öffentliche und private Schulden zu hoch sind, um ausreichend Wachstum zu generieren. Dieses, durch den Staat angeschobene nominelle Wachstum, bildet gemeinsam mit der Inflation die einzige Chance, um sich von der Schuldenlast zu befreien – genau wir auch nach dem Zweiten Weltkrieg bereits geschehen.

Hi Kreditgarantien, bye Zentralbanken

In dieser neuen Phase stutzt der Staat die Zentralbanken immer mehr zu Erfüllungsgehilfen herab. Wie sehr Zentralbanken politisch durch Regierungen unter Druck gesetzt wurden, haben bereits die letzten Jahre nach der Finanzkrise gezeigt. Wenn auch absolut nachvollziehbar, bedingt durch Corona, die Energiekrise und den Ukraine-Krieg, greifen Staaten immer stärker in die Geldpolitik der Zentralbank ein. Schließlich geben sie staatlich garantierte Kredite heraus, die sich der Marktlogik und dem Marktzins entziehen. Der Preis des Geldes (Zins) wird dadurch immer stärker verzehrt. Auch handeln sie mit Hilfspaketen wie den 200 Milliarden Energiehilfen in Deutschland konträr zur neuerdings restriktiven Geldpolitik der Notenbanken.

Laut Historiker Napier sind bereits 40 Prozent aller neu ausgegebenen Bankkredite an Unternehmen in Deutschland staatlich besichert. In Frankreich sollen es sogar 70 Prozent sein. Kreditgarantien an Bankinstitute werden damit zum mächtigsten Mittel des Staates, um die Wirtschaft zu lenken und zu stützen. Zumal sie leichter gesellschaftlich umsetzbar sind als direkte Staatsschulden zu begeben oder Steuern zu erhöhen. Diese Form der zentralen Steuerung scheint aus politischer Sicht, die einzig gangbare Art und Weise wie Klimawandel bzw. Energiewende oder andere Herausforderungen wie Überalterung der Gesellschaft angegangen werden können.

Die große Gefahr besteht dabei allerdings darin, dass die Bank keine Risikobewertung in dem Maße vornimmt, wie sie es machen würde, wenn sie selbst für Ausfälle haften müsste. Der Verwendungszweck eines Kredites wird damit in Teilen wichtiger als die Bonität seines Schuldners.

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4 anstatt 2 Prozent als neues Inflationsziel?

Die staatlichen Bemühungen, das nominelle BIP zu steigern, sprechen für eine strukturell höhere Inflation. Drei bis vier Prozent könnten damit zu einem neuen, inoffiziellen Kompromiss werden, um auf der einen Seite Wirtschaftsdynamik nicht abzubremsen und dennoch keine Panik unter der Bevölkerung auszulösen. Schließlich kann die höhere Inflation auch wieder durch höhere Zinsen auf dem Sparbuch für einen Großteil der Bevölkerung erträglich gemacht werden, sodass diese nur langsam immer ärmer wird.

Für Anleger ergibt sich damit ein neues Marktumfeld, das mehr aktives Handeln einfordert, um etwas gegen den schneller zunehmenden Kaufkraftverlust zu unternehmen. Gleichzeitig muss man beim Investieren in bestimmte Branchen die Lenkungsmacht des Staates berücksichtigen. Dies kann positive Effekte haben, da enorme Mittelzuflüsse die Marktkapitalisierung entsprechender Unternehmen heben können.

Auf der anderen Seite reduziert sich, wie auch bereits in China seit Jahren zu beobachten ist, die Produktivität. Soll bedeuten, dass wenn Kapital staatlich und nicht durch den freien Markt allokiert wird, man weniger Output generiert. Der Wirkungsgrad des Geldes nimmt also immer weiter ab.

Konfliktlinie: Dezentralität vs. Zentralität

Vor diesem Hintergrund erleben wir eine neue Rolle von dezentralen Steuerungsmechanismen, die notwendig sind, um langfristig wirtschaftliche Stabilität und Marktmechanismen zu gewährleisten. Planwirtschaft mag helfen, um temporäre Probleme anzugehen oder politische Ziele, wie Energiewende, zu erreichen. Übertreibt man es allerdings mit der zentralen Steuerung, dann droht ein Markt, der immer dysfunktionaler wird und immer mehr Nebeneffekte zutage fördert. 

Genau hier kann sich die Blockchain-Technologie, Bitcoin und das Web3 zu einem wichtigen Gegenpol entwickeln. Konträr zum staatlichen Dirigismus können wichtige dezentrale Marktmechanismen regeneriert werden, die hohe Produktivität und marktwirtschaftliche Zinsen durch beispielsweise dezentrale Kreditmärkte ermöglichen. Unsere Wirtschaft könnte damit immer stärker in ein hybrides Modell übergehen, das auf der einen Seite immer stärker staatlich bestimmt ist und auf der anderen Seite eine liberale Marktwirtschaft im Web3 bietet. Diese wäre mehr denn je notwendig, um Signale und Informationsflüsse in den Markt zu geben, die durch den staatlichen Dirigismus in Teilen verloren gehen.

Das Instrument CBDC

Wie wir bereits heute in China beobachten können, kann man digitales Zentralbankgeld einsetzen, um Zentralbanken zu schwächen und den Staat zu stärken. Schließlich kann der Staat versuchen, Druck aufzubauen, um seine eigene Policy und Governance in die Ausgestaltung und Steuerung mit einfließen zu lassen.

Ein einfaches Beispiel wäre, wie es in China bereits in Pilotprojekten umgesetzt wurde, dass der Staat Rabattaktionen für den öffentlichen Nahverkehr beschließt, um seine grüne Agenda umzusetzen. Mithilfe von programmierbarem Geld und programmierbaren Geld-Infrastrukturen kann der Staat so paternalistisch seine eigene Allokationspräferenzen immer einfacher umsetzen. CBDCs führen damit zu einer Erweiterung des staatlichen Instrumentenkastens und zur Stärkung des Zentralismus. Zumal dies sogar unseren sehr dezentral aufgestellten Bankensektor in Deutschland schaden würde, wenn Retail CBDCs sich in der Breite durchsetzen.

Der Drang nach einer Gegenbewegung, ergo einer Rückgewinnung oder Beibehaltung dezentraler Marktkräfte und Mechanismen, war noch nie größer als in dieser gegenwärtigen Umbruchphase. Die Rolle des Staates und damit auch des Marktes befindet sich in der größten Transformation seit 40 Jahren. Die Konsequenzen der Neu-Konfiguration und damit einhergehend des Spannungsfeldes zentral vs. dezentral werden in dieser Dekade zu einem vollkommen neuen Marktumfeld führen.

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