China 2.0 Immobilienboom im Metaverse: Lohnt sich der Einstieg noch?

Lohnt sich der Einstieg in das digitale Betongold noch? Was der Bauboom im Metaverse mit der chinesischen Immobilienblase zu tun hat und warum auch die Mikrolage in virtuellen Welten zählt.

Sven Wagenknecht
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Metaverse Immobilien durch Glaskugel dargestellt

Beitragsbild: Shutterstock

Der chinesische Immobilienboom läuft auf ein Ende zu. Zu groß sind die Risiken um Immobiliengesellschaften wie Evergrande geworden, die drohen, eine ganze Volkswirtschaft in den Abgrund zu stürzen. Um der wilden Immobilienspekulation der letzten Jahre ein Ende zu setzen, greift die Kommunistische Partei nun massiv ein.

Mehr als in Europa oder den USA haben sich die Immobilienpreise dort aufgebläht. So wurden Geisterstädte gebaut, in denen bislang kaum Menschen wohnen. Über 65 Millionen Wohnungen in China stehen leer – genug Wohnraum für die gesamte deutsche Bevölkerung. Immobilien wurden nicht mit der primären Absicht gebaut, Wohnraum zu schaffen, sondern um diese durch Wertsteigerung teurer weiterzuverkaufen. So gewöhnlich die Übertreibungen am chinesischen Immobilienmarkt sein mögen, sehen wir womöglich ganz ähnliche Szenarien im virtuellen Immobiliensektor. Die Rede ist von digitalen Grundstücken und Immobilien im Metaverse.

Decentraland, Axie Infinity und Sandbox

Die Preise für Immobilien-NFTs beziehungsweise Grundstücke in den größten Metaversen Decentraland, Axie Infinity und The Sandbox brauchen sich nicht vor der realen Welt verstecken. So wurde im November für umgerechnet 2,4 Millionen US-Dollar die Einkaufsstraße “Fashion Street Estate” im Decentraland erworben. Verglichen mit der Königsallee in Düsseldorf immer noch ein Schnäppchen.

Übertroffen wurde die Decentraland-Transaktion vom Metaverse Game Axie Infinity. Dort wurden für ein Stück Land Anfang Dezember ganze 2,48 Millionen US-Dollar gezahlt. Den Rekord konnte am 8. Dezember aber das Metaverse-Spiel The Sandbox verbuchen. So hat das Investmenthaus für digitale Assets, Republic Realm, 4,3 Millionen US-Dollar für ein Sandbox-Grundstück vom Spieleentwickler Atari bezahlt.

Wie sehr auch in Metaversen die Lage zählt, zeigt das Beispiel von US-Rapper Snoop Dogg. So hat ein Nutzer in Sandbox umgerechnet 450.000 US-Dollar für ein Grundstück gezahlt, um virtueller Nachbar des bekannten amerikanischen Rappers zu werden.

Wer wohnt im Metaverse?

Damit Decentraland und Co. nicht das Gleiche passiert, wie Chinas Geisterstädten, müssen sich lebhafte digitale Volkswirtschaften entwickeln. Ohne geschäftiges Treiben, ergo, dass Nutzer viel Zeit und Geld im Metaverse lassen, wird die virtuelle Immobilienspekulation nicht aufgehen. Der Run auf die freien Grundstücke ist eine Spekulation auf die Zukunft, aus Angst, nicht mehr in die angesagten Gegenden hereinzukommen.

So lässt sich auch erklären, warum die Sportartikelhersteller Nike und Adidas ebenfalls ins virtuelle Land vordringen möchten, wie im November bei Adidas bekannt wurde. Einen Tag später wurde dann passenderweise öffentlich, dass Adidas auch mit dem Krypto-Broker Coinbase kooperieren möchte. Dieser hatte zuletzt vor allem an seinem NFT-Dienstleistungsangebot gearbeitet. Es stehen also alle Zeichen auf NFT-Produktion, die unter anderem als Waren und Güter im Metaverse fungieren. Das geschaffene Angebot muss dann nur noch auf eine entsprechend hohe Nachfrage treffen – so zumindest die Theorie.

Ob in Zukunft, wenn die virtuellen Regale gefüllt sind, dann auch die Besuchermassen sich durch die Bekleidungsdistrikte in den Metaversen drängen, steht allerdings in den Sternen. Zumindest ist kein Corona-Lockdownrisiko wie in unseren Innenstädten gegeben.

Zählt auch die Makro- und Mikrolage?

Wie bei “richtigen” Immobilien und Grundstücken zählt auch im Metaverse die Makro- und Mikrolage. Genauso wie man sich fragen muss, ob man lieber in Deutschland Immobilien erwirbt oder eher in Spanien, muss man sich die Frage stellen, auf welches Metaverse man setzt. Wenn sich beispielsweise Decentraland langfristig nicht durchsetzt, dann werden dort die Immobilien und Grundstücke auch nichts wert sein. Die verschiedenen Stufen reichen dann bis zur Nachbarschaft respektive Straße, ergo Mikrolage, in der man angesiedelt ist. Wie in der analogen Welt muss man dann entsprechend mehr zahlen, wenn man in den Top-Regionen oder neben Stars wie Snoop Dogg wohnen möchte.

