Der Artikel ist zuerst in der Oktoberausgabe des Kryptokompass von BTC-ECHO erschienen. Mehr Informationen zum Monatsmagazin mit den Themenschwerpunkten digitale Assets und Blockchain-Technologie finden sich im Kryptokompass-Shop.
Mitten im historischen Zentrum Berlins, im Dreieck zwischen Museumsinsel, Berliner Dom und Fernsehturm, befindet sich das Büro von einem der Pioniere des digitalen Bankings: die Solarisbank.
Wer den Eingangsbereich des Büros im 6. Stock betritt, wird von den Firmenfarben des Tech-Unternehmens fröhlich begrüßt: Orange und Blau. Läuft man die langen Korridore entlang, blickt man rechts und links in die Büros, die durch die großen Glasfenster lichtdurchflutet werden. Hier sitzen die über 300 Mitarbeiter aus über 50 Ländern. Die Hälfte, entgegen der Vermutung, arbeiten in der Tech- und nicht in der Bankenabteilung. Bevor das Fintech-Startup in diese beeindruckenden Büroräume einzog, hatte hier das deutsche Nachrichtenmagazin Stern seine Berliner Zentrale.
Am Ende des Korridors erreicht man die Firmenlounge – das Herzstück des Büros der Solarisbank. Früher das Büro des Stern-Chefredakteurs, ist es heute ein Gemeinschaftsraum für alle. Hier wird sich auf den Sofas entspannt, eine Runde Tischfußball und Tischtennis gezockt oder die Pause auf der riesigen Dachterrasse verbracht. Und Pausen müssen gegönnt sein, denn Zeit zum Durchatmen gab es seit der Firmengründung vor vier Jahren nicht viel.
Das Berliner Finanzinstitut verwaltet mittlerweile die Gelder der circa 80 Partner mit mehr als 400.000 Endkunden. Neben Großunternehmen wie dem Smartphone-Hersteller Samsung Pay, Zahlungsanbieter Alipay, Online-Händler Otto und dem Finanzdienstleister American Express, zählen auch Fintechs wie Tomorrow oder Vivid zu dem Partner-Segment des Unternehmens. Jetzt steht die Geschäftsbank auch bei Krypto und Blockchain vollständig in den Startlöchern.
Banking as a Service: Unternehmen werden zum eigenen Fintech
Die Solarisbank startete im März 2016 und wurde im Rahmen von Finleap von Hitfox, ein Company Builder, geboren. Sie gilt als eins der ersten Fintechs mit Vollbanklizenz, über die Unternehmen eigene Finanzprodukte anbieten können. Auf Dienstleistungen im Bereich Payments, Kreditgeschäft und Digital Banking sowie integrierter Drittanbieter können Kunden durch eine API-Anbindung auf die Plattform zugreifen. „Banking as a Service“ nennt die Solarisbank das Modell, bei dem die Bank in der Regel im Hintergrund bleibt. So werden Unternehmen sozusagen selbst zu einem eigenen kleinen Fintech. Die Produkte und Dienstleistungen dieses Banking-Ökosystems sind auf die Bedürfnisse von Digitalunternehmen und Fintechs zugeschnitten.
Solarisbank-Partnerschaften
Ein Lizenzdach für all diese Unternehmen zu bilden, die ihre eigenen Finanzprodukte anbieten wollen, ist womöglich auch der Clue hinter der Beliebtheit des „Superfintech“. Daher hat sich die Solarisbank nicht nur in der Fintech-Welt als einflussreicher Akteur herumgesprochen. Für diejenigen, die sich schon etwas länger in der deutschen Krypto-Szene herumtreiben, ist das Berliner Finanzinstitut längst kein unbeschriebenes Blatt mehr. Schon seit geraumer Zeit zeigt die Solarisbank Interesse an aufstrebenden Technologien wie Blockchain und Bitcoin. Denn in diesem Bereich ist laut CEO Roland Folz „die Nachfrage aus der Blockchain-Welt nach einem lizenzierten Partner“ besonders groß. Blockchain-Start-ups benötigen schließlich Lizenzen, um Finanzdienstleistungen in Deutschland anbieten zu dürfen. Ohne Lizenz, keine Erlaubnis der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin). Entsprechend rücken regulierte Finanzdienstleister und Krypto-Start-ups immer enger zusammen. Banken brauchen Innovation sowie neue Geschäftsfelder und Krypto-Unternehmen brauchen Lizenzen – wie die von der Solarisbank.
