Jordan Belfort Wie der Wolf of Wall Street zum Bitcoin-Bullen wurde

Was in Martin Scorseses Hollywood-Klassiker “The Wolf of Wall Street” als exzessive Party inszeniert wurde, war für Jordan Belfort Realität. Die Geschichte des echten Wolfs der Wall Street und seines neu entdeckten Faibles für den Krypto-Space.

Marlen Kremer
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Jordan Belfort

Beitragsbild: Picture Alliance

| Der einstige Wall-Street-Betrüger präsentiert sich heute als Krypto-Kenner

“Innerhalb weniger Minuten waren nicht weniger als zwanzig FBI-Agenten in meinem Haus – in voller Montur, mit Waffen, kugelsicheren Westen, zusätzlicher Munition und so weiter”, erinnert sich Jordan Belfort in seiner Biografie zurück. Dann wird er in Handschellen abgeführt. Ein Gefühl von Erleichterung setzt ein: Schluss mit dem Chaos, den Lügen und den Drogen. Er ist sich seiner Schuld bewusst. Er hat Wertpapierbetrug und Geldwäsche in großem Stil betrieben, unschuldige Menschen um ihr Erspartes gebracht. Seine Kaution wird auf zehn Millionen US-Dollar gesetzt – nur ein Bruchteil dessen, was Belfort seinen Gläubigern schuldet. Während er sich vor einigen Jahren noch gegen Bitcoin und Co. ausgesprochen hat, platziert sich der mittlerweile 60-Jährige heute als Krypto-Kenner. Sind Bitcoin und Co. nun das neue Objekt der Begierde für den ehemaligen Wall-Street-Guru?

Fehlplatziertes Verkaufstalent

Das Erste, was Belfort verkauft, sind keine Pennystocks, die ihm später das Genick brechen. Auch nicht ein Stift, wie in der Szene des ungenierten Hollywood-Streifens über sein Leben. Nein, das Erste, was Jordan Belfort verkauft, ist Eis am Stiel. Mit zwei Kühltaschen läuft er durch New York und bringt eine Erfrischung unter die Menschenmassen, die in der sengenden Hitze nicht zweimal überlegen zuzugreifen. Später holt er sogar Bekannte mit an Bord, die für ihn Gefrorenes zu Geld machen. In zwei Monaten verdient Belfort damit etwa 20.000 US-Dollar.

Der New Yorker Stadtteil Queens ist Belforts Zuhause. Dort wächst er in einer mittelständischen Familie auf. In einem durchschnittlichen Häuserblock aus braunem Backstein und weißen Fenstern teilt er sich ein Zimmer mit seinem Bruder. Als Kind ist er unsicher, hat Angst im Dunkeln, leidet unter Panikattacken und Schlaflosigkeit. “Es ist, als würde dir das Herz aus der Brust fallen; als wäre jeder Moment deines Lebens eine eigene Ewigkeit; das buchstäblich polare Gegenteil davon, sich in seiner eigenen Haut wohlzufühlen”, erinnert er sich in einem seiner Bücher zurück.

Belfort plagt die Frustration über die finanzielle Situation seiner Familie: Er will es zu mehr im Leben bringen. Und wird dabei Opfer des utopischen “American Dream”, den er später zu leben glaubt: Geld, Frauen, Autos, gebräunte Haut, ein zu weißes Lächeln. Den Wunsch seiner Mutter, einen Doktor in der Familie zu haben, hängt der gebürtige New Yorker bereits während der ersten Vorlesung am College für Zahnmedizin in Baltimore 1984 an den Nagel. Stattdessen tut der damals 22-Jährige, was er am besten kann: etwas verkaufen. Und zwar Fisch und Fleisch. “Ich war der talentierteste Verkäufer der Welt”, schreibt Belfort über sich selbst. “Mein Fehler war, dass ich das falsche Produkt zum Verkaufen ausgewählt hatte.” Denn er fährt das Geschäft bald an die Wand und muss Insolvenz anmelden.

