Status Quo Aktuelles aus der Steuer-Rechtsprechung zu Krypto-Assets

Die Besteuerung der diversen Krypto-Assets ist wohl doch nicht so eindeutig. Eine klare und praktikable Vereinfachung wäre hilfreich. Ein Gastbeitrag von Oliver Christian Schroen, M.A., Dipl. Betriebswirt (FH), Steuerberater bei der Peter & Partner Treubilanz Steuerberatungsgesellschaft mbH, Berlin.

Oliver Schroen
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Schild des Bundesfianzhofs

Beitragsbild: Shutterstock

Seit meinem am 14. Juli 2019 veröffentlichten Gastbeitrag „Bitcoin-Steuer: Alles zu privaten Veräußerungsgewinnen“ sind drei Entscheidungen von verschiedenen Finanzgerichten veröffentlicht worden:

1. Das Urteil des Bundesfinanzhofs (IX R 10/2018) bringt – anders als erwartet – keine Erkenntnisse für die Besteuerung privater Geschäfte mit „Krypto-Assets“.

2. Das Finanzgericht Berlin-Brandenburg (13 V 13100/19) hat in einem AdV-Beschluss entschieden, dass es keine ernstlichen Zweifel hege an der Wirtschaftsguteigenschaft der „Krypto-Assets“ und auch nicht an der Verfassungsgemäßheit der Besteuerungsrealität in Deutschland.

3. Der aktuellste Beschluss des Finanzgerichts Nürnberg (3 V 1239/19) vom 8.4.2020 widerspricht dem hier unter 2. aufgeführten Beschluss mit deutlichen Worten. Es sieht in zweifacher Hinsicht ernstliche Zweifel und weist außerdem darauf hin, dass das Finanzamt jedes zu besteuernde „Krypto-Assets“ einzeln bezüglich der Wirtschaftsguteigenschaft zu untersuchen habe, bevor Geschäfte mit diesen besteuert werden dürfen, denn das Finanzamt trägt die Beweislast für die Besteuerung.

Die Entscheidungen im Einzelnen

1. Urteil des Bundesfinanzhofs

Das Verfahren (BFH – IX R 10/2018) wurde inzwischen abgeschlossen und das Urteil am 02.04.2020 veröffentlicht.

Die Pressemeldung beginnt mit:

Veräußert der Steuerpflichtige ein kurz zuvor entgeltlich erworbenes Ticket für ein Spiel der UEFA Champions League, unterliegt ein daraus erzielter Veräußerungsgewinn der Einkommensteuer

Hierzu ist anzumerken, dass sich der Bundesfinanzhof – entgegen der Erwartung – zu keinem Hinweis auf Kryptowährungen hat hinreißen lassen, weswegen diese Entscheidung nicht auf private Geschäfte mit „Krypto-Assets“ übertragbar ist.

Die Vorinstanz in diesem Verfahren, das Finanzgericht Baden-Württemberg (5 K 2508/17), hält es durchaus für möglich, dass die Besteuerung der privaten Geschäfte mit „Krypto-Assets“, z.B. Bitcoins, wegen Vorliegens eines strukturellen Vollzugsdefizits gegen das Grundgesetz verstößt. Strukturelles Vollzugsdefizit bedeutet letztlich, dass nur der Steuern auf private Kryptogeschäfte zahlen muss, der seine Kryptogeschäfte auch gegenüber dem Finanzamt erklärt und die anderen nicht. (Zur Vertiefung: NWB Nr. 28 vom 05.07.2019, Seite 2084 „Besteuerung von „Bitcoin & Co.“ verfassungswidrig?“)

2. Finanzgericht Berlin-Brandenburg

Das Finanzgericht Berlin-Brandenburg (13 V 13100/19) hatte in einem Verfahren zur Aussetzung der Vollziehung (AdV) keine ernstlichen Zweifel an der Besteuerungsmöglichkeit von privaten Veräußerungsgeschäften mit Kryptowährungen. Es hatte sich in diesem Fall jedoch nicht sehr tiefgehend mit der komplexen Materie befasst.

Die Aussetzung der Vollziehung wird von einem Steuerpflichtigen immer dann beantragt, wenn er gegen einen Steuerbescheid Einspruch eingelegt hat, den er für unzutreffend hält und er außerdem die grundsätzlich fällige Steuer zunächst nicht bezahlen kann oder will.

Dieses Verfahren dient somit nur dazu, den Steuerpflichtigen davor zu schützen, dass er unberechtigt in finanzielle Nöte gerät. In diesem Verfahren wird noch nicht darüber entschieden, ob die Steuer zu Recht festgesetzt worden ist oder nicht. Die Aussetzung der Vollziehung muss bereits dann gewährt werden, soweit ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Steuerbescheids bestehen.

3. Finanzgericht Nürnberg

Gegenteilig hat das Finanzgericht Nürnberg am 8.4.2020 (3 V 1239/19) – ebenso in einem AdV-Verfahren – einen aktuellen Beschluss gefasst.

