„Die Branche ist eine der rückständigsten“ – Richard Lohwasser im Interview zu Blockchain-Ökostrom

Dass die Blockchain-Technologie im zunehmend dezentralen Energiesektor Vorteile bringen kann, wird seit einiger Zeit durch verschiedene Projekte bewiesen. Eines dieser Projekte ist Lition aus Berlin, das mit seinem Strommarkt bestehende Ineffizienzen überwinden möchte. Welche Ineffizienzen das sein sollen, wie der Strommarkt der Zukunft aussieht und wieso die Blockchain-Technologie in mehrerlei Hinsicht eine nachhaltige Energiewirtschaft fördern kann, hat uns Dr. Richard Lohwasser, CEO von Lition, im persönlichen Interview erzählt.

Sven Wagenknecht
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Lition, Richard Lohwasser

Beitragsbild: Dr. Richard Lohwasser

BTC-ECHO: Was war für euch der Anlass, Lition zu gründen?

Richard: Mein Mitgründer und ich sind zehn Jahre lang in der Energiebranche tätig gewesen. Ich war bei McKinsey, Vattenfall und zuletzt bei ExtraEnergie. Immer wieder haben wir versucht, frischen Wind in unsere Branche zu bringen. Obwohl ich zuletzt sogar Geschäftsführer war, ist es mir nicht gelungen, innovative Konzepte auszuprobieren. Es gab immer ein Nein. Die Branche ist nicht umsonst eine der rückständigsten.

BTC-ECHO: Ihr habt einen Strommarktplatz für ökologisch erzeugten Strom entwickelt, wo kommt da jetzt die Blockchain zum Einsatz?

Richard: Die Blockchain nutzen wir für Peer-to-Peer-Trading. Wenn man mit Bitcoin Geld ohne Bank transferieren kann, warum kann man dann nicht auch Kilowattstunden ohne Versorger transferieren? Direkt zwischen Erzeuger, also dem Kraftwerk auf der einen Seite und Konsument oder Kunde auf der anderen Seite. Das ist die Idee von Lition und genau da setzen wir die Blockchain ein.

BTC-ECHO: Wie dezentral ist die Blockchain-Lösung? Verifizieren die Nodes die Transaktionen?

Richard: In unserer Blockchain-Infrastruktur, einer Sidechain-Lösung auf Ethereum, gibt es keine Super Nodes oder Ähnliches. Es ist ein BFT-Konsensus-Mechanismus, in dem jede Node gleich gewichtet ist und Blocks mit einer Zweidrittelmehrheit geschrieben werden. Also absolut demokratisch und dezentral.

BTC-ECHO: Kann ich dann als Verbraucher auch nachvollziehen, wo der Strom herkommt, ergo Strom-Tracking über die Blockchain durchführen?

Richard: Genau, jeder Erzeuger hat einen öffentlichen Schlüssel, den wir veröffentlichen und den der Erzeuger auch veröffentlicht. Anhand dieses Schlüssels lässt sich mathematisch nachweisen, dass eine Energie-Verkaufstransaktion auch von einem bestimmten Kraftwerk gekommen ist – das gleiche Prinzip wie bei Bitcoins.

BTC-ECHO: Muss ich dann bei euch mit einer Kryptowährung meine Stromrechnung bezahlen?

Richard: Man kann mit Binance Token die Stromrechnung bei uns bezahlen, aber die große Mehrheit nutzt die klassische Lastschrift. Vom Bankkonto.

BTC-ECHO: Wie kommt dabei für den Kunden eine Ersparnis zustande?

Richard: Der Kunde nutzt uns über unsere Website Lition.de als ganz normalen Energieversorger. Man braucht dafür keine Wallet, alles was wir brauchen, ist die Zählernummer und ein Bankkonto. Mit der Blockchain kommt der Kunde nur in Berührung, wenn er mit ihr in Berührung kommen möchte. Also wenn er eigene Transaktionen signieren möchte, eine eigene Node laufen lassen möchte oder wenn er unsere Lition Token zum Staken verwenden möchte – das ist aber alles optional.

BTC-ECHO: Der Kunde hat also die Möglichkeit, selbst an diesem Strommarktplatz zu verdienen?

Richard: Richtig, unsere Blockchain-Infrastruktur – die Lition.io-Blockchain – nutzt Lition Token als Gas, genau wie bei Ethereum. Als Konsensus-Mechanismus haben wir aber nicht Proof of Work gewählt, sondern nutzen in unserem Mainnet, das letzte Woche gestartet ist, einen Proof-of-Stake-Mechanismus, der deutlich energieschonender ist. Schließlich können wir schlecht einen grünen Energiemarktplatz ausschließlich mit grünen Energieerzeugern anbieten, wenn wir auf der anderen Seite Energiefresser wie Proof of Work Blockchains verwenden.

BTC-ECHO: Der traditionelle Stromkonzern wird damit übergangen?

Richard: Ja, mit Lition macht man aktuell die Leipziger Energiebörse überflüssig. Dieser Mittelsmann wird komplett aus der Gleichung genommen. Wenn sich das Gesetz ändert, kann man mit Peer-to-Peer-Trading auch den Energieerzeuger selbst aus der Gleichung nehmen.

BTC-ECHO: Auf eurer Homepage steht Lition.de sei das Stromsystem der Zukunft. Was meint ihr damit?

Richard: Unser aktuelles Stromsystem wurde 1999, vor zwanzig Jahren entworfen. Dort kam es zur Trennung von Erzeugung, Vertrieb und Handel. Das ist aber nicht mehr zeitgemäß. Wir haben inzwischen ein sehr komplexes System, in dem vor allem die Mittelsmänner verdienen. Letztlich braucht man aber nur drei Parteien. Man benötigt einen Erzeuger, der den Strom produziert, man braucht einen Netzbetreiber, der die Stromkabel im Boden hat und man braucht den Kunden. Faktisch wurde aber sehr viel herum geschaffen. Es wurden Energieversorger geschaffen, so wie Vattenfall zum Beispiel, die die Stromrechnung erstellen. Es gibt die Trading-Firmen, die Stromgewinne machen. In Summe gibt es fast 1.000 verschiedene Netzbetreiber in Deutschland, die natürlich alle miteinander kommunizieren müssen. Das ist alles ein System, das meines Erachtens nicht mehr zeitgemäß ist. Es sollte verschlankt werden. Man sollte wegkommen von den staatlichen Monopolen. Und blockchainbasiertes Peer-to-Peer-Energie-Trading ist dafür eine sehr gute Lösung.

BTC-ECHO: Nun fördert ihr mit eurem Blockchain-Marktplatz ökologische Energiewirtschaft. Wo siehst du bei der Blockchain noch andere Ansätze, wie Blockchain ökologisch nachhaltige Energiewirtschaft fördern oder generell dem Klima zuträglich sein kann?

Richard: Ein weiteres Thema, das wir nur indirekt betreiben, sind Herkunftsnachweise. Wenn man bei uns Strom von einem Kraftwerk kauft, weiß man, dass Strom von diesem Kraftwerk ökonomisch gekommen ist. Wir kaufen in genau der Menge Strom von diesem Kraftwerk über die traditionellen Alte-Welt-Kanäle. Ein weiterer Ansatzpunkt wäre, dass man jegliche Art der CO2-Vermeidung in Blockchains über Echtheitszertifikate darstellen kann.

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