Aus On-Chain-Sicht Wie hat sich der Kryptomarkt in der ersten Jahreshälfte geschlagen?

Aktuelle Berichte von Glassnode, CoinMarketCap und Co. zeigen, wie hart der Krypto-Bärenmarkt bisher für Anleger verlaufen ist. Wer ist nach den Turbulenzen überhaupt noch dabei?

Johannes Macswayed
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Bitcoin-Münze

Beitragsbild: Shutterstock

| Ein Blick auf die On-Chain-Daten: Wie steht es um den Kryptomarkt in der ersten Jahreshälfte?

Die Analyseplattformen Glassnode, CoinMarketCap und CMC Research veröffentlichten einen neuen Bericht, in dem sie die erste Jahreshälfte des Kryptomarktes aus On-Chain-Sicht Revue passieren lassen.

Demnach blickt Bitcoin (BTC) im Juni mit einem Preisverfall von 37,9 Prozent auf den fast schlechtesten Monat aller Zeiten zurück. Auch Ethereum (ETH) erging es nicht besser. Mit einem Kursabschlag von über 45 Prozent verbuchte auch ETH im Juni 2022 das zweitschlechteste Monatsergebnis seiner Geschichte.

Grund dürfte die allgemeine Vermeidung von Risiko-Assets sein, die sich vor allem auch an den großen internationalen Börsen im Zuge der makroökonomischen Schwierigkeiten des ersten Halbjahres ausgebreitet hat. Auch dem Kryptomarkt macht diese risikoaverse Haltung zu schaffen.

Das große “Deleveraging” – die Reduktion von Schulden – welches verheerende Kettenreaktionen auslöste und viel Liquidität aus dem Markt spülte, wurde Three Arrows Capital (3AC), Celsius, Voyager Digital und Terra (LUNA) bekanntermaßen zum Verhängnis.

Wie sehr Krypto-Investoren dabei in Leidenschaft gezogen wurden, wird in dem Bericht anhand der unterschiedlichen Blockchain-Daten ersichtlich.

Stabilität gewünscht, Risiko vermieden

Der DeFi-Sektor erlebt 2022 eine große Abwanderung des Geldes. Vom Allzeithoch bei einem Total Value Locked von 253 Milliarden US-Dollar ist der Sektor um 71,5 Prozent im ersten Halbjahr gesunken. Damit sind 181 Milliarden US-Dollar aus dem Ökosystem abgewandert.

Dieses Kapital wanderte laut Glassnode zum Teil aus dem DeFi-Bereich in den Stablecoin-Sektor. Zum ersten Mal war der aggregierte Wert der vier größten Stablecoins (DAI, USDT, USDC und BUSD) größer als der Ethereums. Favorisiert wurden nach dem Debakel um UST vor allem zentralisierte, regulierte Anbieter wie Circles USD Coin (USDC). Im Bericht nennt Glassnode diese Bewegung eine regelrechte “Flucht in die Stabilität”.

Große Verluste für Krypto-Nutzer

Aus dem Bericht geht weiter hervor, dass Bitcoin Hodler im Mai über 6 Milliarden US-Dollar an unrealisierten Verlusten verzeichneten, als das Terra-Ökosystem innerhalb von drei Tagen implodierte.

Der daraus folgende Kollaps von 3AC und weiteren Akteuren führte dann nur einen Monat später zur größten Kapitulation, in der sich die unrealisierten Verluste an nur einem Tag auf 4,23 Milliarden US-Dollar beliefen. Zum Vergleich: Am Höhepunkt der Corona-Panik im März 2020 waren es 1,35 Milliarden US-Dollar. 

Auch für Ethereum lief es dem Bericht zufolge nicht viel besser. Zeitgleich mit Bitcoin erlebten ETH-Investoren zwei ähnlich starke Momente der Kapitulation, jeweils um die 2 Milliarden US-Dollar. Die auf den Terra-Kollaps folgende Panik an den Märkten wird inzwischen als “Lehmann-Brothers-Moment” der Kryptowährungen bezeichnet.  

Zwar seien die prozentualen Preisverluste vom Allzeithoch bei BTC und ETH vergleichsweise moderat im Vergleich zu vergangenen Bärenmärkten. Jedoch seien Härte, Umfang und Geschwindigkeit der Kursstürze im Mai und Juni für den noch jungen Kryptomarkt einzigartig gewesen, heißt es in dem Report.

Verlorenes Vertrauen

Die Nachbeben der Terra-Implosion sind daher noch immer zu spüren und werden die Krypto-Landschaft wahrscheinlich nachhaltig verändern.

Berichte von DappRadar und Civic Science legen nahe, dass diese Verluste zu großen Teilen realisiert worden sind. Umfragen von Civic Science zeigen, dass knapp 46 Prozent der befragten Investoren einen Teil ihres Portfolios oder gar alle Krypto-Assets verkauft haben sollen. 

Ein nicht überraschender Trend dabei: 39 Prozent aller Investoren mit einem Jahreseinkommen unter 50.000 US-Dollar mussten ihr gesamtes Krypto-Portfolio auflösen. Investoren mit einem höheren Jahresgehalt über 150.000 US-Dollar waren in der Lage, weiterhin zu hodlen.

Außerdem zeigte sich, dass sich Investoren mit Anlageerfahrung im traditionellen Sektor von den Preisschwankungen der Märkte weniger beeindrucken ließen und eher davon ausgehen, dass sich die Kurse letztendlich wieder erholen könnten. 

Das Vertrauen in die einzelnen Kryptosektoren scheint für Kleinanleger jedoch vorerst beschädigt. So halten nun 58 Prozent der Befragten die vergleichsweise hohe Volatilität von Kryptowährungen für das größte Argument gegen eine Investition.

Die Ereignisse um den Absturz des LUNA-Token und UST hat überdies 23 Prozent der Teilnehmer an der Legitimität von Kryptowährungen zweifeln lassen, so Civic Science.

Laut Glassnode und Co. haben sich allgemein die Erwartungen an den Kryptomarkt für viele Nutzer geändert. Doch vor allem in Zeiten großer Zweifel und Unsicherheit sehen Krypto-Investoren häufig Chancen für einen Einstieg vor dem nächsten potenziellen Aufschwung.

Der historische Kurssturz habe dem Bericht zufolge zudem dafür gesorgt, dass hochspekulatives Kapital und fahrlässige Akteure den Markt fast komplett verlassen haben: Inzwischen zeichne sich ein deutlich gesünderes Gesamtbild ab.