Wandel? Ja, bitte!
Hier hat das Berliner Finanzinstitut einen wesentlichen Vorteil: Während für Großunternehmen- und -banken gerade der Wandel von Marktstrukturen eine der schwierigsten zu bewältigenden Aufgaben darstelle, sei Prozessinnovation auf Basis neuer Technologien in der Quintessenz ja genau das Geschäftsmodell der Solarisbank, so der Ex- Deutsche Bank-Vorstand Roland Folz. Wandel? Ja, bitte! „Die klassische Bank ist konfrontiert mit sinkenden Geschäften und das wird auch in den nächsten fünf bis zehn Jahren nicht anders werden“, sagt Folz. Viele Banken haben den Schritt in Richtung Digitalisierung verpasst. „Legacy-Systeme und starre Hierarchien sowie fehlende Freiräume haben sie verlangsamt“, fügt er hinzu. Der gebürtige Bayer erklärt es wie folgt: „Wenn ich jetzt im Banking erfolgreich sein möchte, dann kann ich das nicht aus einer traditionellen Infrastruktur heraus bewältigen“.
Die grüne Spielwiese der Neobanken und Fintechs
Bei diesen „neuen“ Geschäftsmodellen handelt es sich um einen sogenannten „Greenfield-Approach“, ergänzt Folz. Bei diesem Ansatz wird – bildlich gesprochen wie auf einer freien, grünen Wiese – ein Vorhaben von Grund auf neu, unabhängig und ohne Schnittstelle zum bestehenden Unternehmen entwickelt. Das ist auch der Grund, warum Fintechs und die Big Player Google, Apple, Facebook und Amazon drohen, an klassischen Banken vorbeizurasen. Denn sie übertreffen die etablierten Kreditinstitute mittlerweile beim Kundenservice, bei innovativen und personalisierten Dienstleistungen sowie bei der Umsetzung neuer Projekte und Geschäftsmodelle, so der erfahrene Finanzmanager.
Nach fast 27 Jahren als Vorstand in verschiedenen Großbanken war der „Saturierungseffekt“ erreicht. In anderen Worten: „Damit habe ich nichts mehr am Hut“. Der CEO hatte Lust auf eine kleinere Einheit, „eher unternehmerisch sein, von den Aufgaben her näher am Kunden arbeiten und neue Marktanteile gewinnen“, sagt Folz. So sei der Wechsel zur Solarisbank vielmehr ein „coming home“, als eine radikale Veränderung.
Digitale Assets als Garant des Erfolgs?
Digitale Assets, Kryptowährungen und deren Verwahrung ist CEO Folz zufolge ein „Zukunftsmarkt“, in dem sich die Solarisbank positionieren möchte. „Es ist alles nicht so komplex, wie man vielleicht denkt“, sagt CEO Roland Folz, ehemaliger Chief Financial Officer (CFO) des Privat- und Geschäftskundenbereichs der Deutschen Bank und Vorstandsmitglied bei der Deutschen Telekom. Mit dieser Aussage steht der erfahrene Finanzmanager, der jahrelang für die mitunter größten deutschen traditionellen Unternehmensbanken arbeitete, wohl außerhalb der Krypto-Bubble mehr oder weniger alleine da.