Börsenblut geleckt

In einer Buchhalterfamilie aufgewachsen, nimmt Belfort sein Verständnis für Gewinn und Verlust praktisch mit der Muttermilch auf. So scheint es nur logisch, dass er sein Verkaufstalent in der Finanzwirtschaft einbringt. 1987 startet er mit 24 Jahren eine sechsmonatige Ausbildung zum Börsenmakler bei der Investmentbank RF Rothschild. Ein Mitarbeiter des Bankhauses führt ihn an seinem ersten Tag durch das Büro im 23. Stock an der berüchtigten New Yorker Wall Street. Der erste Tipp, den er bekommt: Koks sei gut für die Schnelligkeit, Prostituierte zum Herunterkommen.

Eine Sirene ertönt, die Ärmel werden hochgekrempelt, die Finger fliegen über die Tasten, Männer schreien in ihr Telefon. Der Börsenhandel ist eröffnet. “Es war ein Geräusch, das ich nie vergessen werde, ein Geräusch, das mein Leben für immer verändern sollte”, schreibt Belfort. “Es war das Geräusch junger Männer, die von Gier und Ehrgeiz überwältigt waren und ihr Herz und ihre Seele den wohlhabenden Geschäftsinhabern in ganz Amerika anboten.”

Podcast

Und so tat es auch Belfort selbst. Er kämpfte sich durch das halbe Jahr, um seine Lizenz als Börsenmakler zu erhalten. Noch bevor er jedoch seine Karriere richtig ins Rollen bringen kann, wird er im Zuge des Schwarzen Montags 1987 – des bisher größten Crashs überhaupt – entlassen. Dem Börsenfieber verfallen, nimmt er einen Job bei einem anderen Unternehmen an. Er kommt zum ersten Mal mit Pennystocks in Berührung. Nachdem er mit seinem Verkaufstalent alle Rekorde bricht, gründet Belfort zusammen mit Danny Porush sein eigenes Brokerhaus namens Stratton Oakmont mit Sitz in Long Island.

Bis zum Mond und wieder zurück

Mit 26 Jahren erreicht der gebürtige New Yorker nicht nur den Status als Multimillionär, sondern auch seine Reputation als “Wolf der Wall Street”. Drogen auf Knopfdruck, Prostituierte und Geld en masse: Belforts Alltag gleicht einem nie endenden Exzess. “Ich habe mir fast fünf Millionen Dollar durch die Nase gezogen und geschluckt”, erzählt der 60-Jährige später in einem Interview mit Blick.

Während ihn seine Machenschaften nicht zum Moralapostel machen, sind sie für eine einzige Sache gut: Belforts Bankkonto. So kauft er sich einen Helikopter, mit dem er zugedröhnt beinahe die Straßen New Yorks küsst, und eine Yacht, die er vor der italienischen Küste auf dem Meeresboden versenkt. Der Börsenmakler spielt jedoch mit unfairen Mitteln, betreibt ein illegales Geschäft.

Seine Masche ist dabei eine ausgeklügelte “Pump and Dump”-Methode: den Preis von Billigaktien künstlich in die Höhe treiben, Anleger:innen das Blaue vom Himmel versprechen, das Investment absahnen. Sein schillernder Lebensstil brachte nicht nur einige seiner Mitmenschen zum Stirnrunzeln, sondern lenkte auch die Aufmerksamkeit der US-Börsenaufsicht SEC auf ihn, die Stratton Oakmont 1998 schließlich dichtmacht.

Vom Wolf zum Bitcoin-Bullen

Erst fünf Jahre nach der Anklageerhebung sitzt Belfort hinter Gittern. Das aber nur für 22 Monate. Der Wolf kooperiert nämlich mit dem FBI, mindert damit seine Strafe und schützt auch seine ehemalige Frau Nadine Caridi davor, belangt zu werden.

