Rollups und Layer-2-Lösungen Ethereums Skalierungsproblem – eine Einführung zu möglichen Lösungsansätzen

In seinem Gastbeitrag widmet sich Manuel Jungen von Insight DeFi der Frage, ob und wie Ethereum sein Skalierungsproblem in den Griff bekommen kann.

Manuel Jungen
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Ethereum-Münze

Beitragsbild: Shutterstock

Ethereum hat ein Skalierungsproblem. Seit Anfang des Jahres wurde dies zu verschiedenen Zeitpunkten deutlich: Am extremsten spürbar war diese Problematik in den ersten Monaten. Wollte man etwa eine Smart-Contract-Transaktion, wie bspw. ein Token-Tausch auf einer dezentralen Börse wie Uniswap oder Sushiswap durchführen, so befand man sich in der misslichen Lage, dass sich allein die Transaktionskosten zeitweise auf über 100 US-Dollar beliefen.

Die Ursache dafür findet sich im sogenannten Blockchain-Trilemma. Gemäß diesem muss eine Blockchain in Bezug auf Sicherheit, Skalierbarkeit und Dezentralität Kompromisse eingehen. Stark vereinfacht gesagt müssen Entwickler entscheiden, für welche der zwei dieser drei Eigenschaften sie optimieren wollen. Möchte man bspw. ein bestimmtes Niveau an Sicherheit gewährleistet haben, muss man sich bewusst sein, dass die Skalierbarkeit sich in diesem Fall umgekehrt proportional zur Dezentralisierung verhält. Vergleichbar mit Bitcoin wurde die Ethereum-Blockchain optimiert für Sicherheit und Dezentralität, während bei der Skalierbarkeit Einbußen in Kauf genommen wurden.

Abbildung 1: Das Dreieck zeigt die drei grundlegenden Eigenschaften einer öffentlichen Blockhain, von denen nur zwei gleichzeitig erreicht werden können. Quelle: SEBA Bank

Netzwerküberlastung

Mit zunehmender Anzahl Transaktionen wird das Ethereum Netzwerk immer stärker ausgelastet – möchte man als Nutzer dennoch die Ethereum-Blockchain nutzen, ist man gezwungen, übermäßig hohe Transaktionsgebühren zu bezahlen. Eine optimierte Skalierung der Ethereum-Blockchain und die damit verbundenen günstigeren Transaktionsgebühren würden zu erhöhter Nutzerfreundlichkeit und zur Erschließung neuer Anwendungsfälle führen. Beides hätte zur Konsequenz, dass neue Nutzer ins Netzwerk stoßen bzw. dieses nutzen würden (siehe Abbildung 2).

Abbildung 2: Zusammenhang von Gebühren und neuen Anwendungsfällen. Quelle: Vitalik Buterin, SEBA Bank

Trade-offs der Konkurrenz

Konkurrierende Blockchains wie Solana, Avalanche, Polkadot und Co., welche sich gerne selbst als Ethereum-Killer bezeichnen, optimieren oftmals im Hinblick auf die Skalierung der Blockchain und nehmen dafür ein erhöhtes Level an Zentralität in Kauf. Folgende Grafik zeigt ein Vergleich der Transaktionen pro Sekunde (TPS):

Abbildung 3: Vergleich der Transaktionen pro Sekunde von Ethereum und “Ethereumkillern”. Quelle: SEBA Bank

Rollups – die Lösung des Blockchain-Trilemmas?

Möchte Ethereum hier mit der wachsenden Konkurrenz mithalten, so werden Innovationen benötigt. Folgt man den Ausführungen von Vitalik Buterin (Co-Founder von Ethereum), so findet sich der Schlüssel zu Ethereums Skalierungsproblem Problem in Rollups. Aber was genau verbirgt sich hinter dieser Technologie? 

