Crypto Crime Selbstanzeige bei Steuerhinterziehung mit Bitcoin und anderen Kryptowährungen

Trader und Investoren: Ist die Abgabe einer Selbstanzeige in Bezug auf Steuerhinterziehung bei BTC, ETH, LTC und Co. erforderlich?

Thorsten Franke-Roericht
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Crypto Crime

Beitragsbild: Shutterstock

Dieser Artikel ist zuerst auf dem Crypto Crime Blog erschienen.

Nach 2017 war das Jahr 2020 für die meisten Trader und Investoren von Kryptowährungen sehr ertragreich. Einer aktuellen Schätzung des Frankfurt School Blockchain Center zufolge beträgt das potenzielle Steueraufkommen aus Kryptowährungen im Jahr 2020 ca. 1,2 Milliarden Euro. Der Fiskus hat daher ein besonderes Auge auf Krypto-Sachverhalte. Ist eine Selbstanzeige wegen Steuerhinterziehung erforderlich?

Fiskus hofft auf Steuern aus Kryptogewinnen

Es braucht nicht viel Fantasie, um zu erkennen, dass das Finanzamt dieses Steuersubstrat natürlich auch in irgendeiner Form einziehen möchte. Hinzu kommt, dass die Staatskasse aufgrund der aktuellen Corona-Pandemie einen erheblichen Rückgang an Steuer- und sonstigen Einnahmen verzeichnen muss.

Die Aufsehen erregende Steuerschätzung des Blockchain Centers könnte ein weiterer Grund für alle Krypto-Anleger sein, “reinen Tisch” zu machen, wenn sie z.B. ihre Veräußerungsgewinne aus dem Jahr 2017 nicht gegenüber dem Finanzamt erklärt haben sollten.

Auch die Presseberichterstattung der letzten Monate über den Hype von Kryptowährungen wie Bitcoin (BTC) und Dogecoin (DOGE) oder das Phänomen Non-fungible Token (NFT) tragen dazu bei, dass das Thema verstärkt in den Fokus gerät. Diese Risikofaktoren sollte man bei der Frage, ob eine Selbstanzeige wegen Steuerhinterziehung abgegeben werden soll, einkalkulieren.

Alles andere wäre lebensfremd. Denn gerade das Steuerstrafrecht beziehungsweise die steuerstrafrechtlichen Ermittlungen wurden in den letzten Jahren stark von politischen und gesellschaftlichen Forderungen beeinflusst. Ob diese immer Sinn machten, ist eine andere Frage.

Kryptowährungen und Selbstanzeige bei Steuerhinterziehung

Es gibt eine Reihe von Besonderheiten, die bei einer Selbstanzeige wegen Steuerhinterziehung mit Kryptowährungen zu berücksichtigen sind. Entscheidend ist stets der individuelle Fall. Allgemein gilt: Die Selbstanzeige (§ 371 AO der Abgabenordnung (AO)) setzt voraus, dass zu allen Steuerstraftaten einer Steuerart – zum Beispiel der Einkommensteuer – in vollem Umfang die unrichtigen Angaben berichtigt, die unvollständigen Angaben ergänzt oder die unterlassenen Angaben nachgeholt werden. Die korrigierten Angaben müssen zu allen unverjährten Steuerstraftaten einer Steuerart, mindestens aber zu allen Steuerstraftaten einer Steuerart innerhalb der letzten zehn Kalenderjahre, erfolgen.

Beispiel: Selbstanzeige bei Veräußerungsgewinnen mit Kryptowährungen

Unser fiktiver Investor namens Vitalik hat im Jahr 2017 einen steuerpflichtigen Veräußerungsgewinn aus Kryptowährungen in Höhe von 15.000 Euro erzielt und diesen bewusst gegenüber dem Finanzamt nicht erklärt. In den Jahren 2018 und 2019 musste er kleine Verluste hinnehmen. 2020 konnte er wiederum einen Veräußerungsgewinn verzeichnen, und zwar in Höhe von 20.000 Euro. Da ihm die “Kiste zu heiß” wird, fragt Vitalik seinen Rechtsanwalt, ob er alle Gewinne oder nur die aus dem Jahr 2020 gegenüber dem Finanzamt nacherklären soll.

Lösung (vereinfacht)

Durch die Nichtangabe seiner Gewinne aus Kryptowährungsgeschäften im Jahr 2017 und 2020 besteht jeweils der Anfangsverdacht einer Einkommensteuerhinterziehung (§§ 370 AO i.V.m. Einkommensteuergesetz (EStG)). Würde Vitalik die Gewinne nur für das Jahr 2020 gegenüber dem Finanzamt nacherklären, bestünde die Gefahr, dass das Finanzamt hinsichtlich der alten Jahre nachfragt – und schlimmstenfalls ein Steuerstrafverfahren einleitet. Es könnte eine insgesamt unwirksame Selbstanzeige vorliegen, da ein solches Taktieren (sog. “Teilselbstanzeige”) nicht mehr möglich ist.

