Der Börsengang (IPO) von Ant Financial soll mehr als 20 Milliarden US-Dollar in die Kassen des Unternehmens spülen. Sollte dies gelingen, dann wäre Ant Financial eines der weltweit am höchsten bewerteten Fintech-Unternehmen. Insgesamt würde die Bewertung damit auf über 200 Milliarden US-Dollar ansteigen. Ein vergleichbarer Superlativ an einem Börsengäng in den letzten Jahren gab es nur bei dem saudi-arabischen Ölkonzern Aramco, der 29 Milliarden US-Dollar einbrachte.
Ant Financial: Börsenwert zwischen PayPal und Bitcoin
Konzentriert man sich auf die Branche der Finanzdienstleistungen und Finanzinfrastruktur, dann steht auch hier Ant Financial ganz weit oben. So würde Ant Financial in einer Liga mit PayPal (Marktkapitalisierung 233 Milliarden US-Dollar) und Bitcoin (Marktkapitalisierung 210 Milliarden US-Dollar) spielen. Durch die Digitalisierung unseres Finanzsystems und der entsprechenden Infrastrukturen entsteht ein heftiger Kampf um Marktanteile.
Die neuen Finanzplayer sind nicht die traditionellen Universalbanken, sondern die neuen Tech-Konzerne und Blockchain-Protokolle. Entsprechend nachvollziehbar ist es von Alibaba respektive der Ant Financial Group, ihre Kasse bis an den Rand zu füllen.
Bereits heute dominierend: Alibaba und Tencent
Ant Financial deckt dabei die gesamte Palette an Finanzdienstleistungen ab. Neben dem Bezahldienst Alipay werden auch Kredite, Versicherungen und Finanzprodukte angeboten. Einziger Konkurrent in China ist WeChat Pay vom Technologie-Konzern Tencent. Über diese beiden Tech-Giganten läuft praktisch der gesamte Zahlungsverkehr in Asien.
Langsam fasst Alipay auch in Europa Fuß, um es vor allem chinesischen Touristen einfacher zu machen, hierzulande zu bezahlen. Beispielsweise akzeptieren die Drogerieketten Rossmann und dm sowie die WMF-Gruppe, der Flughafen München oder auch Kaufhof die Zahlung via Alipay auf dem Smartphone.
China will globale Standards schaffen
Europa ist hinsichtlich Zahlungsinfrastruktur noch gerade zu mittelalterlich. Bargeld und EC-Karte sind nach wie vor Hauptzahlungsmittel im Einzelhandel. Dies wird sich in den nächsten Jahren ändern. Entsprechend ist Europa ein extrem spannender Markt für Zahlungsinfrastruktur, da es hier noch zu vielen neuen Veränderungen kommen wird. Das eingesammelte Kapital könnte also auch gut dafür verwendet werden, um die Expansion außerhalb Chinas voranzutreiben, wie es auch von Seiten der Ant Gruppe heißt. Sei es in Europa oder entlang der neuen Seidenstraße, die China ganz nach ihren Standards baut.
Zu diesen Standards gehört auch die Zahlungsinfrastruktur wie sie China im Rahmen ihrer Initiative zur digitalen Zentralbankwährung (CBDC) fördert. So möchte China seine Wirtschaft mit Hilfe von Blockchain-Infrastrukturen immer weiter digitalisieren und automatisieren. Um diesen Grad an autonomer Wertschöpfung zu ermöglichen, braucht es folglich Smart Contracts, die in Blockchain-Infrastrukturen eingebettet sind. Zahlungsprozesse werden dabei mit Token – wie die neue chinesische digitale Zentralbankwährung – umgesetzt. Folglich bedeutet die gefüllte Kriegskasse von Ant Financial auch eine enorme Marktpower, wenn es um die Aufsetzung von Token-Infrastrukturen geht. Gemeinsam mit dem chinesischen Staat ist Ant Financial an der Erforschung und Implementierung von Token-Infrastrukturen beteiligt.
China vs. USA
Was Facebook und Google für die USA sind, sind Alibaba und Tencent für China. Die Tech-Konzerne fungieren immer auch als verlängerter Arm der Staaten – auch wenn Unternehmen in den USA natürlich in eigenständiger und privater Hand sind. Entsprechend dürfte Ant Financial auch die volle Rückendeckung vom chinesischen Staat bekommen, um ihre Expansionspläne und damit chinesische Zahlungsverkehrsstandards in die Welt zu tragen. Wer im 21. Jahrhundert das Sagen hat, wird sich vor allem daran entscheiden, wer die digitalen Standards setzt.
Sollte das IPO für Ant Financial erfolgreich ausgehen, dann ist dies auch ein Erfolg für den chinesischen Staat. Dezentrale Alternativen wie Bitcoin dürften damit ebenfalls geschwächt werden. Der Aktienkurs vom Mutterkonzern Alibaba ist in den letzten Tagen jedenfalls kräftig gestiegen und verbucht auf Wochensicht über 10 Prozent Plus.