Zunächst stellt das Gericht klar:

Ernstliche Zweifel i.S. von § 69 Abs. 2 Satz 2 FGO liegen bereits dann vor, wenn bei summarischer Prüfung des angefochtenen Bescheids neben für seine Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige Gründe zutage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung von Rechtsfragen oder Unklarheit in der Beurteilung entscheidungserheblicher Tatfragen bewirken.

Weiter schreibt das Gericht:

Voraussetzung einer „richtigen“ Entscheidung ist die vollständige und zutreffende Erfassung und Aufklärung des Sachverhalts, über den zu entscheiden ist (§ 88 AO).

§ 88 (1) AO lautet:

Die Finanzbehörde ermittelt den Sachverhalt von Amts wegen. Dabei hat sie alle für den Einzelfall bedeutsamen, auch die für die Beteiligten günstigen Umstände zu berücksichtigen.

Das Finanzgericht Nürnberg hält die obige Entscheidung (2.) des Finanzgericht Berlin-Brandenburg für „nicht nachvollziehbar“ und ist der Ansicht,

dass auch in dem dort entschiedenen Verfahren, die Gewährung der Aussetzung der Vollziehung angezeigt gewesen wäre.

Es beendet seine Begründung mit einer bemerkenswerten Klarstellung:  

Letztlich sollte bei der Qualifizierung einer Kryptowährung als Wirtschaftsgut schon möglichst klar sein (…) worüber man eigentlich entscheidet.

(Siehe hierzu auch „NWB-Eilnachricht 17/2020 S. 1236- NWB TAAAH-47036“.)

Weiterhin alles unentschieden!

Die AdV-Verfahren zu 2. und 3. sind reine Vorverfahren. Eine richterliche Klärung kann nur in einem finanzgerichtlichen Hauptsacheverfahren erfolgen.

Da es bisher aber keine rechtskräftige Finanzgerichtsentscheidung in der Hauptsache darüber gibt, ob und ggf. welche Kryptowährung weshalb als Wirtschaftsgut zu beurteilen ist, bleibt es weiterhin spannend.

Jedoch bietet die jüngste Entscheidung (oben unter 3.) erhebliches Argumentationspotential und eine Menge konkreter Sachverhaltsaufklärungszusatzarbeit für die Finanzbehörden.

Auch ist die im Raum stehende Vermutung der Verfassungswidrigkeit der Besteuerung (strukturelles Vollzugsdefizit) bisher weder richterlich noch höchstrichterlich festgestellt oder verworfen worden.

Welche Probleme ergeben sich hieraus für die Finanzämter?

Das Finanzgericht Nürnberg hat sich offenbar aktuell veranlasst gesehen, auf die geltenden Gesetze und Grundsätze hinzuweisen:

Da es sich hierbei“ (gemeint: bei der Besteuerung von privaten Geschäften mit „Krypto-Assets“) um einen steuerhöhenden Sachverhalt handelt, trägt die Finanzbehörde insoweit die Feststellungslast.

Das bedeutet, dass Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen in den Finanzbehörden in jedem einzelnen Fall genau untersuchen und darlegen können und müssen, worüber und wie sie eigentlich bezüglich der Geschäfte mit jeder einzelnen Kryptowährung entscheiden.

Dies gilt sowohl in tatsächlicher als auch in rechtlicher Hinsicht, d.h. sowohl bezüglich des konkreten vorliegenden Tatbestands als auch bezüglich der hieran geknüpften gesetzlichen Steuer-Leistungspflicht (§ 3 AO).

Um die vom Finanzgericht Nürnberg geforderte gesetzliche Sachverhaltsaufklärung im Speziellen leisten zu können, müssten die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen in den betroffenen Veranlagungsstellen der Finanzämter quasi zu Kryptowährungsspezialist*innen werden. Sie würden es nicht vermeiden können, die jeweiligen „White Paper“ und ergänzende, insbesondere wirtschaftliche, Unterlagen der (inzwischen über 5.000) verschiedenen Kryptowährungen zu studieren und die technischen und wirtschaftlichen Einzelheiten zu verstehen, bevor sie eine Besteuerung vornehmen dürften.

Meines Erachtens ist dies nicht möglich. Der notwendige Ermittlungsaufwand für eine gesetzmäßige und gleichmäßige Besteuerung ist mit einem angemessenen Mitteleinsatz nicht zu bewältigen.

Vereinfachung

Daher ist eine Vereinfachung für die praktische Arbeit der Finanzbehörden angezeigt.

Hierzu hat der Blockchain Bundesverband e.V. (zur Blockchain-Strategie der Bundesregierung vom 18.09.2019) in seinem  „Aktionspapier Blockchain: Steuern“ einen konkreten Gesetzesvorschlag erarbeitet und ausführlich erläutert, der eine praktikable und dennoch gesetzlich klar bestimmte Besteuerungsmöglichkeit schaffen und nicht realisierte Gewinne im virtuellen Bereich i.d.R. unbesteuert lassen würde.

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