Bitcoin und die Schweiz (3): Schweizer Bankkonto in der Hosentasche

Bitcoin und die Schweiz Teil 3: Schweizer Bankkonto in der Hosentasche. Ein Gastbeitrag von Pascal Hügli.

Pascal Hügli
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Schweizer Bankkonto für die Hosentasche

Beitragsbild: Shutterstock

Wie im zweiten Teil dargestellt, kämpft Bitcoin an vielen Fronten – in gewisser Weise auch gegen die Banken. Letztere haben heute einen schweren Stand. Veraltete Systeme, neue Technologien, politische Vorstösse und auch die Negativzinsen machen ihnen das Leben schwer. Seit ihrer Einführung durch die SNB Anfang 2015 haben Schweizer Banken bis 2018 6,3 Milliarden Franken an die Nationalbank bezahlt. Dieses Jahr sollen nochmals geschätzte 2,2 Milliarden Schweizer Franken an den Zentralwährungshüter fließen.

Negativzinsen im globalen Finanzsystem

Auch in anderen Teilen der Welt – Japan, Deutschland oder dem übrigen Euroraum – sehen sich Anleger mit Negativzinsen konfrontiert. Insgesamt 17 Billionen US-Dollar an negativ rentierenden Schuldpapieren existieren mittlerweile. Ob die Zinstiefstände erreicht sind, ist gegenwärtig schwierig abzuschätzen. Immerhin befinden wir uns an einer psychologisch entscheidenden Schwelle. Was aufgrund gestiegener Gebührenlast real schon seit geraumer Zeit der Fall ist, fürchten mehr und mehr Menschen: eine Verringerung ihrer Ersparnisse durch von der Hausbank erlassene Negativzinsen. Solche könnten eine Substitution in Bargeld in größerem Umfang auslösen, die von Wirtschaftsraum zu Wirtschaftsraum verschieden ausfallen würde. So dürfte die Schweizer Nationalbank bei den Negativzinsen noch immer mehr Spielraum haben, weil die SNB eine bessere Kontrolle über das überschaubare Schweizer Finanzsystem hat als die EZB über den Euroraum. In der Not könnte die Schweizer Zentralbank die Banken eher an einen Tisch rufen und diese dazu veranlassen, Kunden den Bargeldbezug zu erschweren.

Höchste Zeit für Plan ₿

Zumal sich abzuzeichnen beginnt, dass Negativzinsen die neue Realität sind, überzeugt auch das Narrativ immer mehr, wonach Bitcoin ein möglicher Ausweg bietet. Höchste Zeit für Plan ₿, ist besonders in den verschiedenen Kanälen der sozialen Medien hin und wieder zu lesen. Ob ein einfaches Bitcoin-Investment oder eine zinsbringende Veranlagung anderer Krypto-Assets über sogenannte DeFi-Protokolle – die Möglichkeiten sind lukrativ und führen dazu, dass Kapital aus der traditionellen Welt abfließt.

Der gegenwärtige Zustand der Finanzwelt ist damit Wasser auf die Mühlen von Bitcoin und Krypto-Assets und könnte die Desinstitutionalisierung des Bankwesens beschleunigen. So sieht der Krypto-Enthusiast Andreas Antonopoulos Bitcoin als «Schweizer Bank für jedermanns Hosentasche». Banking würde immer mehr entbündelt, die Angebote immer häufiger nur noch durch Software und Algorithmen gesteuert. Sollte es der Krypto-Welt gelingen, den Banken die Zahlungsfunktion zu entziehen, dürften Menschen auch immer weniger Ersparnisse dort aufbewahren. Im Zeitalter der Negativzinsen entsprechen die Einlagenkonten der meisten Menschen ohnehin ihrem Sparkonto. Ohne über die Sparkonten und Ersparnisse der Menschen zu verfügen, sehen sich die Banken dann auch um ihre traditionelle Funktion als Kreditvermittler gebracht. Somit würden Banken auf eine ihrer historischen Funktionen zurückgestuft: die Lagerverwaltung – unter anderem auch für die Verwahrung privater Schlüssel von Krypto-Assets.