Denn das Lager der traditionellen Banken hatte Bitcoin schon vor Jahren einen raschen Untergang prophezeit. Doch die Kryptowährung war kein kurzlebiges Phänomen. „Hat nicht irgendwer damals auch gesagt, er glaube an das Pferd und das Auto sei nur eine vorübergehende Erscheinung?“, fügt Folz hinzu. Die Aussage stammt von dem letzten Deutschen Kaiser Wilhelm II. Was hätte dieser wohl zu Kryptowährungen gesagt? Roland Folz prognostiziert jedenfalls sicher: „Kryptowährungen und digitale Assets sind gekommen, um zu bleiben. In den nächsten fünf bis zehn Jahren werden sie zu einer enormen Fülle an Innovationen führen.“
Schulterschluss unter Gleichgesinnten
Mit dieser Annahme steht die Solarisbank in Deutschland nicht alleine da. Nicht zuletzt durch die Partnerschaft mit der Börse Stuttgart, mit der sie gemeinsam die Krypto-Trading-App Bison und den Marktplatz BSDEX entwickelte, machte die Solarisbank ihrem Ruf als Krypto-affine Geschäftsbank alle Ehre. „Wir beschäftigen uns seit anderthalb Jahren intensiv mit dem Thema“, sagte Michael Offermann, Krypto-Banking-Chef des Tech-Unternehmens.
2018 eröffnete das Fintech die „Blockchain Factory“. Was als Geschäftszweig startete, wurde 2019 mit der Gründung der Solaris Digital Assets GmbH zu einer eigenen Tochtergesellschaft der Solarisbank ausgebaut. Über sie biete die Solarisbank Banking-Dienstleistungen ausschließlich für Unternehmen an, deren Geschäft direkt oder indirekt auf Kryptowährungen und Blockchain-Technologie basiert, so Offermann. Hierzu zählt beispielsweise der „Blockchain Company Account“ für die Bankgeschäfte von Blockchain-Unternehmen. Damit erweiterte das Technologieunternehmen sein Angebot und schafft eine technologische und regulatorische Brücke zwischen der Banking- und der Blockchain-Welt.
Weiterer prominenter Krypto-Partner ist etwa der Blockchain-Banking-Service-Anbieter Bitwala, der seinen Kunden ein Girokonto und zudem den unkomplizierten Bitcoin-Kauf anbietet. Dies zeige zudem den Anspruch des Unternehmens, „die Zukunft der Finanzbranche zu gestalten“, sagt CEO Roland Folz. Ziel sei es, „die Finanzwelt progressiv so voranzubringen, dass Krypto- und Fiatwährungen koexistieren können“, fügt Folz hinzu. Darüber hinaus verbucht die Solarisbank auch das Blockchain-Unternehmen Brickblock und das Krypto-Start-up Bitbond als seine Geschäftspartner.
Die Solarisbank wagt sich aus der Deckung
Wundern tut es einen daher wohl kaum, dass kurz nach der Bekanntgabe des neuen Geldwäschegesetzes, das die Verwahrung von Kryptowährungen seit diesem Jahr rechtssicher regelt, auch die Solarisbank als eines der ersten deutschen Institute in die Offensive ging und eine Lizenz für die Verwahrung digitaler Assets beantragte. Im Umkehrschluss müssen Kooperationspartner der Bank selbst keine Lizenz mehr beantragen. Als Tochter der Solarisbank erfülle die Solaris Digital Assets GmbH diese entsprechenden regulatorischen Anforderungen und gewährleiste damit ein sicheres Krypto-Verwahrgeschäft, so Krypto-Banker Offermann. Sie sei „ein essentieller Infrastrukturanbieter für Digital-Asset-Pioniere“, fasst er zusammen. Zudem können sich auch Krypto-affine Investoren an der neuen Tochtergesellschaft beteiligen.
Generell erlaubt das neue Geldwäschegesetz Banken das Angebot und die Verwahrung von Kryptowährungen. Damit können Geldhäuser ihren Kunden im Onlinebanking praktisch auf Knopfdruck neben klassischen Wertpapieren wie Aktien und Anleihen auch Kryptowährungen rechtssicher anbieten. Andere Unternehmen, die eine Bitcoin-Verwahrung anbieten wollen, müssen zuvor bei der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) eine Lizenz beantragen. Denn der Multi-Milliarden-Euro-Markt virtueller Assets ist natürlich auch den deutschen Aufsichtsbehörden und Gesetzgebern nicht entgangen.
