Der Begriff „Blockchain“ ist sicherlich eines der Buzz-Wörter dieses Jahres. Die dezentralisierte, öffentliche und unveränderliche Transaktionshistorie gelang durch das Bitcoin-Protokoll zur Prominenz. Dabei gibt es neben der Blockchain-Technologie noch zahlreiche weitere Wege der dezentralisierten Buchhaltung. Der Begriff der Distributed-Ledger-Technologie (DLT) umfasst also weit mehr als nur die Blockchain. Eine der bekanntesten Blockchain-Alternativen ist das „Tangle“ von IOTA.
Anders als bei der Blockchain à la Bitcoin gibt es beim Tangle keine Miner und damit auch keine Transaktionsgebühren. Wer eine Transaktion im Tangle durchführen möchte, muss dazu mindestens zwei vorausgegangene Transaktionen bestätigen, bevor die eigene Transaktion selbst Teil des Tangles wird. Anders als bei einer Blockchain werden Transaktionen nicht zu Blöcken zusammengefasst und in einer Reihe aneinander gekettet. Stattdessen wird jede Transaktion Teil eines gerichteten Graphen (Directed Acyclic Graph, DAG), eben: des Tangles. Neue, noch unbestätigte Transaktionen werden zu Spitzen („Tips“) dieses Graphen, bis sie ihrerseits von nachkommenden Transaktionen bestätigt werden.
Eine schöne Visualisierung dieses so entstehenden Gewirrs findet man zum Beispiel hier.
Insgesamt ist das Konsensverfahren bei IOTAs Tangle deutlich schlanker und skalierbarer als bei einer Blockchain. Allerdings funktioniert das System nur, wenn die Zahl der „ehrlichen“ Transaktionen deutlich höher ist als die von böswilligen Akteuren durchgeführter Transaktionen. Je mehr Teilnehmer das Netzwerk hat, so die Annahme, desto größer die Anzahl der ehrlichen Transaktionen. Das bedeutet im Umkehrschluss, dass ein junges Netzwerk mit verhältnismäßig wenig Teilnehmern anfälliger für Attacken wird.
Die Rolle des “Coordinator” im IOTA-Tangle
Um das Tangle in seiner Frühphase Angriffen zu schützen, setzt IOTA den zur Überprüfung sogenannten „Coordinator“ (auch: „Coo“) ein. Der Coo ist eine spezielle Node, die von der IOTA Foundation betrieben wird. Er veröffentlicht in regelmäßigen Abständen Zero-Value-Transaktionen, die für das Tangle eine Checkpoint-Funktion erfüllen. Diese Transaktionen, auch „Milestones“ genannt, bestimmen die Richtung, in der das Tangle fortgesponnen wird. Eine Transaktion ist erst dann valide, wenn sie der Koordinator direkt oder indirekt mit einem „Meilenstein“ bestätigt.
Der Einsatz des Koordinators trifft in der Krypto-Szene vielfach auf Kritik, da er der IOTA Foundation prinzipiell das letzte Wort über den Status quo des Netzwerks gibt. Zwar kann die Foundation nicht rückwirkend Transaktionen ungültig machen; sie könnte jedoch de facto Einlagen von Teilnehmern des Netzwerks einfrieren, in dem der Koordinator deren Transaktionen nicht bei der Veröffentlichung neuer Milestones berücksichtigt. Darüber hinaus könnte ein Angriff auf den Koordinator das ganze Tangle lahmlegen. Nicht zuletzt beschneidet der Einsatz des Koordinators die Skalierbarkeit von IOTA, die eigentlich eine der größten Stärken des Protokolls ist.
Das Kreuz mit der Zentralisierung
Die oben genannte Kritik lässt sich in einem Wort auf den Punkt bringen: Zentralisierung. Die Kritik stößt bei IOTA nicht auf taube Ohren, im Gegenteil: Der Coo war von Beginn an als Übergangslösung vorgesehen. Zur Frage nach dem Ende des Koordinators schreibt die IOTA Foundation in ihrem Blog:
„Die kurze Antwort ist, dass der Koordinator entfernt werden kann und wird, wenn unser Forschungsteam davon überzeugt ist, dass wir das koordinatorfreie Tangle ausreichend verstehen.“
Deshalb plant die IOTA Foundation in den kommenden Monaten den Start eines koordinatorfreien Testnets. Innerhalb dieses Testnets sollen diverse theroetische Ansätze erprobt werden, die aus IOTA langfristig eine durchweg dezentraliserte IoT-Plattform ohne Skalierungsprobleme machen sollen.
Einer dieser theoretischen Ansätze ist die Einführung eines Reputationssystems für Nodes. Dabei sollen Nodes, die versuchen, ungültige Vorgänge (wie z. B. Double Spending) zu bestätigen, zugunsten zuverlässiger Nodes mit hoher Reputation schrittweise an Einfluss verlieren. Erste Tests mit dem von den Cornell-Forschern Walsh und Sirer Reputationssystem haben „vielversprechende Ergebnisse“ geliefert, heißt es im IOTA-Blog. Nachbesserungen soll es auch bei dem (Markov-Chain-Monte-Carlo-)Verfahren geben, das bei der Auswahl der zu bestätigenden Transaktionen Verwendung findet.
Sternenbilder
Einen weiteren Weg, den Coo endgültig aus dem Tangle zu verbannen, sieht IOTA im „Stars“-Konzept. Zu den „Stars“ sollen Nodes „bekannte[r] öffentliche[r] Einrichtungen wie Regierungen, Unternehmen oder Einzelpersonen“ zählen, die über eine „besonders hohe Vertrauenswürdigkeit“ verfügen. Diese „vertrauenswürdigen“ Nodes würden dann, ähnlich den Milestone-Transaktionen des Koordinators, Referenztransaktionen durchführen. Auch hierbei handelt es sich um eine Art Reputationssystem. Statt einem einzigen gäbe es viele Koordinatoren und der User bzw. die Community hätte Wahlfreiheit in der Zusammensetzung der Star-Konstellationen.
Am (noch nicht absehbaren) Ende, so das ehrgeizige Ziel der IOTA Foundation, kann das Tangle als „ein sich entwickelnder, zellulärer Automat betrachtet werden, der die Handlungen der sich fehlverhaltenden Nodes isoliert und schließlich eliminiert, indem er einen geeigneten evolutionären Algorithmus einsetzt.“
IOTAs Ambitionen sind groß – schließlich soll das Tangle die Plattform der IoT-Branche werden. Zahlreiche Großunternehmen haben bereits ihr Interesse bekundet, darunter Bosch, VW und Fujitsu. Im BTC-ECHO Podcast hat sich Alex Roos mit IOTA-Experte Tobias Zeitler über den Status quo des IOTA-Projekts, seine Ziele und die Hürden, die es noch zu nehmen gilt, unterhalten.
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