Allerdings dürfte der Aspekt der Lage nicht ganz so stark ins Gewicht fallen, wie in der analogen Welt. Schließlich lassen sich große Distanzen problemlos via Teleportierung respektive Mausklick überwinden. In gefragten Metaversen könnten daher auch die Peripherielagen durchaus interessant sein. Unklar ist noch, wie mit Anbaumaßnahmen umgegangen wird, wenn virtuelles Land einfach hinzugefügt wird, sodass mehr Grundstücksfläche zur Verfügung steht. Je nach Spielregeln im Blockchain-Protokoll sollte die Erschließung von Bauflächen einfacher vonstattengehen.

Mit Finanzierungskarate zum nächsten Lehman Brothers

Diese und noch viele weitere Faktoren spielen letztlich auch in die Preisfindung und Wertstabilität hinein. Eine fundamentale Bewertung der virtuellen Grundstücke ist allerdings gegenwärtig noch gar nicht möglich. Wie sich die Preise entwickeln werden, ist in diesem frühen Stadium schlichtweg unmöglich, zu prognostizieren. Die finalen Faktoren müssen sich über die nächsten Jahre erst noch kultivieren.

Im gleichen Maße wird der virtuelle Immobiliensektor aber auch neue Finanzierungs- und Investitionsmöglichkeiten hervorbringen. So ist damit zu rechnen, dass der digitale Real-Estate-Sektor ebenfalls die Beleihung von virtuellem Land ermöglicht, um beispielsweise freies Kapital für anderweitige Investitionsprojekte zu generieren. Neben der Beleihung schließen sich perspektivisch aber auch Fonds und strukturierte Finanzprodukte an. Wer nicht selbst Grundstücke kaufen und Immobilien bauen möchte, kann so beispielsweise über Immobilienfonds Miteigentümer werden.

Ebenfalls kann ein Mietmarkt entstehen. Wer zum Beispiel ein virtuelles Ladenlokal in guter Lage eröffnen möchte, könnte dieses unter Umständen auch anmieten. Kurzum: Angesichts der ausufernden Finanzialisierungsoptionen dürften die Voraussetzungen für eine virtuelle Immobilienkrise à la Lehman Brothers also zweifelsfrei gegeben sein.

Old Economy klopft vorsichtig an der Metaverse-Tür

In Zukunft dürften wir problemlos auch dreistellige Millionenbeträge für die besten Grundstücke im Metaverse sehen. Genauso wie man heute Zoom, Google Hangout oder Microsoft Teams für Meetings nutzt, wird man sich zukünftig im Metaverse verabreden. Jedes Unternehmen wird dann auch eine virtuelle Geschäftsadresse in einem oder mehreren Metaversen haben. Inklusive original NFT-Innen- und Außenarchitektur.

Genau hier präsentiert sich bereits auch Meta, ehemals Facebook. Über ihr Metaverse Horizon geht das Unternehmen vorsichtige erste Schritte in Richtung virtueller Meetingräume. Doch auch Microsoft arbeitet mit Mesh an Metaverse-Lösungen. Mit virtuellen Immobilien und NFTs hat das allerdings noch nicht viel zu tun.

3, 2, … : Wann knallt es?

Bis wir in den skizzierten Metaverse-Welten arbeiten und leben, könnte es allerdings noch etwas dauern. Die Erwartungen an das Metaverse und den virtuellen Immobiliensektor sind kurz- bis mittelfristig unrealistisch hoch. Langfristig mag der Sektor in den Himmel wachsen, doch erstmal besteht die Gefahr, dass sich die virtuellen Ländereien als Luftschlösser erweisen. Genau wie in den chinesischen Geisterstädten droht bei Metaverse-Ländereien der Moment zu kommen, wenn alle realisieren, dass keine nachhaltige Nutzung respektive Bewohnung stattfindet.

Aktuell dürfte der virtuelle Real-Estate-Sektor noch genug Momentum und Dynamik besitzen, dass bis zur Ernüchterungswelle einige Rekord-Transaktionen stattfinden. Zumal es keinerlei staatliche Regulierung wie in China gibt, die den Bauboom aufhalten kann. Wie bei allen Blasen gilt: Sobald ihr eurem Friseur, Taxifahrer oder Bäcker von den Investmentchancen im Metaverse erzählt, solltet ihr über einen Verkauf der virtuellen Grundstücke nachdenken. Solange das noch nicht der Fall ist, kann noch einige heiße Luft die Grundstücks- und Immobilienpreise im Metaverse hochsteigen lassen.  

Disclaimer: Der Artikel gibt nur die persönliche Meinung des Autors wieder und stellt keine Investmentberatung dar.

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