Seine Zelle teilt er sich mit Schauspieler und Musiker Tommy Chong, der wegen des Vertriebs von Drogenutensilien eine Gefängnisstrafe antreten musste. Nachts erzählen sie sich Geschichten aus ihrem Leben, bis Chong dem ehemaligen Börsenmakler rät, seine Erlebnisse aufzuschreiben. Die Schnipsel aus Belforts betrügerischem Werdegang stoßen letztendlich in Hollywood auf Gegenliebe und schaffen es auf die Leinwand, auf der man die Geschichte des ehemaligen Börsenmaklers glorifizierte.

Was die Prostituierten und Drogen angeht, habe der Film sogar noch “untertrieben”, erklärt Belfort später. Mittlerweile würden ihm die Banken wieder vertrauen, seine persönliche Kreditwürdigkeit sei sehr gut, erzählt Belfort. Ist aus dem einstigen Wolf ein Schaf geworden?

Sein Verkaufstalent scheint er mittlerweile in eine andere Richtung zu lenken. Waren es früher Aktien, die Belfort unter die Menschen brachte, sind es heute Verkaufskurse – und seit Neuestem auch Workshops zum Thema Kryptowährungen. Bezeichnete der konvertierte Bitcoin-Skeptiker die Kryptowährung noch vor einigen Jahren als “verdammten Irrsinn” und “Massenwahn”, scheint der 60-Jährige nun Gefallen an dem digitalen Gold gefunden zu haben.

Krypto-Masterclass mit dem Wolf

So lud er im April letzten Jahres zu einer Krypto-Extravaganz in seiner Villa in Miami ein, wie die New York Times berichtet. Demnach wurden aus einem Bewerberpool von 600 Menschen neun Krypto-Enthusiasten auserwählt, um ein Wochenende mit Poloshirts, Kaviar und Gesprächen über Bitcoin, NFTs und DAOs mit dem Wolf zu verbringen. Das Preisschild, um Teil des Wolfsrudels zu werden: 1 BTC (damals etwa 40.000 US-Dollar) pro Person.

Dabei erzählt Belfort ungeniert aus dem Nähkästchen: Anstatt der bereits bekannten Geschichten aus seiner Zeit als Wolf berichtete er jedoch von seinen Erfahrungen als Krypto-Kenner. Beispielsweise gab er zu, dass man ihm Token in Höhe von etwa 300.000 US-Dollar von seiner Wallet gestohlen habe. Keine guten Neuigkeiten für die 1.513 Gläubiger, die dem Wolf in den neunziger Jahren zum Opfer gefallen sind.

Vor etwa vier Jahren schrieb Bloomberg, dass dem Wolf die New Yorker Staatsanwälte auf die Pelle rückten. Im Rahmen seiner Verurteilung legte man fest, dass Belfort die Hälfte seines Einkommens an seine Gläubiger abgeben muss, insgesamt 110 Millionen US-Dollar. Dieser Pflicht sei er jedoch nicht gänzlich nachgekommen, meinten die Anwälte laut dem Bericht. Belfort legte Einwand ein, der jedoch nicht akzeptiert wurde. Den Gerichtsdokumenten vor etwa vier Jahren zufolge schuldete der ehemalige Wall-Street-Guru noch 97 Millionen US-Dollar – fast 90 Prozent der insgesamt ausstehenden Summe. Inwieweit der 60-Jährige seine Schulden mittlerweile beglichen hat, ist unklar.

Belforts Prolog endet mit einem Satz der Reue: Seine persönliche Geschichte soll “als abschreckendes Beispiel” für diejenigen dienen, die glauben, dass es “etwas Glamouröses hat, als ‘Wolf of Wall Street’ bekannt zu sein”. So ganz unglamourös ist es dann wohl aber doch nicht: Auf seiner Website beschreibt er sich jedenfalls nicht als Schaf, sondern als “The Real Wolf of Wall Street”.

Disclaimer: Dieser Artikel erschien bereits in der Dezemberausgabe des BTC-ECHO Magazins.

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