Damit Vitalik den Weg in die rückwirkende Straffreiheit sicher gehen kann, wäre bei Abgabe einer Selbstanzeige erforderlich, Angaben zu allen Steuerstraftaten des zehnjährigen Nacherklärungszeitraums – also auch für das Jahr 2017 – zu machen. Mit anderen Worten: ganz oder gar nicht. Keine halben Sachen. Man hat auch nur einen Versuch, kann nicht nachbessern. Die Selbstanzeige muss also sitzen. Wie ein Maßanzug.

Achtung

Es müssten alle Einnahmen und Ausgaben zu allen Einkunftsquellen der jeweiligen Steuerart der letzten 10 Jahre überprüft werden. Bei der Einkommensteuer wären das neben den sonstigen Einkünften (§ 23 EStG) z.B. auch Einkünfte aus selbständiger oder nicht selbständiger Arbeit sowie aus Kapitalvermögen. Die Erfahrung lehrt: Gerade die Aufarbeitung der letzten Jahre ist im Einzelfall äußerst mühsam und aufwändig, da rückwirkend Sachverhalte rekonstruiert werden müssen, bei denen unter Umständen nicht sämtliche Informationen verfügbar sind.

Tipp

Kryptoanleger können die Kosten einer Aufarbeitung erheblich reduzieren, wenn sie die relevanten Unterlagen vollständig aufbereitet zur Verfügung stellen. Das spart nicht nur wertvolle Zeit, sondern auch Geld. Zu den relevanten Unterlagen im Zuge der Selbstanzeigeerstellung gehören beispielsweise die vergangenen Steuererklärungen und darauf ergangene Steuerbescheide sowie Kontoauszüge. Liegen die Unterlagen nicht vor, kann gegebenenfalls unter Zuhilfenahme von E-Mails (z.B. Trading-Bestätigungen) der steuerlich relevante Sachverhalt rekonstruiert und bewertet werden.
Um den Überblick zu behalten, empfiehlt es sich, die Trades und Investments mit Bitcoin, Ether, Litecoin und Co. von Anfang an mit einer entsprechenden Software bzw. mittels Online-Tools zu dokumentieren. Am Markt gibt es unterschiedliche Anbieter – mit stellenweise stark abweichender Qualität was Tracking und Reporting von Deals mit Kryptowährungen angeht. Nicht in jedem Fall ist gewährleistet, dass das vom Anbieter erstellte “Steuer-Reporting” den Besonderheiten des deutschen Steuerrechts genügt.

Folgen (vereinfacht)

Im Idealfall werden bei einer vollständigen und richtigen Selbstanzeige “nur” die entsprechenden Steuerbescheide geändert. Allerdings kommt es nicht selten zunächst zur Einleitung eines Steuerstrafverfahrens. Hintergrund: In diesem Strafverfahren wird die Wirksamkeit der Selbstanzeige überprüft; zudem wird durch die Einleitung die Verjährung unterbrochen.

Sind die Angaben vollständig und richtig, die Steuern sowie Zinsen nachgezahlt – also die Selbstanzeige insgesamt wirksam –, wird das Steuerstrafverfahren eingestellt. Es gab keine Anklage, keine Verhandlung, man ist nicht vorbestraft. Je nach Einzelfall können aber außerstrafrechtliche Folgen eintreten, z.B. für Beamte, Soldaten oder Gewerbetreibende.

Zu den Zinsen: Gerade bei länger zurückliegenden Zeiträumen können die Zinsen erhebliche wirtschaftliche Auswirkungen haben. Der Zinssatz beträgt 0,5 % pro Monat bzw. 6 % pro Jahr. In diesem Kontext sind Nachzahlungszinsen (§ 233a AO) sowie Hinterziehungszinsen (§ 235 AO) relevant. Allerdings würden die Nachzahlungszinsen auf die Hinterziehungszinsen angerechnet (§ 235 Absatz 4 AO).

Dieser Beitrag soll und kann eine rechtliche Beratung im Einzelfall nicht ersetzen. Trotz sorgfältiger Recherchen übernehmen die Autoren keine Haftung für die Aktualität, die Richtigkeit und die Vollständigkeit des Beitrags.

Über den Autoren

Thorsten Franke-Roericht hat zusammen mit Martin Figatowski die “Alliance Crypto Crime Defense” gegründet. Sie gehören zu den wenigen Anwälten in Deutschland, die sich auf die Bereiche Krypto-Strafrecht und Krypto-Compliance spezialisiert haben.

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