In der Praxis Welche Industrie-Anwendungsfälle hat das Bitcoin-Lightning-Netzwerk?

Im vierten Teil der Bitcoin-Lightning-Artikelreihe geht es um die eigentlichen Use Cases des blitzschnellen Zahlungssystems. Welche Industrien können besonders davon profitieren?

Jonas Gross
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Bitcoin Lightning

Beitragsbild: Shutterstock

| Von Maschine-zu-Maschine-Zahlungen bis grenzüberschreitende Überweisungen: Bitcoin Lightning hat einige Use Cases für die Industrie parat.

Das Bitcoin Lightning Netzwerk ist als globales Zahlungsnetzwerk gestaltet worden. Im Gegensatz zu herkömmlichen Zahlungsnetzwerken findet bei Lightning jedoch nicht nur das “Messaging”, also der Austausch von Zahlungsanweisungen, sondern auch sofort ein endgültiges bilaterales “Settlement” statt. Jede Zahlung über das Lightning-Netzwerk ist somit, wenn erfolgreich abgeschlossen, sofort final und kann nicht rückabgewickelt werden. Wie bereits in vorangehenden Artikeln beschrieben, eignet sich Lightning aufgrund seiner technischen Eigenschaften ideal für Mikro- und Nano-Zahlungen. In Kombination mit einem sofortigen finalen Settlement auf globaler Ebene bietet das Lightning Netzwerk spannende Anwendungsfälle rund um die Zahlungsabwicklung für alle Industrien. Im Rahmen dieses Artikels werden wichtige Industrieanwendungsfälle von Lightning thematisiert. Dazu zählen Maschine-zu-Maschine (M2M)-Zahlungen, Stromnetz-Optimierungen, sowie eine voranschreitende Automatisierung durch Smart Contracts.

Dies ist der vierte Teil unserer Lightning-Artikelreihe. Hier entlang geht es zum ersten, zweiten und dritten Teil der Serie.

Die Bedeutung von Lightning für die Industrie

Die Entwicklung von Lightning befindet sich zwar aktuell noch in den Kinderschuhen. Dennoch steigen immer mehr Unternehmen in das Netzwerk ein. Die Firma MicroStrategy ist für ihren Executive Chairman Michael Saylor bekannt und hält über 100.000 Bitcoin. Im Sommer 2022 hat das Unternehmen angekündigt, Lightning Software für Industrie-Anwendungen zur Verfügung stellen zu wollen. Für diesen Zweck hat man ein Lightning Research Lab bei MicroStrategy eingerichtet. Auch der ehemalige Board Member von Facebooks Diem (Libra) Association, David Marcus, hat mit Lightspark 2022 ein Unternehmen gegründet, das den Nutzen von Bitcoin als Zahlungsmittel erforscht und sich dabei stark auf Lightning konzentriert, um Software für Unternehmensanwendungen zu entwickeln.

Das Bahnbrechende an Lightning ist die Interoperabilität der verschiedenen Anwendungsfälle. Als offener und distribuierter Zahlungsstandard können verschiedene Plattformen und Anwendungen gebaut werden, welche auf der Zahlungsebene alle miteinander kompatibel sind. Man stelle sich beispielsweise eine Crowdfunding-Kampagne vor, bei der die Zahlungsabwicklung nicht nur auf der Webseite des Plattform-Anbieters – z. B. Kickstarter – durchgeführt werden kann, sondern auch über einen Social Media Post, eine private Nachricht oder sogar Poster und Flyer. Und das ohne, dass der Unterstützer jemals die Kickstarter Webseite besuchen muss. Auf die gleiche Weise sind Consumer-Anwendungen mit den Industrieanwendungen über das Lightning-Netzwerk interoperabel und können nahtlos ineinandergreifen.

Bitcoin Lightning: Anwendungsfälle für die Industrie

Eine der spannendsten Eigenschaften von Lightning ist die Wirtschaftlichkeit von Nano-Zahlungen, also Zahlungen, die beliebig klein sein können – beispielsweise im Sub-Cent-Bereich. Diese Möglichkeit von Nano-Zahlungen ermöglicht Unternehmen nicht nur neue Geschäftsmodelle, sondern vor allem eine Optimierung existierender Geschäftsmodelle.

