Tausend Coins für einen Euro – sind billige Währungen wirklich so billig?

In letzter Zeit wird präferiert in billige Kryptowährungen investiert – Doch sind Coins und Token unter einem Euro wirklich so extrem billig? Wie viel erhält der Investor für sein “preiswertes” Investment?

Dr. Philipp Giese
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Die letzten Wochen sind stark von einem auf und ab der Kryptowährungen geprägt. So können recht junge Token bis weit in die zehn größten Kryptowährungen aufsteigen, um danach wieder um 66 % zu fallen.
Ein Grund für diese nervöse Marktlage scheinen junge Investoren zu sein, die einen besonderen Fokus auf Kryptowährungen und Token haben, deren Einzelpreis deutlich unter dem eines Bitcoin liegt. Währungen wie Ripple, deren Kurs aktuell im einstelligen Eurobereich liegt, sind dabei schon teuer, Investoren scheinen am Krypto-Äquivalent zu Pennystocks Interesse zu haben.

Auf Basis emotionaler Argumente ist dieser Gedanke nachvollziehbar: Manche Investoren fühlen sich klein, wenn sie sich nur Bruchteile eines Bitcoins leisten können. Gerade beim ersten Investment, welches sich vielleicht im Rahmen von 100 Euro bewegt, kann es frustrierend sein, dass man sich von altgedienten Währungen nicht mal einen einzigen Coin kaufen kann.

Zusätzlich angeheizt wird dieser Fokus auf Kleinstwährungen durch die Hoffnung, durch ein kleines Investment Millionen zu machen. „Bitcoin kostete auch mal nur einen Euro und stieg auf über 15.000! Das kann doch auch bei Ripple/Cardano/Stellar/NEM/Tron passieren?“
Auf den ersten Blick kann die Hypothese, dass billige Coins sich lohnen, nicht abgestritten werden. Zumindest kurzfristig betrachtet verhält sich der Kurszuwachs antiproportional zum Preis eines Coins:

Dargestellt ist der durchschnittliche Kurszuwachs der letzten Woche in Abhängigkeit vom Preis pro Coin oder Token. Als Datenbasis wurde auf die bei coinmarketcap.com aufgelisteten Daten für alle Coins zugegriffen. Um zu überprüfen, ob dieses Bild lediglich durch die Segmentierung der Datenmenge zustande kam, wurden auch andere Segmentierungen der Datenmenge analysiert, die jedoch alle zu ähnlichen Ergebnissen kommen.

Zusammengefasst galt also zumindest für die letzte Woche: Billige Coins steigen mehr an als teure Coins. Der Investor sollte sich jedoch fragen, ob diese Kursanstiege nachhaltig sind beziehungsweise, ob wirklich der erhoffte Gewinn von 1.000 % oder mehr möglich ist. Wie wahrscheinlich ist es, dass ein Coin eine solche Kurssteigerung erfährt? Um dies zu klären, bietet sich an, billige Investmentmöglichkeiten unter zwei Gesichtspunkten zu betrachten, die in den nachfolgenden Abschnitten diskutiert werden.

Was für einen Gewinn kann man auf Basis des aktuellen Marktkapitals erwarten?

Als Basis für die Überlegungen, mit was für maximalen Gewinnen ein Anleger bei optimistischer Schätzung rechnen könnte, wird die Kryptowährung Ripple betrachtet. Ist ein Anstieg auf 15.000 Euro überhaupt vorstellbar? Betrachtet man die Netzwerkgebühren – aktuell bei 0,01 XRP – würde man von Transaktionsgebühren von 150 Euro sprechen. Selbst im Vergleich zu Bitcoin wäre dies absurd! Fairerweise kann nicht ausgeschlossen werden, dass die Gebühren entsprechend angepasst werden. Sollte der XRP-Kurs auf 15.000 Euro steigen, spräche man auf Basis des verfügbaren Supplys von einem Marktkapital von fast 600 Billionen Euro. Das entspricht ungefähr der fünfzigfachen Geldmenge der europäischen Union!

Noch strenger sollten Kryptowährungen mit sehr spezifischen Anwendungsbereichen betrachtet werden: Ist ein Marktkapital von mehreren Milliarden Euro für jedes Projekt wirklich berechtigt? Mehr noch: Ist wirklich von einem nachhaltigen Wert zu sprechen, wenn diese Bewertung in der reinen Konzeptphase, wenn lediglich Equity Token auf der Ethereum-Blockchain verkauft werden?

Wenn man also Projekte wie Steem ob des fundamentalen Wertes einschätzen möchte, ist ein Vergleich mit dem Marktkapital bestehender Social Networks nicht verkehrt. Bei Projekten in der reinen Konzeptphase sollte ebenso berücksichtigt werden, welche Rolle der Token langfristig besitzen wird.

Sind billige Coins wirklich so billig?

Zusätzlich sollte betrachtet werden, wie preiswert preiswerte Coins tatsächlich sind. Ungefähr 11.000 Euro ist ein Bitcoin wert. Mit diesem Bitcoin besitzt man 59 ppb (parts per billion) aller bestehenden Bitcoins. Man besitzt also 59 Milliardstel des gesamten Bitcoin-Supplies. Das klingt nicht viel, dieselbe Rechnung auf Ripple angewendet bedeutet jedoch, dass man mit einem Ripple gerade einmal 10 Billionstel des aktuell bestehenden Ripple-Supplies sein Eigen nennt.

Um die Preise aller Kryptowährungen zu vergleichen, ist deshalb ein probates Mittel sich zu fragen, wie teuer es wäre, einen entsprechenden Anteil von 59ppb der gesamten Coin-Anzahl zu kaufen. Eine Möglichkeit dazu ist die sogenannte Bitcoin Price Equivalence oder kurz BPE. Dabei gilt die Formel:

BPE = Supply der Währung / Supply von Bitcoin * Preis eines Coins der Währung

Nach Berechnung der BPE ist zwar weiterhin sichtbar, dass Bitcoin teurer als alle anderen Kryptowährungen ist, jedoch unterscheidet sich die BPE von Ripple nicht dramatisch von Bitcoin.

Wie der Tabelle zu entnehmen ist, liegen die zehn Währungen mit dem BPE alle über 1.000 Euro. Um also 59 ppb des gesamten Supplys einer Kryptowährung zu kaufen, ist bei den gezeigten Währungen ein Investment von mindestens 1.000 Euro notwendig.

Beim Investment in einen preiswerten Coin ist deshalb immer zu fragen, welchen Anteil sich der Investor an der Währung erkauft und ob das dahinter stehende Projekt überhaupt wie erhofft wachsen kann. Billig muss deshalb nicht immer mehr heißen!

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