Realpolitik und SWIFT: Wie die Blockchain-Technologie unser westliches Zahlungssystem in Frage stellt

Das Zahlungssystem SWIFT steht immer stärker in der Kritik. Angesichts alternativer Blockchain-Zahlungssysteme und staatlicher Gegeninitiativen bröckelt die globale Monopolstellung. Was SWIFT mit Realpolitik zu tun hat, wie die Blockchain-Technologie zu neuen Zahlungssystemen führt und welche Rolle in diesem Kontext Libra, Ripple oder der digitale Yuan spielen. Ein Kommentar.

Sven Wagenknecht
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Realpolitik und SWIFT: Wie die Blockchain-Technologie unser westliches Zahlungssystem in Frage stellt

Beitragsbild: Shutterstock

Der Großteil aller internationalen Zahlungsströme, also Geldüberweisungen von Land A nach Land B, werden über das SWIFT-System abgewickelt. Die in Belgien ansässige Organisation – SWIFT steht dabei für Society for Worldwide Interbank Financial Telecommunication – stellt damit eine Art „Internet für Banken“ dar. Praktisch alle großen Banken sind diesem Telekommunikationsstandard für Finanztransaktionen angeschlossen.

Aufgrund seiner globalen Monopolstellung ist SWIFT ein kontroverses Thema. Schließlich dominieren wie auch bei den großen internationalen Finanzorganisationen Weltbank oder IWF vor allem westliche Länder – allen voran die USA. Wird diese westliche Hegemonie nun durch alternative Zahlungssysteme aufgebrochen, ergeben sich dadurch vor allem politische Fragestellungen.

Warum SWIFT ein Politikum ist

Um zu verstehen, warum die Blockchain-Technologie das bestehende Machtgefüge zum Wanken bringen kann, muss man sich die Verteilung der Datenzentren sowie historischen Präzedenzfälle anschauen. Obwohl SWIFT für Finanztransaktionen in der gesamten Welt zuständig ist, stehen die insgesamt drei Datenzentren in den Niederlanden, der Schweiz und den USA. Diese westliche Zentrierung und Datenkontrolle hatte in der Vergangenheit dazu geführt, dass die SWIFT-Organisation Länder vom Zahlungsverkehr ausgeschlossen hat, die auf westlichen Sanktionslisten stehen. Ein Beispiel dafür ist der Iran, der 2018 von den USA sanktioniert wurde. In diesem Kontext wurden iranische Banken vom SWIFT-Netz genommen.

Als Folge dessen regte sich vonseiten Deutschlands und Frankreichs Widerstand. So schlug der deutsche Außenminister Heiko Maas mit Unterstützung seines französischen Kollegen Bruno Le Maire die Gründung einer Zweckgesellschaft vor, mit der die Sanktionen seitens der SWIFT-Organisation umgangen werden können. Schließlich sollte jeder Staat bzw. Europa selbst darüber entscheiden können, ob es US-amerikanische Sanktionen unterstützt – oder nicht.

Dieses Beispiel zeigt, welche Spannungen und realpolitischen Handlungen durch eine solche monopolistische Abwicklungsstruktur initiiert werden können. Je nach politischem Standpunkt kann man dies als Vorteil oder eben Nachteil einordnen.

Blockchain: Mit Technologie gegen Monopolisierung?

Vor diesem Hintergrund kann die Blockchain-Technologie zu neuen, schlanken und politisch neugeordneten Zahlungssystemen führen. Hierbei muss allerdings klar zwischen einer abgespeckten Blockchain-Variante wie sie auch SWIFT selbst untersucht und einer institutsunabhängigen Blockchain-Lösung unterschieden werden. Während die SWIFT-Organisation dezentrale Strukturen testet, um die eigene Performance zu steigern, können neue Initiativen auch zu einer neuen Organisation und Mitbestimmung bei der internationalen Zahlungsabwicklung führen.

Die Frage dabei ist, ob eine solche Zahlungsinitiative von den Staaten selbst ausgeht oder aus der Privatwirtschaft kommt. Eine Initiative wie sie Heiko Maas angedeutet hat, hätte mit einer offenen Blockchain-Lösung à la Bitcoin vorerst nichts zu tun. Es wäre lediglich eine staatliche Alternativzusammensetzung zum bestehenden SWIFT-Gebilde. Nimmt man hingegen private Initiativen wie Ripple, Libra oder eine beliebig andere Zahlungsabwicklungsinfrastruktur, verschiebt sich der staatliche Einfluss im Zahlungsverkehr zu den privaten Unternehmen. Allerdings verfügt der Staat nach wie vor über volle Zugriffsrechte, denen sich Libra und Ripple im Zweifel nur schwer entziehen können. Es wäre also nach wie vor ein Staat, in dem Fall die USA, der gemeinsam mit den teilnehmenden Unternehmen als Node-Betreiber die Kontrollbefugnisse hätte. Man könnte sogar argumentieren, dass die Sanktionsmöglichkeiten der USA durch Libra weiter zunehmen.