In vielen Industrien entstehen hohe Kosten aufgrund nachgelagerter Zahlungsabwicklung und Finanzintermediären. Unternehmen müssen teilweise für Monate oder gar Quartale in Vorleistung gehen, bevor die gelieferte Ware oder Leistung tatsächlich bezahlt wird. Dank der Wirtschaftlichkeit von Nano-Zahlungen über das Lightning-Netzwerk können Lieferungen und Zahlungsflüsse theoretisch gleichzeitig stattfinden. Finanzielle Ineffizienzen können dadurch massiv reduziert werden. Im Folgenden werden ausgewählte Anwendungsfälle für die Industrie im Detail beschrieben.

Maschine-zu-Maschine Zahlungen

Neben manuell durch Menschen ausgelösten Zahlungen können aufgrund der Programmierbarkeit der Zahlungen über Lightning auch Maschinen eine Zahlung mit finalem Settlement auslösen. Diese Zahlungen können auch direkt an andere Maschinen gesendet werden. Wenn wir heute über M2M-Zahlungen sprechen, müssten wir korrekterweise eigentlich über M2M-Accounting sprechen. Maschinen besitzen in der Regel keine eigenen “Konten”, diese laufen üblicherweise über die Eigentümer der Maschinen. Der Maschine kann jedoch eine Berechtigung für gewisse Zahlungen gewährt werden. Dank der Wirtschaftlichkeit von Nano-Zahlungen über Lightning können Maschinen theoretisch bei jeder Aktion eine Zahlung senden oder empfangen. 

Ein Beispiel: Man könnte sein E-Auto an einer beliebigen Ladestation aufladen, die Aufladung via Lightning bezahlen und anonym wieder weiterfahren. Dafür wäre keine Registrierung oder Know-Your-Customer-Prozesse, sowie menschliche Interaktion nötig. 

Heute ist ein solcher Prozess nicht einfach durchzuführen, wird aber mit zukünftigen Anwendungen wie selbstfahrenden Autos oder Robotics immer relevanter. Ein selbstfahrendes Auto sollte am besten als autonomes Taxi arbeiten, welches idealerweise pro Minute genutzt und auch bezahlt werden kann. Hinzu kommt, dass die Zahlungsströme aufgeteilt und voll automatisiert via Lightning weitergeleitet werden können. So kann der Eigentümer einer E-Auto-Ladestation beispielsweise die eingehenden Zahlungen pro Kilowattstunde direkt an den Verpächter des Grundstücks, den Strom-Lieferanten oder die Wartungsfirma weiterleiten und selbst nur noch die eigene Marge einbehalten.

Podcast

Stromnetz-Optimierung

Heute ist vor allem der Energiemarkt von finanziellen Ineffizienzen geplagt. Aktuell “fließen” Zahlungen für den Verbrauch von z. B. Strom viel langsamer als der Strom selbst. Strom-Produzenten, -Händler und -Netzbetreiber gehen für Monate in Vorkasse, bis sie die Zahlung für den Strom vom Verbraucher gebündelt erhalten. Obwohl Strompreise sich zeitlich und räumlich stark unterscheiden können, müssen Unternehmen der Energiebranche eine Mischkalkulation für den Preis erstellen und sich vor dem damit einhergehenden Volatilitätsrisiko absichern. Aktuell ist es nur in wenigen Fällen möglich, die kurzfristigen Preisschwankungen an den Konsumenten weiterzugeben.

In den USA können etwa 10 Prozent des Energiepreises dem Problem der finanziellen Ineffizienz zugeordnet werden. Diese zusätzlichen Kosten entstehen unter anderem durch Intermediäre bei der Zahlungsabwicklung, einen erhöhten Verwaltungsaufwand bei der Abrechnung und Risikomanagement. Diese Kosten können deutlich reduziert werden, wenn Energie und Geld in der gleichen Geschwindigkeit fließen und Zahlungen automatisch an alle Beteiligten in der Wertschöpfungskette umgehend weitergeleitet werden können. Auch hier kommen M2M-Zahlungen zum Tragen. Denn die meisten Haushalte haben bereits einen Smartmeter, welcher auch automatisierte Zahlungen je Stromeinheit durchführen könnte.

Hyper-Automatisierung und Smart Contracts

Dank der einfachen Programmierbarkeit von Bitcoin-Lightning-Zahlungen können Unternehmen ihre Prozessautomatisierung auch auf die Zahlungsflüsse ausweiten. Damit könnten sie nicht nur das Personal in der Buchhaltung durch Automatisierung entlasten, sondern auch die Fehleranfälligkeit reduzieren. Wenn z. B. ein ERP-System direkt an das Lightning-Netzwerk angeschlossen wäre, ließen sich fast vollständig automatisierte Zahlungen an alle Dienstleister, Lieferanten und Partner senden, sowie eingehende Zahlungen von Kunden direkt im System verbuchen.

