"Kommt her und schaut es euch an!" Unterwegs im Crypto Valley in der Schweiz

Die Region um die Schweizer Stadt Zug hat sich in den vergangenen Jahren zu dem Krypto-Hotspot schlechthin entwickelt. Wir waren vor Ort.

Anna Muheim
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Zug im Crypto Valley

Beitragsbild: Anna Muheim

| In der schweizerischen Idylle liegt das Zentrum der des Crypto Valleys: Zug.

Es ist in aller Munde – das Crypto Valley. Die Ursprünge liegen im Kanton Zug. Ein kleiner Kanton, der sowohl für Tradition als auch Innovation bekannt ist. Ein starker Finanzplatz, der mit seinem See und der Aussicht auf die Schweizer Bergwelt entzückt. Und ganz genau? Zufällig gestoppte Passanten am Bahnhof Zug kommen ein wenig in Verlegenheit, haben sie doch selbst das Crypto Valley nie besucht. Sicher?

Kein Wegweiser hilft bei der Suche, das einzige, das sich finden lässt, ist die Möglichkeit, am Fahrkartenautomaten der SBB (Schweizerische Bundesbahn), Bitcoin zu kaufen. Wenn es kein Ort ist, was ist es dann? Und was bedeutet es für die Akteure? Die Antworten liegen auf der Hand, oder besser: in einer guten Tasse Kaffee. Verschiedene Gesprächspartner aus Verwaltung, Lehre und Rechtsdienstleitung, sprechen über ihre Definition des Crypto Valley, seine Entstehung und Bedeutung.

“Ein fokussiertes Ökosystem”

Für Alberto Diaz (Stellvertretender Leiter der Kontaktstelle Wirtschaft des Kantons Zug und Verantwortlicher für den Blockchain-Cluster) ist das Crypto Valley ein “fokussiertes Ökosystem, das sich auf die Blockchain Technologien konzentriert”. Einst ein Vorreiter, sieht Alberto Diaz das Crypto Valley heute als “eine der weltweit führenden, dichtesten Ansammlungen von Blockchain- und Krypto-Firmen”. Alles begann 2014/15, als eine Delegation von rund 20 namhaften Exponenten, darunter Vertreter der Stiftung Ethereum, Zug besuchten. Nach sorgfältiger Standortevaluation siedelte die Stiftung in Zug an. Das Ethereum Protokoll wurde sodann hier geschrieben. Mit der Stiftung bildete sich eine zunächst noch kleine Community, der Standort hatte jedoch Beachtung gewonnen.

Weitere Use-Cases, Layer und Protokolle entstanden in diesem schnell wachsenden Ökosystem. Für die Ansiedlung entscheidende Erfolgsfaktoren waren Nähe und Offenheit der städtischen und kantonalen Verwaltung, die Rechtssicherheit, eine demokratische Staatsform und die insgesamt wirtschaftsfreundliche Umgebung. Behörden spielten zusammen und verstanden sich als Enabler. Handelsregister, Steueramt, die Stadtverwaltung – alle zogen an einem Strang. Dennoch ist es nicht allein der Verdienst der Stadt oder des Kantons Zug, wo die Wege kurz sind und gemäß Alberto Diaz eine “Kleinheit” das Miteinander und aufeinander zugehen so einfach macht.

Das Crypto Valley ist eine Community

Und auch Diego Benz (Partner, Rechtsanwalt und Notar I Kaiser Odermatt & Partner AG) schliesst sich dieser Meinung an. Ohne die Offenheit der gesamten Regierung und seiner Apparate, wie beispielsweise die FINMA (Schweizerische Finanzmarktaufsicht) wäre diese “Erfolgsstory”, wie sie Prof. Dr. Tim Weingärtner (Hochschule Luzern, HSLU) nennt, nicht zu schreiben gewesen. Diego Benz ergänzt, dass es der Austausch auf Augenhöhe ist, der Geschäftstätigkeiten aufblühen lässt. Das beweist auch das Projekt Drakkensberg, an welches er sich gerne erinnert.

So liegt Prof. Dr. Tim Weingärtner die Wichtigkeit eben dieses Austausches bei gleichzeitiger Schaffung einer Plattform, die diesen fördert und fordert am Herzen. Gemäß Weingärtner profitiert die sehr interdisziplinäre Branche besonders davon, dass sie alles findet, was sie braucht: Legal, Business Developers, IT-Spezialisten. Ein so entstehendes Ökosystem wächst durch Vertrauen, welches durch ethisches Verhalten aufgebaut wird. Crypto Valley ist aber auch ein starker Brand, dessen Verantwortung sich alle Teilnehmer bewusst sein sollten. Die Rolle der HSLU liegt hier in der Aus- und Weiterbildung mit gezielt auf die Bedürfnisse der Branche ausgerichteten Angeboten. Auf den Punkt gebracht: Das Crypto Valley bedeutet für Prof. Dr. Tim Weingärtner “Community”. Was den genannten “Brand” betrifft, so ließ man bereits während seiner Entstehung Sorgfalt walten. “Zug” ist bewusst kein Teil seines Namens.

