Mit über 25 Jahren Erfahrung im Asset Management ist Stefan Bollhalder ein absoluter Experte in der Geldanlage. In seiner Karriere, die ihn von renommierten Institutionen wie Julius Bär und UBS zu seiner eigenen Firma St. Gotthard Wealth AG geführt hat, entwickelt er zeitgemäße Investmentlösungen für seine anspruchsvollen Kunden. Auf dem World Venture Forum in Kitzbühel haben wir den Anlageprofi nach seiner Meinung zu Krypto, Zinsumfeld und Diversifikation gefragt.
Wie hat sich dieses Thema Asset Management in den letzten zehn, 20 Jahren verändert für dich?
Der Markt hat sich extrem geändert. Ein gutes Beispiel ist das klassische 60/40-Portfolio mit Aktien und Anleihen, das lange gut funktioniert hat, aber 2022 war das schlechteste Jahr für diese Strategien seit über 30 Jahren, weil der Anleihe-Anteil nicht mehr der Safe Haven war. Wir denken, dass man sich öffnen muss. Viele Leute verstehen die Assetklasse nicht und werden überfordert.
Viele Banken verkaufen, was hohe Margen bringt, aber wenn der Kunde etwas anderes erwartet, gibt es Probleme. Wir gehen einen Schritt zurück und fragen, was sie von ihrem Investment brauchen. Was sich geändert hat, sind die vielen Möglichkeiten zur Diversifikation. Es gibt mittlerweile viele Investments, die nicht so straightforward sind, wie beispielsweise CAT-Bonds, Trade Finance oder Infrastructure. Die Frage ist, wieviel Liquidität der Kunde braucht. Auch eine monatliche Liquidität kann schon viele bessere Risk-Reward-Verhältnisse bieten. Krypto ist ein gutes Beispiel, das für mich in ein Portfolio gehört, vielleicht als kleine Beimischung.
Das klassische 60/40-Portfolio ist nicht mehr zeitgemäß, weil es zu viele gute Optionen außerhalb von Aktien und Anleihen gibt. 2022 hat gezeigt, dass Anleihen nicht mehr der Safe Haven sind. Diversifizierung mit nicht korrelierten Assets wird immer wichtiger, zum Beispiel Katastrophenanleihen oder Digital Assets. Alles, was die Diversifikation verbessert, ist spannend.
Wie siehst du im makroökonomischen Kontext den Zusammenhang zwischen Tech-Aktien und Krypto?
Es gibt mehr risk on / risk off Bewegungen. Wenn die Grundstimmung risk on ist, steigen Nasdaq und Krypto zusammen. Aktuell sprechen alle vom nächsten Bullrun, aber ich denke, es dauert länger, als alle denken. Vieles ist makroökonomisch bedingt. Wenn alle Angst haben, wie bei den Wahlen in Amerika, wird sich Krypto nicht entziehen können.
Makrozyklen werden also dominanter, insbesondere mit Hinblick auf potenzielle Zinssenkungen in den USA?
Ja, aber die Märkte nehmen das voraus. Außer bei überraschenden Zinswenden gibt es keine großen Überraschungen. Ich bin verwundert, wie stark die Märkte trotz der geopolitischen Probleme in den letzten zwölf Monaten gehalten haben.
Starker US-Dollar und schwaches Gold, wie ordnest du Bitcoin da ein?
Die Korrelation hält nicht mehr so stark. Entscheidend sind Zinsen und Realwachstum. Gold hat keinen Yield, aber einen Safe-Haven-Faktor. Bitcoin könnte sich dorthin entwickeln, ist aber noch zu volatil. Langfristig könnte Bitcoin als digitales Gold Inflationsschutz bieten. Die Volatilität von Bitcoin ist schon geringer als vor zwei Jahren, aber es wird noch lange dauern, bis sie auf Aktienniveau ist.
Angenommen, ein Kunde möchte 1 Million Schweizer Franken in Krypto anlegen. Wie würdest du vorgehen?
Ich würde sicher mit Bitcoin und Ethereum als Basis beginnen, weil sie die Building Blocks sind. Das könnte man effizient mit ETFs abbilden. Dann würde ich in Token investieren, die das Potenzial haben, das nächste große Ding zu werden. Es gibt tausende Coins, aber nur wenige haben Substanz. Unser Krypto-Produkt wird zusammen mit Aury entwickelt, um die besten Token zu identifizieren und zu investieren.
Die Krypto-Etablierung scheint stark durch Asset Manager getrieben zu sein. Welche Rolle nehmen sie für dich bei digitalen Assets ein?
Wir sind noch in den Kinderschuhen. Viele Kunden wollen noch nichts von Krypto wissen, dennoch wächst die Nachfrage. In der Schweiz springen traditionelle Banken auf das Kryptothema auf. Je mehr Bitcoin an Wert gewinnt, desto mehr Leute werden es ernst nehmen. Wir sehen, dass kleinere Privatbanken und externe Vermögensverwalter schneller in das Thema einsteigen als die großen Banken.
Treibt das auch das Narrativ der Tokenisierung von Real World Assets?
Ja, wir wollen traditionelle Werte tokenisieren. Das Asset bleibt das gleiche, nur der Zugang ist anders, entweder über eine Bank oder über die Blockchain. Viele Kunden wollen dezentralisierte Lösungen und vertrauen Banken nicht mehr. In der Schweiz ist das weniger ein Problem, aber es gibt eine starke Autonomiebestrebung. In Emerging Markets haben viele Kunden Angst vor staatlicher Enteignung. Dezentralisierung bietet mehr Sicherheit.
Wie geht es für dich mit deinen Krypto-Projekten weiter?
Unsere Investmentplattform Aury wird Ende August beziehungsweise Anfang September starten, zunächst mit Krypto zu Krypto und Krypto zu Fiat sowie Storage. Unser Fokus liegt auf einem automatisierten System mit einfacher Bedienung, auch bei der Identifikation per NFC Chip Reader. Langfristig arbeiten wir an einem Payment Token, der wirklich funktioniert und Mehrwert bietet. Es wird uns nicht langweilig werden.