Rollups sind eine Skalierungslösung, bei welcher Transaktionen Off-chain gebündelt und komprimiert werden, bevor sie auf dem Konsens-Layer verifiziert werden. So können schlussendlich mehrere Transaktionen auf eine einzelne On-Chain-Transaktion “zusammengefasst” werden. Die Folge eines gleichzeitigen Verifizierens mehrerer Transaktionen ist erhöhte Effizienz; parallel dazu steigt die Anzahl möglicher Transaktionen, welche durchgeführt werden können, was eine erhöhte Skalierbarkeit mit sich bringt. 

Plötzlich kann Ethereum von ehemals 15 Transaktionen pro Sekunde (tps) zu 3000+ tps skalieren – ohne bei der Sicherheit Kompromisse eingehen zu müssen.

Arten von Rollups

Es existieren zwei Arten von Rollups:

1. Optimistic Rollups nutzen sogenannte Fraud Proofs (in Nutzung bei z.B. Arbitrum, Optimism)

Optimistic Rollups gehen von einem “optimistischen” Weltbild aus. Die Grundannahme besteht darin, dass die Daten des Rollups, also die oben erwähnten komprimierten Bündel von Transaktionen, korrekt sind. Ausgehend von dieser Grundannahme werden diese Daten ohne Überprüfung auf deren Richtigkeit veröffentlicht. Getrieben von der Aussicht auf eine finanzielle Belohnung beim Aufspüren einer fehlerhaften Veröffentlichung kann jeder Marktteilnehmer dann mittels fraud proof den Beweis erbringen, dass die neuen, durch einen Rollup veröffentlichten Daten, fehlerhaft sind. Fraud proofs kommen also nur dann zum Zug, wenn bewertet werden muss, ob ein Betrug stattgefunden hat, also ob bspw. fehlerhafte Transaktionen veröffentlicht wurden. Solange keine Anfechtung stattfindet, wird weder ein fraud proof verlangt, noch ist einer nötig. 

Die Annahme bzgl. der Richtigkeit der Daten erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass durch einen Rollup betrügerische Bündel an Daten veröffentlicht werden. Um dem vorzubeugen, wird ein Anfechtungszeitraum (sog. dispute window) eingefügt. Verdächtigen bspw. die in einer Transaktion involvierten Parteien Fehler in den Daten, so können sie in diesem Zeitfenster eine Anfechtung starten.

Je länger dieser Anfechtungszeitraum gewählt wird, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass eine Veröffentlichung von inkorrekten Daten auf der Layer1 von Ethereum verhindert wird. Direkt im Trade-off dazu steht logischerweise, dass es länger dauert bis zur Finalität der Transaktion auf der Layer1. In der Praxis führt das zu der Konsequenz, dass es bis zu sieben Tagen dauert, wenn man seine Gelder von Arbitrum abziehen möchte. Abhilfe in dieser Hinsicht können Intermediäre schaffen, die dem Nutzer gegen eine Gebühr seine Gelder sofort auf der Layer1 auszahlen und diese Wartezeit und das Risiko einer fehlerhaften Transaktion auf sich nehmen. 

Kommt es zu einer Anfechtung nach Veröffentlichung des Rollup, und der fraud proof stellt sich als korrekt heraus (also die vom Rollup veröffentlichten Daten sind fehlerhaft und wurde durch den fraud proof bewiesen), so werden alle Daten bis zum letzten bekannten unbestrittenen Bündel zurückgerollt. Das heißt in der Folge, dass alle Swaps (Umtausche), alle Transaktionen und alle anderen Interaktionen, welche in dem fehlerhaften Bündel des Rollups waren, rückgängig gemacht werden.