Solarisbank erwartet grundlegende Veränderung
Im Klartext bedeutet dies, dass Nutzer, die bisher ihre Zugangsschlüssel zu den virtuellen Geldbörsen („Wallets“) noch selbst verwalten mussten, ihre Daten künftig in die Obhut der solaris Digital Assets geben können. Denn laut Managing Director der Solaris Digital Assets, Alexis Hamel, sei die derzeitige Infrastruktur in diesem Bereich für den Massenmarkt schlicht und ergreifend nicht kundenfreundlich genug und damit insgesamt unzureichend. Wenn diese massiven Hürden bei der Einführung konformer und sicherer Digital Asset Services überwunden werden, ist der gebürtige Franzose überzeugt davon, dass sich die Art und Weise, wie wir Werte austauschen, zukünftig grundlegend verändern wird. Die Solaris Digital Assets soll also den Kauf und die Verwahrung von Bitcoin einfacher machen und so die Krypto-Adaption und Legitimation vorantreiben. Folglich rechne man dann auch mit einem starken Wachstum des Umsatzpotenzials.
Noch nicht profitabel
Die Profitabilität lässt nämlich noch auf sich warten. Mit Blick auf weitere Investitionen in Produkte und Plattformen sowie der internationalen Expansion wurde das Ziel erstmal verworfen, bereits 2020 schwarze Zahlen zu schreiben. Diese werden laut CEO Folz eher mittelfristig angestrebt. Nichtsdestotrotz machte das Fintech im vergangenen Jahr einen Umsatz von 15 Millionen Euro. Seit 2017 haben sich die Zins- und Provisionserträge jährlich verdoppelt. Auch im laufenden Jahr wird eine weitere Verdopplung für möglich gehalten. Selbst von Abwerbe-Gesprächen der Wirecard-Kunden, dem jüngst in Bilanzskandale verwickelten Kontrahenten aus München, war die Rede. „Für diejenigen, die eine neue Zukunft suchen, stehen wir Gewehr bei Fuß“, sagt Folz. Doch von einer Übernahme von Teilen des Wirecard-Portfolios sehe die Solarisbank ab. „Wir bevorzugen ein organisches Wachstum“, fügt er hinzu.
Es gehe dem Berliner Finanzinstitut erstmal ausschließlich darum, eine pan-europäische Plattform zu bauen. Darin fließe auch ein signifikanter Teil der Gelder der erfolgreichen letzten Fundingrunde. Mit 60 Millionen Euro war dies die zweitgrößte Finanzierung eines deutschen Fintechs in diesem Jahr. Angeführt wurde die Series C vom prominenten Wagniskapitalgeber Holtzbrinck Ventures. Seit Gründung hat das Fintech damit mehr als 160 Millionen Euro von Investoren erhalten. Aktuell wird das Finanzinstitut auf rund 320 Millionen Euro bewertet. Damit gehört es zwar noch nicht zu den sogenannten Einhörnern, die mit einer Milliarde Euro bewertet werden. Eine weitere Etappe auf dem Weg dorthin hat es jedoch bereits hinter sich gebracht.
Finanzpionier mit Überzeugung
Auch wenn staatliche Stellen wie Zentral- und Geschäftsbanken dem Boom von Kryptowährungen eher misstrauisch gegenüberstehen, will das Berliner Fintech als Finanzmarktvorreiter diesen Zukunftsmarkt früh besetzen. Und dieses Interesse für technische Innovation spiegelt sich auch in den Büroräumen des aufstrebenden Fintechs wieder. Denn Getreu ihres Mottos „Empowering finance pioneers“ sind auch die Büroräume der Solarisbank nach verschiedenen Wissenschaftlern und Erfindern benannt, die ebenfalls Pioniere auf ihrem jeweiligen Gebiet waren. Darunter das Büro benannt nach „Ada Lovelace“, Ikone der Informatik und erste weibliche Computerprogrammiererin, bevor es Computer überhaupt gab. Ein anderes Büro trägt den Namen von „McGyver“, dem Weltretter, Spion und Technik-Genie. Ob das Vorhaben der Solarisbank langfristig aufgeht, sie Blockchain-Pionieren zum Erfolg verhilft und somit die Lücke zwischen Fiat- und Krypto-Welt schließt, bleibt offen. Aber Wege entstehen ja bekanntlich erst dadurch, dass man sie geht.