Vermeintliche Unabhängigkeit

Die Beispiele Libra und Ripple (es geht nicht um die Kryptowährung XRP, sondern das Zahlungssystem vom Unternehmen Ripple) zeigen, dass auch private Zahlungsnetzwerke nicht per se politisch unabhängig sein müssen. Anders sieht es bei Bitcoin aus. Hier wäre der effektive Grad an Dezentralität und politischer Unabhängigkeit deutlich größer. Dieser Umstand würde in der Praxis allerdings keinen Sinn ergeben. Schließlich geht es um den Transfer von Fiatwährungen wie Euro, US-Dollar & Co. zwischen Banken. Die Überweisung von Kryptowährungen wie Bitcoin zwischen Wallets steht auf einem anderen Blatt. Zumal die Bitcoin Blockchain nicht in der Lage wäre, die Skalierungsanforderungen zu erfüllen.

Eine blockchainbasierte und politisch offene Zahlungsinfrastruktur müsste also sowohl anschlussfähig an die bestehende Bankeninfrastruktur sein und gleichzeitig die Tokenisierung von Fiatwährungen ermöglichen. Nicht zuletzt lautet auch hier die Gretchenfrage, welche Akteure, die Initiatoren und Betreiber des Zahlungsnetzwerkes sind. Ganz gleich, ob es sich dabei um traditionelle Datenzentren oder einzelne Netzwerkknoten innerhalb einer Blockchain-Infrastruktur handelt.

Wie eine Lösung aussehen könnte: Vom Bankkonto auf die Wallet

Nehmen wir das Beispiel eines deutschen Maschinenbauers an, der gerne Geschäfte mit dem Iran mache möchte, dies aber aufgrund des SWIFT-Ausschlusses nicht oder nur erschwert kann. Voraussetzung hierbei ist natürlich, dass es sich nicht um deutsche oder europäische Sanktionen handelt.

So besteht die Möglichkeit das klassische Bankkonto an eine Wallet zu koppeln. Das Euro-Bankguthaben kann man wiederum tokenisieren. Die digitalen Euro könnten dann nahezu in Echtzeit und ohne SWIFT bzw. ein Korrespondenzbankensystem auf die Wallet des iranischen Handelspartners transferiert werden. Dort auf der Wallet angekommen könnte, sofern überhaupt gewünscht, eine De-Tokenisierung auf das normale Bankkonto stattfinden. Final hätte man so eine internationale Überweisung von Fiatwährungen durchgeführt. Einzelne Projekte wie beispielsweise CashOnLedger arbeiten bereits an solchen Lösungen beziehungsweise Schnittstellen.

Hat SWIFT die besten Jahre hinter sich?

Nicht zuletzt ist auch Chinas digitaler Renminbi der erste Schritt zu einer SWIFT-unabhängigen Zahlungsinfrastruktur. Schließlich kann man den digitalen Renminbi auch über alternative Infrastrukturen abwickeln. Mit einer Zurückdrängung staatlicher Einflussnahme haben Blockchain-Alternativen dennoch nur wenig zu tun. Im Gegenteil, Blockchain-Infrastrukturen in staatlicher Hand verstärken nur die Kontrolle eines Staates innerhalb eines Zahlungssystems.

Dass sich das Kräfteverhältnis auf internationaler Bühne verschiebt – wahrscheinlich immer stärker gen Asien – stellt losgelöst von Blockchain eine übergeordnete Entwicklung dar. Auch alternative, blockchainbasierte Strukturen zur Zahlungsabwicklung sind, sofern von staatlicher Seite initiiert, nur eine Abbildung der bestehenden ökonomischen Kräfteverhältnisse. Dass der Einfluss von SWIFT international weiter abnehmen wird, ist wahrscheinlich. Dies liegt aber nur mittelbar an der Blockchain-Technologie und in erster Linie an den sich verändernden globalen Machtverhältnissen.

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