Über 20 Jahre sind vergangen, seitdem Hans-Christian Ströbele seine berühmte Parole skandierte. Heute ging sein Wunsch posthum in Erfüllung: der Hanf ist freigegeben. Während grüner Nebel über Deutschland aufsteigt und verdächtiger Geruch aus der Nachbarwohnung herüberzieht, machen sich die sogenannten Social Cannabis-Clubs an die letzten Vorbereitungen. Anbauflächen wollen hergerichtet, Samen und Dünger bestellt, alles für den 1. Juli schick gemacht werden. Dann öffnen sich für Hobby-Gärtner die Türen zu den heiligen Hallen, wo Gras zum Eigenbedarf angebaut, und sich angeregt darüber ausgetauscht werden darf, ob die Sorte “Cat Piss” oder “Alaskan Thunderfuck” heftiger reinknallt. Natürlich nicht ohne ein paar Spaßbremsen. So dürfen die Anbaugemeinschaften zwar eigentlich nicht gewinnorientiert wirtschaften. Manche haben dafür aber ein Schlupfloch gefunden: Bitcoin-Mining.
Ein natürliches Abfallprodukt
Nico bezeichnet sich selbst als “Hanf-Aktivisten”. Seit Jahren setzt er sich für die Legalisierung von Cannabis ein, meldete Demos an, organisierte Treffs. Jemand, der bei der Wahl seiner Abendgarderobe aus Überzeugung zum Batik-Hemd greift. Und nun zu denjenigen gehört, die die ersten Kifferparadiese eröffnen.
Der Andrang sei groß: “Wir kommen kaum mehr hinterher”. Was auch damit zu tun haben könnte, dass der “High Finance Club e.V.” etwas bislang einzigartiges versucht: Hier, mitten in Berlin, wird künftig nicht nur Gras angebaut, Mining-Geräte sollen auch neue Bitcoin zum Blühen bringen. Als natürliches Abfallprodukt. Versorgt mit überschüssigem Strom, erzeugt aus eigenen Solarpanels. “Kiffen für die Rendite, wenn man so will”, schmunzelt er, und steckt sich einen Joint an.
In Hamburg arbeitet Diana mit dem “CannaBit Club” an einem ganz ähnlichen Projekt. Auch hier wandert bald überschüssige Energie in sogenannte ASICS, spezielle Mikrochips zum Schürfen von Bitcoin. “Wir haben ein paar Geräte besorgt, mal schauen, wie das anläuft”. Zu hohe Erwartungen habe sie nicht, das Projekt sei eher Grundlagenforschung. “Ich glaube, beides kann einen positiven Impact auf unsere Gesellschaft haben”, sagt sie. “Warum dann nicht die Synergien nutzen?” Bitcoin sei ihre zweite Leidenschaft, so die 43-Jährige, “nach Gras”. Und irgendwie mache Bitcoin ja auch high.
Ganja für Bitcoin
Diana und Nico kennen sich von vielen Veranstaltungen, machen jahrelang zusammen Aufklärungsarbeit und haben “schon einiges zusammen weggeraucht”. Letztes Jahr gründen sie die Initiative “Gras für Bitcoin“, ein, wie Diana es nennt, “Joint Venture“. Die Idee, die Liebe zu Gras und Begeisterung für Bitcoin zu verbinden, sei zwischen leeren Pizzaschachteln an einem “typischen Bongabend” entstanden.
Zuerst als Scherz, aber auch nüchtern schien das Konzept “so einfach wie genial”: Strom auf Pump produzieren, was die Pflänzchen nicht benötigen, fließt in die Mining-Maschinchen. Gewinne würden auf Mitglieder verteilt: “Alles fair, jeder bekommt seinen Anteil”, sagt Nico. Die einmaligen Anschaffungskosten tragen alle zusammen. Läuft es gut, habe man die “rasch wieder drin”.
Wie viel dabei herumkommt, könne er noch nicht genau sagen. Mining sei ein Glücksspiel. “Wer mehr investiert, hat die besseren Karten”. Als professioneller Mining-Betrieb sei die Anlage zunächst auch nicht gedacht. “Wenn am Ende überhaupt etwas herausspringt, ist das schon mal mehr, als nichts”. Diana nickt: “Unsere Hashrate wird wohl unter unserer Haschrate liegen”. Werfe der Bitcoin-Abbau jedoch genügend Ertrag ab, könne man “über weitere Mining-Rigs nachdenken”. Vielleicht in einem Jahr. Beim nächsten gerissenen Aprilscherz von BTC-ECHO.