Token Economy und chinesische Geisterstädte: Deshalb scheitern die meisten Krypto-Projekte

Was nützt die beste Verfassung, das beste Gesellschaftsmodell oder eben die beste Technologie, wenn die Menschen noch nicht dafür bereit sind? Nur weil etwas existiert, das einem alten System oder Produkt überlegen ist, heißt das noch lange nicht, dass es sich auch zeitnah durchsetzt. Was gerne als Krypto- oder Blockchain-Adaption bezeichnet wird, meint vor allem die Bereitschaft, sich auf etwas Neues, in dem Fall die Krypto-Ökonomie, einzulassen. Entgegen der Annahme des Homo Oeconomicus sind es nicht ausschließlich die reinen Fakten oder Vorteile, die die Bereitschaft zum Wechsel ausmachen.

Sven Wagenknecht
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Beitragsbild: shutterstock

Vielmehr sind es die weichen, sozialen Faktoren, die Menschen dazu bewegen, etwas Neues ggf. Besseres auszuprobieren. Alles, egal ob Internet oder Token-Plattform, muss sich meist über Jahre kultivieren. Bis breite Teile einer Gesellschaft ein neues Ökosystem akzeptieren, braucht es mehr als ein paar Monate. Mit den Blockchain-Projekten ist es ein wenig wie mit den in China hochgezogenen Geisterstädten, in denen kaum jemand wohnt. Man hat in kürzester Zeit etwas aufgebaut, ohne aber nach den wahren Bedürfnissen der Menschen zu fragen. Infrastrukturen sowie kultur-gesellschaftliche Gefüge brauchen Zeit, um sich in einer Stadt zu entfalten. Stattdessen stehen Blockchain-Projekte genauso wie chinesische Geisterstädte vor dem Problem, dass es keine Nachfrage gibt. Wer möchte schon in einer Stadt ohne Menschen und historisch gewachsener Kultur wohnen?

Kaum eine andere Branche kommuniziert so schlecht, wie die Krypto-Szene

Ein großer Hemmschuh für die notwendige Krypto-Kultivierung ist eine oftmals katastrophale Kommunikation von Blockchain-Projekten. Anstatt einen Vorteil verständlich und greifbar zu erklären, wird in der Abstraktion, die die Technologie mit sich bringt, verharrt. Ein großer Fehler. Kultivierung heißt, bei neuen Technologien vor allem einen Zugang zu schaffen, ergo das Produkt zugänglich und begreifbar zu machen.

Wenn nun auf die Frage eines interessierten Nutzers nach dem Mehrwert einer dezentralen Applikation die Antwort folgt: “Das Tolle ist die Dezentralität. Alle Dienstleistungen können mit einem Token peer-to-peer abgewickelt werden”, dann ist das eine mangelhafte Antwort. So oder so ähnlich wurde auf unzähligen Konferenzen, Meetups oder in Werbematerialien für die eigene Token-Lösung geworben. Der Mehrwert für den potentiellen Konsumenten ist gleich Null.

Für diese Antwort gibt es im Grunde nur drei Erklärungen:

  1. Der Kommunikator hat keine Ahnung von Kommunikation oder versteht sein Produkt selbst nicht
  2. Die Zielgruppe für das dezentrale Produkt sind ausschließlich hochgradig krypto-affine Menschen
  3. Die Blockchain-Plattform kann keinen kommerziellen und praktikablen Mehrwert bieten

Für die Krypto-Ökonomie gelten keine anderen marktwirtschaftlichen Gesetze als für andere Technologien oder Märkte auch. Jedem Blockchain-CEO oder Marketingbeauftragten muss klar sein, dass so keine breite Nutzerbasis aufgebaut werden kann. Vorteile, die auf dem Abstraktionsniveau der Quantenphysik verbleiben, werden keine gesamtgesellschaftliche Kultivierung und parallel verlaufende Kommerzialisierung anstoßen.