Software verschlingt heute die Welt, in etlichen Bereichen ist das heute offensichtlich und auch den Banken wird dieses Schicksal nicht erspart bleiben. Auf viele Menschen wirken diese Abstrahierung und Substituierung menschlicher Bezugspunkte befremdend, weshalb sie mit Vorbehalten oder gar Abneigung reagieren. Die Bewegung rund um Bitcoin wird in dieser Hinsicht oftmals falsch verstanden. So fußt Bitcoin technologisch auf dem Grundsatz der Vertrauensminimierung. In erster Linie geht es darum, das Element der menschlichen Fehlerhaftigkeit, aber auch die menschliche Anfälligkeit für Manipulation und Machtbegierde zu minimieren. Insofern sollen auf der Ebene der Software und Technik die Angriffsflächen bestmöglich geschmälert werden.

Vom Sicherheitsvorteil zum Risiko

Natürlich kann dies nicht bis auf das Grundlagenprotokoll gelingen. Der Bitcoin baut auf Mathematik, Kryptografie und Anreizen. Er ist und bleibt ein von Menschenhand geschaffenes Konstrukt, das Vertrauensbeziehungen nicht gänzlich eliminieren, sondern eben nur minimieren kann. Hierin liegt denn auch einer der größten Kritikpunkte am Krypto-Asset: Die Vertrauensminimierung widerspricht dem menschlichen Wesen, das seit Anbeginn seiner Geschichte gegenseitige Vertrauensstrukturen zu stärken und skalieren versucht –  und das mit ziemlichem Erfolg, wie einem die historische Sicht über die letzten Jahrtausende nahelegt.

Dass mit Bitcoin die eigene Selbstsouveränität potenziert werden kann, ist eine löbliche und erstrebenswerte Sache, für die man stets Partei ergreifen sollte. Wer heute ein Stück weit selbstsouveräner leben möchte, hat mit Bitcoin zumindest die Möglichkeit und Hoffnung, diesen Wunsch verwirklichen zu können. Doch dürfte das Gros der Menschen diese Selbstsouveränität weniger als Befreiung, sondern vielmehr als Belastung wahrnehmen. Freiheit bedingt nun einmal die Bürde der Verantwortung, die viele Menschen aus Respekt und Bequemlichkeit nicht tragen wollen.

Solches spricht letztlich für Institutionen wie Banken oder Unternehmen und dass diese ihre Existenzberechtigung niemals vollständig einbüßen werden. Selbst wenn acht von zehn Menschen die Handhabung ihrer privaten Zugangsschlüssel an Intermediäre delegierten, eine Zukunft mit Bitcoin und Krypto-Assets dürfte aus Sicht der Kontrolle besser sein. Heute kann man den Banken nicht mit der «physischen» Auslieferung aller Depotwerte drohen, wenn einem die Finanzwelt insgesamt zu vertrauensunwürdig erscheint. Allein die Option auf Selbstverwaltung ist schon viel wert.

Noch stehen wir ganz am Anfang. Doch ist die entstehende Bitcoin-Welt prädestiniert dafür, als permanentes Damoklesschwert zu wirken, das traditionelle Institutionen in Zukunft immer stärker in Schach halten wird. So dürften vielleicht selbst einmal Schweizer froh sein, dass es neben einer auf einem dezentralen und politisch stabilen Unterbau basierenden nationalen Währung eine dezentrale, globale und politisch unabhängige Weltwährung gibt. Dann nämlich, wenn sich der rechtlich-institutionell-politische Unterbau eines Tages nicht mehr als Feature, sondern als Bug entpuppen sollte. Unsere modernen Gesellschaften mitsamt ihren Wirtschafts- und Politikstrukturen hängen nämlich stärker an den Geldschöpfung, als wir es ahnen dürften.

Über den Autor

Zum Autor: Pascal Hügli ist Journalist der financialmedia AG in Zürich. Seit Jahren beschäftigt er sich intensiv mit dem Thema Bitcoin, Blockchain und Krypto und tritt auch als Moderator und Redner auf. Viele seiner grundlegenden Gedanken zur Thematik finden sich im kürzlich erschienen Krypto-Buch «Ignorieren auf eigene Gefahr – die neue dezentrale Welt von Bitcoin und Blockchain».

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