2. ZK Rollups nutzen sogenannte Validity Profs (benutzt von ZKSync, StarkNet, Polygon Hermez)

Validity proofs gehen von einem “pessimistischen” Weltbild aus. Sie werden genutzt, um zu beweisen, dass ein vom Rollup generiertes Datenbündel korrekt ist. Im Gegensatz zu fraud proofs werden validity proofs mit jedem Bündel generiert und zusammen mit den Daten der Layer1 vorgelegt, um zu beweisen, dass alle Daten korrekt sind. Dieser kryptografische Beweis (sog. ZK-SNARK) kann on-chain auf einfache Art und Weise auf seine Richtigkeit verifiziert werden, unabhängig von der Grösse des Datenbündels oder wie viel Rechenleistung für die darin enthaltenen Transaktionen benötigt wurde. Hier zeigen sich die Vorteile von Rollups; die Dezentralität wird dadurch gewahrt, dass ein herkömmlicher Laptop, welcher selber zu wenig Rechenpower besitzen würde, um diese Bündel an Transaktionen durchzuführen, das Resultat dieser Rechenleistungen aber dennoch ohne weiteres mit minimalem Aufwand on-chain auf seine Korrektheit überprüfen kann.

Aufgrund des gleichzeitigen Vorliegens des validity proofs resultiert, dass hier kein Anfechtungszeitraum benötigt wird – die Transaktion erhält direkt Finalität auf der Layer1-Blockchain (somit auch kein 7-Tage Wartezeit, wenn man seine Gelder von der Layer2 abziehen möchte).

Der Nachteil hier ist ein Effizienzverlust aufgrund der Tatsache, dass mit jedem Rollup ein validity proof produziert werden muss – im Gegensatz dazu wird ein fraud proof nur dann produziert, wenn die Korrektheit des Rollups angefochten wird.

Die Skalierbarkeit von Ethereum – wie weiter?

Alles deutet darauf hin, dass Zukunft der Skalierbarkeit von Ethereum in Rollups liegt. Ohne Zweifel sind sie die erste und beste Möglichkeit innerhalb Blockchain-Industrie, um Massenadaption zu erreichen, ohne gleichzeitig in Sachen Sicherheit und Dezentralität Kompromisse eingehen zu müssen. Wie wichtig den Endnutzern bzw. dem Markt schlussendlich der Punkt der Dezentralität wirklich ist, wird sich noch zeigen. Bei der Wahl zwischen den horrenden Transaktionsgebühren auf Ethereum Layer 1 und den weniger dezentralen Ethereumkillern wie Avalanche und Solana mit extrem niedrigen Transaktionsgebühren haben sich viele Retail-Investoren und Nutzer für letztere Option entschieden. 

Langfristig scheinen die Chancen allerdings gut, dass sich die dezentrale Variante aufgrund ihrer überlegenen Eigenschaften durchsetzen wird – gefährlich wird es werden, wenn sich die Layer-2-Lösungen so langsam entwickeln, dass sich neue Nutzer trotz der Zentralität dieser Protokolle aufgrund der fortgeschrittenen Netzwerkeffekte für Ethereumkiller entscheiden.

Diese Chance ist allerdings als relativ gering einzuschätzen – das Ökosystem der Protokolle, welche auf Ethereum L2 verfügbar sind, wächst täglich. (siehe unten etwa dydx oder Loopring, auf welchen bereits enorme Volumen abgewickelt werden) Und im Gegensatz zu Ethereums L1 werden die Transaktionsgebühren mit zunehmender Nutzerzahl nicht teurer, sondern günstiger. Einer der Gründe ist: Je mehr Nutzertransaktionen in ein Datenbündel von Rollups gelangen, desto günstiger wird es für die einzelnen Nutzer, weil die L1- Gebühr auf mehr Köpfe aufgeteilt werden kann.

Wir können uns also nicht nur auf eine skalierbare DeFi-Zukunft einstellen, sondern auch auf eine dezentrale – lang lebe DeFi!

Abbildung 4: Vergleich der ETH-Transfer- und Swapkosten auf L2 in pink und Ethereum in weiß. Quelle: SEBA Bank

Über den Autoren

Manuel Jungen ist Researcher für den deutschsprachigen Newsletter Insight DeFi. Bekannt für seine detaillierten Analysen möchte er eine breite Masse kompetent und prägnant über die Ereignisse, Chancen aber auch Risiken der neuen dezentralen Welt rund um Bitcoin und Co. informieren. Auch ist er aktiv auf Twitter unterwegs. 

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