Vorteile sind in der Praxis Nachteile

Zwar mag es ein Vorteil sein, wenn ich als Nutzer mit einer dezentralen Plattform einen höheren Grad an Datenautonomie erfahren kann. Auch die Möglichkeit, Kosten zu sparen und ggf. sogar eigene Daten zu monetarisieren, ist attraktiv. Das allein wird aber schlichtweg nicht ausreichen, um eine kritische Masse zu überzeugen. Zu viel Theorie und zu wenig greifbare sowie in der Praxis umsetzbare Vorteile.

Für nicht hochgradig krypto-affine Menschen sind die artikulierten Vorteile sogar Nachteile, da sie mit einem zusätzlichen Aufwand verbunden sind. Schließlich muss der Konsument von einem bequemen und zentralen Service, der sich in der Vergangenheit bewiesen hat, zu einer meistens unausgereifteren Token-Plattform wechseln. Hinzu kommt, dass diese Token-Plattform in puncto Netzwerkeffekt verständlicherweise massiv hinterherhinkt.

Man muss das Rad nicht neu erfinden, aber es besser machen

Die Dienstleistungen der Blockchain-Plattformen sind in der Regel nicht neu, es gibt bereits zentral funktionierende Plattformen, die eine gute User Experience als Äquivalent bieten. Was zählt, sind in erster Linie Benutzerfreundlichkeit, Preis-Leistungs-Verhältnis und Vertrauen in die Plattform oder das Produkt. Insbesondere die Utility Token sind hier als das größte Hindernis für die Umsetzung eines kommerziell erfolgreichen Geschäftsmodells auf einer Blockchain auszumachen.

Die einzige Möglichkeit, die Menschen dennoch davon zu überzeugt, dass die Token Economy einige Vorteile gegenüber der bestehenden Plattformenökonomie parat hält, geht nur über Produkte, die einen realen Mehrwert bieten. Der Mehrwert muss so groß sein, dass er die Einstiegshürden überkompensieren kann. Die Kommunikation muss so gut sein, dass auch Personen, die keine Berührungspunkte mit der Krypto-Ökonomie haben, in unter drei Minuten den Mehrwert verstehen.

Die Beschäftigung mit sich selbst lässt die Token Economy ausbluten

Zwar nimmt die Kultivierung nach wie vor zu. Das Wissen um die Krypto-Ökonomie erfasst immer breitere Teile der Gesellschaft. Immer mehr Menschen können mit Bitcoin etwas anfangen. Dennoch: Selbst, wenn größere Teile der Gesellschaft grob wissen, was Bitcoin ist, wird sie das noch lange nicht dazu bewegen, die Token von ICO-finanzierten Start-ups zu benutzen.

Selbst die Projekte, denen man einen wirklichen Mehrwert zuschreiben kann, werden es schwer haben, sich noch längere Zeit über Wasser zu halten.

Für die Krypto-Token-Projekte, die wirklich einen Mehrwert bieten können, gibt es nun folgende Optionen:

  1. Sie schaffen es so unfassbar gut zu sein, dass die Menschen trotz aller Hürden die Dienstleistung und damit auch die Token nachfragen werden.
  2. Sie schaffen Fiat-Schnittstellen, die ebenfalls eine Benutzung des Produkts mit Euro, US-Dollar & Co. zulassen. Die Token bleiben zwar bestehen, sind aber nicht zwingend notwendig, um die Dienstleistung in Anspruch zu nehmen.
  3. Korrespondierend zu Punkt 2 wird der vermeintlich hohe Grad an Dezentralität, der bei den wenigsten Projekten wirklich existiert, zurückgeschraubt. Natürlich wird dadurch das dezentrale Geschäftsmodell in Frage gestellt, die Maßnahme kann aber im Gegenzug dafür sorgen, genügend Nutzer zu gewinnen. Später besteht dann immer noch die Möglichkeit, in einen wirklich dezentralen Token Use Case zu überführen.

Jetzt erst recht!

So hart die Kritik auch sein mag: Sie bedeutet nicht, dass alle gegenwärtigen Krypto-Projekte zum Scheitern verurteilt sind. Einige wenige werden es packen und großartige dezentrale Plattformen aufbauen. Diese wenigen werden im Gegensatz zu den meisten, die scheitern, aber verstanden haben, die Kundenbedürfnisse umzusetzen, Schnittstellen zu schaffen und klar zu kommunizieren.

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