Zug als Zentrum der Krypto-Hochburg

Zurück zur Stadt Zug. Echtes Interesse ist oft schwer zu erkennen. Nicht so in Zug. Von Anfang an war sie innovativ treibend und einige wegweisende Projekte wurden umgesetzt. So kann man seit dem 01.07.2016 städtische Gebühren bis CHF 200 am Schalter der Einwohnerkontrolle mit Bitcoins begleichen. Bereits ein gutes Jahr später, am 15. November 2017, steht den Einwohnerinnen und Einwohnern der Stadt Zug die digitale Identität zur Verfügung, welche auf einer App basiert und über die Ethereum-Blockchain betrieben wird.

Und was die Nutzer damit anfangen? Natürlich, abstimmen. Die direkte Demokratie der Schweiz erfordert die Beteiligung seiner Bürgerinnen und Bürger, Abstimmungsprozesse gehören einfach dazu. Seit dem 25. Juni 2018 können die Stimmberechtigten der Stadt Zug dies über ein Blockchain-basiertes E-Voting-System erledigen – mit ihrer digitalen ID. Der jüngste Coup der Stadt Zug lehnt, trotz aller Innovation, stark an die Traditionen an. Zug pflegt eine Kirschenkultur, dies nachweislich seit 600 Jahren. Dazu gehört ein umfassendes Brauchtum, das neben dem “Chriesimärt” auch den “Chriesisturm” und natürlich die Kirsch- und Kirschtortenkultur pflegt. Was liegt also näher, als eine NFT-Kollektion, bestehend aus 500 einzigartigen “Crypro Cherries“?

Über die Stadtgrenzen hinaus können Steuerpflichtige im Kanton Zug seit 2021 ihre Steuern seit 2021 ebenfalls mit Bitcoin bezahlen.

Der jüngst erschienene und von der CVVC AG publizierte “Swiss Digital Asset and Wealth Management Report 2021” stellt sehr anschaulich dar, wie sich das Crypto Valley – gesamtschweizerisch – zu dem entwickeln konnte, was es heute ist:

CV VC, The History of the Crypto Valley, 2021. Quelle: CVVC

In Zug geboren wächst das Crypto Valley rasch weiter, über die Kantonsgrenzen hinaus nach Zürich, Lugano und nicht zu vergessen Liechtenstein, wo am 1. Januar 2020 das TVTG (“Blockchain Gesetz”) als eines der umfassendsten Gesetze im Bereich DLT/Blockchain in Kraft trat, doch das Crypto Valley ist schon längst nicht mehr nur Zug. Für alle Gesprächspartner ist es heute die gesamte Schweiz und Liechtenstein, also zwei Länder und vier Sprachen.

Die Zukunftsaussichten der Region

Und die Kehrseite der Medaille? Natürlich gibt es rückblickend immer Möglichkeiten, etwas zu verbessern, darüber sind sich alle einig. Wenn Opportunitäten wahrgenommen werden, ruft es auch Spieler auf den Plan, die eben keine ethischen Absichten verfolgen. Diese Fälle sind bekannt. Und statt Kritik nennt Alberto Diaz Herausforderungen, mit denen das Ökosystem aktuell zu kämpfen hat. Hier zeigt sich, dass die genannte “Kleinheit” neben der vielen Vorteile auch Nachteile mit sich bringt: Fachkräfte werden dringend benötigt, der Bedarf kann, trotz hervorragender Ausbildungsmöglichkeiten (HSLU, ETH, Universität Zürich uvm.), kaum gedeckt werden, Migrationsprozesse können umständlich sein und bezahlbaren Wohnraum sucht man oft vergeblich.

Und die Zukunft? Wie hält sich das Crypto Valley an der Spitze? Austausch! Es werden Roundtables veranstaltet, um die Bedürfnisse und Pain Points aller ansässigen Unternehmen abzuholen. Eine spannende Erkenntnis dieser Roundtables ist, dass den Blockchain-Firmen im Grunde der Schuh an derselben Stelle drückt, wie den anderen Unternehmen auch. Im Rahmen dieser Roundtables werden auch Zukunftsfragen gestellt und angegangen.

Leidenschaft, welche in den Gesprächen allgegenwärtig war, wird diese Community weiterbringen, Diego Benz lädt ein: “Es ist das Most-Rocking-Ecosystem, kommt her, und schaut es euch an.”

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