„Ein Quantensprung“ Der Kapitalmarkt wird digital: Papierlose Wertpapiere kommen

Bundesjustiz- und Bundesfinanzministerium haben den lange erwarteten Gesetzesentwurf zur Einführung von elektronischen Wertpapieren vorgelegt. Anleihen sollen künftig alternativ als papierlose und damit rein elektronische Wertpapiere emittiert werden können. Damit ist ein neues Zeitalter eingeläutet, finden unsere Gastaustoren Professor. Dr. Philipp Sandner und Dr. Johannes Blassl.

Dr. Johannes Blassl
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Beitragsbild: Shutterstock

Ein Gastbeitrag von Professor Dr. Philipp Sandner, Leiter des Frankfurt School Blockchain Center und Dr. Johannes Blassl, Anwalt und Lehrbeauftragter an der EBS Law School in Wiesbaden sowie an den Hochschulen Fulda und Mainz.

Der neue Gesetzesentwurf zur digitalen Schuldverschreibung leitet eine neue Ära im deutschen Wertpapierrecht ein. Die Reform war bereits für 2019 geplant. Nun gibt die Veröffentlichung des Referentenentwurfes Anfang August Hoffnung, dass das neue Gesetz Anfang 2021 in Kraft treten kann.

Erklärtes Ziel des Gesetzgebers ist es, durch die angekündigten gesetzlichen Änderungen die Attraktivität und Wettbewerbsfähigkeit des Finanzplatzes Deutschland zu stärken.

Der neue Gesetzesentwurf stellt eine Abkehr vom physischen Urkundenerfordernis da. Damit wird es möglich, bestimmte Wertpapiere rein digital, also ohne ein Papierstück, zu begeben. Durch das Wegfallen dieser Papiererfordernis kann der gesamte Transaktionsprozess erheblich vereinfacht und digitalisiert werden. Der Gesetzesentwurf ist bewusst technologieneutral formuliert, zielt aber deutlich auf den Einsatz der Blockchain-Technologie bei den Wertpapiertransaktionen ab. Durch das Abbilden eines ganzen Lebenszyklus eines Wertpapieres, von dessen Schaffung bis zu dessen Abwicklung auf einer Blockchain, können diese Transaktionen sicher, schnell und effizient durchgeführt werden.

Mit dem neuen Gesetz soll eine solche effiziente Abwicklung von Wertpapiertransaktionen möglich werden. Die Ausgabe von papierhaften Wertpapierurkunden soll nicht vollständig abgeschafft werden, ist aber nicht mehr zwingend vorgeschrieben. Bereits bestehende physische Wertpapierurkunden können digitalisiert werden.

„Kryptowertpapiere“ vs. „elektronische Wertpapiere“

Interessant und praktisch relevant ist der im Gesetzesentwurf angelegte Unterschied zwischen „Kryptowertpapieren“ und „elektronischen Wertpapieren“. Der Unterschied zwischen diesen beiden digitalen Wertpapieren liegt in dem verwendeten Register, in dem die Wertpapiere eingetragen werden. Während elektronische Wertpapiere in ein zentrales Wertpapierregister eingetragen werden müssen, das von einem als Zentralverwahrer (Central Securities Depository) zugelassenen Unternehmen geführt wird, werden Kryptowertpapiere in dezentral geführte Kryptowertpapierregister eingetragen.

Im Sinne des Anlegerschutzes, der Marktintegrität und der Transaktionssicherheit ist die Führung eines Krypto-Wertpapierregisters als Finanzdienstleistung im Sinne des Kreditwesengesetzes (KWG) konzipiert. Ein Unternehmen, das ein Kryptowertpapierregister führt, benötigt daher eine Lizenz nach dem Kreditwesengesetz. Es wird von der BaFin beaufsichtigt und unterliegt weiteren regulatorischen Anforderungen und Vorschriften.

Solche Kryptowertpapierregister sollen dabei von dafür zugelassenen Unternehmen geführt werden. Diese Unternehmen müssen dann sicherstellen, dass zu den im Register eingetragenen Kryptowertpapieren bestimmte Mindestangaben gespeichert werden. Insbesondere soll die Eintragung des wesentlichen Inhalts der Wertpapierrechte und eine Wertpapierkennnummer Angaben über den Emittenten und den Inhaber sowie eventuelle Verfügungshindernisse, Rechte Dritter sowie die Angabe, ob Einzel- oder Sammelverwahrung vorliegt, erforderlich sein.

Digitale Wertpapiere als Sachen

Daneben beabsichtigt der Gesetzentwurf, dass die digitalen Wertpapiere als Sachen im zivilrechtlichen Sinne gelten sollen. Dies ist eine bemerkenswerte Öffnung, denn vor dem Gesetzesentwurf wurden Sachen zumeist als körperliche Gegenstände definiert. Mit der Anwendbarkeit des Sachenrechts auf digitale Wertpapiere schafft der Gesetzgeber Transaktionssicherheit, indem er durch die Möglichkeit des Gutglaubenserwerbs sicherstellt, dass der im Register als Eigentümer eingetragene, auch wirksam über die Papiere verfügen kann. Derjenige, der ein Wertpapier also erwirbt, wird Eigentümer, ohne, dass er die Eigentumsstellung des Veräußerers überprüfen muss. Er darf also darauf vertrauen, dass derjenige, der im digitalen Register eingetragen ist, ihm das Wertpapier wirksam übertragen kann.

Darüber hinaus könnte der Gesetzesentwurf auch zu einem Aufschwung von Security Token Offerings führen, da digitale Wertpapiere keine externen Dienstleister für Verwahrung und Handel benötigen, Transaktionen nahezu in Echtzeit abgewickelt werden können und Unternehmen die Kosten klassischer Börsengänge vermeiden könnten.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass der Gesetzesentwurf einen Quantensprung für den Kapitalmarkt bedeuten könnte. Obwohl sich der vorliegende Entwurf auf Anleihen beschränkt, lässt der generisch formulierte Gesetzentwurf erwarten, dass auch für andere Vermögenswerte weitere Regelungen zu erwarten sind. Dieser digitale Schub in der Entwicklung eines modernen Kapitalmarktrechts wird zu Effizienzgewinnen und Kostensenkungen für alle Marktteilnehmer führen.

Autoren

Professor Dr. Philipp Sandner ist Leiter des Frankfurt School Blockchain Center (FSBC) an der Frankfurt School of Finance & Management. Zu seinen Themengebieten gehören Blockchain-Technologie, Krypto-Assets, Distributed Ledger-Technologie (DLT), Euro-on-Ledger, Security Token (STOs), Digital Transformation und Entrepreneurship.

Dr. Johannes Blassl arbeitet als Rechtsanwalt in Frankfurt am Main im Bereich Bank- und Kapitalmarktrecht. Er berät dort Unternehmen und Banken unter anderem beim Einsatz der Blockchain-Technologie im Finanzbereich. Neben seiner anwaltlichen Tätigkeit ist er Lehrbeauftragter an der EBS Law School in Wiesbaden sowie an den Hochschulen Fulda und Mainz.

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