Ein schöner Nebeneffekt: es entsteht eine lückenlose Dokumentation aller eingehenden und ausgehenden Zahlungen direkt in der eigenen Cloud/IT-Umgebung, ohne, dass das Unternehmen noch einen Intermediär für die Zahlungsabwicklung benötigt. Denn durch Bitcoin und das Lightning Netzwerk wird erstmals die vertikale Integration von Finanzdienstleistung möglich. Unternehmen können ihre eigene Bank sein und dadurch unabhängiger und effizienter werden.

Grenzüberschreitende Zahlungen

Das Lightning-Netzwerk kann aufgrund seiner hohen Effizienz auch für grenzüberschreitende Zahlungen von Unternehmen eingesetzt werden und dabei Friktionen adressieren. Wir beobachten heute ein immer größer werdendes Interesse von Finanzinstituten, Lightning verwenden zu wollen, um Dollar oder jegliche andere Währung international mit anderen Finanzinstituten und Service-Plattformen auf der ganzen Welt zu setteln. Aufgrund der Volatilität von Bitcoin wird die empfangene Zahlung dabei direkt in die lokale Währung getauscht oder das Risiko über Kontrakte abgesichert.

Fazit

Der Megatrend Bitcoin, insbesondere in Kombination mit dem Lightning-Netzwerk, hat ein enormes disruptives Potenzial für nahezu alle Industrien. Zahlungsströme bilden einen elementaren Bestandteil aller Geschäftsmodelle. Wenn sie sich in Kosten, Größe, Geschwindigkeit, Reichweite und Teilnehmern verändern, muss sich die Strategie von Unternehmen dem anpassen. 

Aufgrund der Vielfältigkeit der industriellen Anwendungsfälle hat sich auch bereits ein erstes Ökosystem von Spezialberatungen entwickelt, die Unternehmen dabei helfen, die Potenziale von Bitcoin und insbesondere Lightning für sich zu nutzen. 

Im Rahmen dieses Artikels haben wir aufgezeigt, dass Lightning eine vielversprechende Lösung für Anwendungsfälle wie Maschine-zu-Maschine-Zahlungen oder grenzüberschreitende Zahlungen sein kann. Im nächsten Artikel thematisieren wir Anwendungsfälle des Bitcoin-Lightning-Netzwerks für private Endnutzer.

Über die Autoren

Martin Betz ist Geschäftsführer von Consulting Bitcoin. Die Unternehmensberatung hat sich auf die Erstellung unternehmensspezifischer Strategie Positionen zum Megatrend Bitcoin und der Entwicklung neuer Bitcoin basierter Geschäftsmodelle spezialisiert. Er ist neben dem Bitcoin Effekt auch Mitbegründer des deutschsprachigen Nodesignal Podcasts.

Daniel Wingen studiert Blockchains und Kryptowährungen seit 2015. Er hat 2019 zusammen mit der Bayerischen Landesbank die Value of Bitcoin Conference in München organisiert. Aktuell ist er aktiv als Director für Business Development bei Galoy Inc., einer Open Source Enterprise Software für Lightning. Zudem ist er Programmdirektor für den Industry Day der größten deutschsprachigen Bitcoin Konferenz in Innsbruck sowie Mitbegründer der Bitcoin Graswurzelbewegung EINUNDZWANZIG.

Daniel Wingen und Martin Betz betreiben zusammen einen deutschsprachigen Podcast über Bitcoin im Unternehmensumfeld. “Der Bitcoin Effekt” ist auf allen gängigen Podcast-Apps verfügbar sowie auf YouTube.

Dr. Jonas Groß ist Head of Digital Assets and Currencies der etonec GmbH. Jonas hält einen Doktortitel in Economics der Universität Bayreuth und seine Hauptinteressengebiete sind digitale Zentralbankwährungen, Stablecoins, Kryptowährungen und Geldpolitik. Darüber hinaus ist Jonas Vorsitzender der Digital Euro Association (DEA), Co-Host des Podcasts “Bitcoin, Fiat, & Rock’n’ Roll” und Mitglied des Expert Panels des European Blockchain Observatory and Forum.

Dieser Artikel stellt keine Finanzberatung, Werbung oder Ähnliches dar.

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