Man müsse “Realitäten anerkennen”, schreibt Joachim Schuster auf seinem Twitter-Profil. Darunter verlinkt der Europaabgeordnete der SPD einen Beitrag des Handelsblatts, in dem der Sozialdemokrat Bitcoin (BTC) energetisch als “völligen Irrsinn” beschreibt. Ordnungspolitisch sei die Kryptowährung “hochproblematisch”.
Schuster entfacht damit erneut eine Debatte über die Klimaverträglichkeit von Bitcoin, die bereits in der Vergangenheit immer wieder Gegenstand hitziger Diskussionen war – zuletzt im Mai vergangenen Jahres, als Tesla die BTC-Zahlungsoption deaktivierte.
Vor allem steht dabei der hohe Stromverbrauch von Proof-of-Work-basierten Kryptowährungen wie Bitcoin oder Ethereum in der Kritik. Dabei verweisen Skeptiker wie Schuster auf eine Datenerhebung der Cambridge University, die den jährlichen Energieaufwand der nach Marktkapitalisierung wertvollsten digitalen Währung trackt. Zum Zeitpunkt des Schreibens verbraucht Bitcoin etwas über 125 Terawattstunden (TWh) Strom pro Jahr. Im Ländervergleich liegt das Netzwerk damit knapp vor der Ukraine (124,5 TWh).
Parallel dazu steigt der Anteil erneuerbarer Energiequellen im Mining-Sektor. Eine Studie des Bitcoin Mining Councils schätzt den Beitrag aus ökologischen Quellen mittlerweile auf 58,5 Prozent.
"Bitcoin ein Energiefresser"
Für den SPD-Politiker sei diese Entwicklung jedoch nicht entscheidend. Vielmehr stütze er sich auf den Anteil an der Weltenergie-Produktion von 0,14 Prozent. In einer Stellungnahme gegenüber BTC-ECHO argumentiert Schuster:
Der 'Energiefresser' Bitcoin zieht Energie aus produktiveren Branchen ab, die einen tatsächlichen gesellschaftlichen Mehrwert haben.
Joachim Schuster (SPD) gegenüber BTC-ECHO
Zudem würden erneuerbare Energiequellen in Zukunft noch nicht ausreichen, um den weltweiten Bedarf zu decken. Europa werde in den nächsten 30 Jahren mit einer Energieknappheit zu kämpfen haben, so die Befürchtungen Schusters. Bitcoin, der seit "über einem Jahrzehnt keinen nennenswerten wirtschaftlichen oder gesellschaftlichen Mehrwert" erkennen ließ, rechtfertige in keinster Weise diese "Energieverschwendung". Das Fazit des SPD-Politikers fällt drastisch aus – Bitcoin müsse verboten werden.
SPD-Bundestagsfraktion widerspricht Bitcoin Verbot
Aus der Bundestagsfraktion der Sozialdemokraten gibt es jedoch Widerspruch. Der digitalpolitische Sprecher der SPD Jens Zimmermann stuft gegenüber BTC-ECHO ein Bitcoin Verbot als "schwierig" ein. Bitcoin dürfe zwar nicht zum "Klimadesaster" werden, die Idee von schnellen, direkten und günstigen bargeldlosen Transaktionen bewertet der 40-Jährige aber als "positiv". Insofern sieht die SPD-Bundestagsfraktion zumindest einen wirtschaftlichen Mehrwert in Bitcoin und Co.
"Europas Anteil an Bitcoin Hashrate ist gering"
Das sieht auch Philip Salter so. Neben einem wirtschaftlichen weist der Chief Technology Officer beim Mining-Unternehmen Genesis auch auf einen gesellschaftlichen Nutzen von Bitcoin hin.
Gerade im Deutschland legt man sehr viel Wert auf Privatsphäre, Bargeld, Briefgeheimnis, Kryptografie, Sicherheit vor Überwachung und Massendatenspeicherung und ähnliche Themen. Bitcoin verkörpert dieselbe Mentalität.
Philip Salter, Genesis Digital Assets gegenüber BTC-ECHO
In puncto Mining sei Europa zudem nur ein kleines Licht und der Anteil an der globalen Hashrate durch hohe Strompreise gering. Um rentabel zu wirtschaften, sind Miner deshalb auf günstige Energiequellen angewiesen. Dass die digitalen Schürfer anderen Branchen den Strom wegnehmen, sieht Salter als fraglich.
"Energiepolitik läuft falsch"
Bitcoin Miner nehmen nur den günstigsten Strom ab – also den, der sonst unverbraucht bleiben würde. Andere Abnehmer sind gewillt höhere Strompreise zu zahlen als Bitcoin Miner. Daher wird Strom nur dann an Miner verkauft, wenn es keine anderen Abnehmer gibt.
Philip Salter, Genesis Digital Assets gegenüber BTC-ECHO
Im weltweiten Vergleich sei die günstigste Energiequelle Wasserkraft, so der Genesis-CTO. In Europa konzentrieren sich Mining Farmen deshalb hauptsächlich in Schweden und Norwegen. Allerdings sprach sich im November die schwedische Finanzaufsichtsbehörde FI für ein Mining-Verbot aus und begründete den Schritt mit einer Strompriorisierung für andere Industriezweige. Der staatliche Energieversorger Vattenfall verteidigte hingegen das digitale Schürfen. Bitcoin Mining könne die Belastung der Stromnetze ausgleichen.
Die Befürchtungen Schusters hinsichtlich möglicher Engpässe in 30 Jahren teilt Salter nicht. Vielmehr müsse man das Stromnetz weiter ausbauen. Das Horrorszenario des SPD-Europaabgeordneten sieht der Genesis-CTO eher als Zugeständnis, dass "etwas bei unserer Energiepolitik falsch läuft". Eine Realität, die man unter Umständen ebenfalls anerkennen muss.