Die Zukunft des Geldes  Wertloses Geld oder geldlose Werte?

Hält der Siegeszug der Tokenisierung an und können Kryptowährungen wie Bitcoin tatsächlich Fiatgeld langfristig ersetzen? Im finalen Teil unserer Artikelserie „Die Zukunft des Geldes“ gibt Gastautor Pascal Hügli einen Ausblick auf die kommenden Entwicklungen verschiedener Währungstypen.

Pascal Hügli
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Beitragsbild: Shutterstock

Der folgende Artikel ist ein Gastbeitrag – BTC-ECHO übernimmt keine Haftung für die Inhalte. Trotz gewissenhafter Prüfung kann keine Garantie für die dargestellten Ausführungen gegeben werden.

Während es im ersten Teil dieser Artikelserie um die Kappung des Goldankers und den damit losgetretenen Entwertungskampf zwischen nationalen Währungen ging, wurde im zweiten Teil auf die neue Ära des (privaten) Geldwettbewerbs und dessen Auswirkungen auf staatliche Geldmonopole eingegangen. Im dritten Teil dieser Artikelserie wurden auf verschiedene Basisgelder der Zukunft eingegangen. Dabei wurden Vor- und Nachteile der einzelnen Geldkonzeptionen diskutiert.

Eine nächste Finanzkrise ist denn auch ein gutes Stichwort. So scheint es immer mehr zum Volkssport zu werden, die nächste große Krise herbeizureden. Pessimistische Worte von Crashpropheten sind heute im Mainstream angekommen.

Ein nüchterner, wenn auch etwas vereinfachender Blick auf die heutige Situation an den Finanzmärkten lässt einen verstehen, weshalb kritische Stimmen immer mehr Gehör finden. Geschäftsbanken sind permanent auf neue Reserven in Form von Liquiditätsspritzen durch Zentralbanken angewiesen. Negativzinsen bei Finanzprodukten häufen sich und breiten sich über das Finanzwesen aus. Die globale Überschuldung gemessen am weltweiten Bruttoinlandsprodukt erzielt auch immer neue Höchststände. Eine zunehmende Anzahl von Menschen – auch Finanzexperten – fragt sich deshalb: Quo vadis Finanzsystem?

Eine an Popularität gewinnende Ansicht ist jene, Staatsschulden, die am Ursprung der ganzen Finanzmarktverschuldung stehen dürften, für irrelevant zu erklären. In dieses Horn blasen insbesondere Vertreter der „Modern Monetary Theory“ oder MMT. Diese überhaupt nicht moderne, sondern eigentlich schon sehr alte Theorie hält es für gegeben, dass der Staat keine Gläubiger braucht, da er sich beliebig Mittel in der eigenen Währung schaffen könne. Als monetärer Souverän sei der Staat deswegen auch nicht darauf angewiesen, auf dem Markt Kredite in der Form von Staatsanleihen aufzunehmen. Das Geld solle er sich über die ihm einverleibte Zentralbank gleich selbst schöpfen.

Einen besonnenen Polit-Beobachter scheint es kaum zu verwundern, dass MMT politischen Zuwachs erfährt. Vor allem zwei Gründe sprechen dafür: MMT entspricht einem Blankoscheck für allerlei politische Projekte wie „Arbeitsplätze“, „Bildung“ oder „Klimaschutz“. Finanziellen Mitteln für politische „Notwendigkeiten“ können heute immer weniger Menschen widerstehen, immerhin soll damit doch letztlich die Gesellschaft bereichert werden.

Der andere Grund ergibt sich vor allem aus einem Gerechtigkeitsargument. Heute würden sich vor allem Banker und Finanzpiraten an der Finanzierung des Staats bereichern, so der Tenor. Die ungleich langen Spieße bei Finanzgeschäften würden einige wenige immer reicher machen und das auf Kosten der Masse. Dass MMT den ganzen Finanzzirkus rundum Zinsen und Staatsanleihen beenden will, indem sie den Geschäftsbanken die Möglichkeit zur Geldschöpfung entreißt, stößt daher auf Anklang.

Würde die MMT gemäß ihren Befürwortern umgesetzt, würde Fiatgeld seinem eigentlichen Namen nach endlich alle Ehre machen und werden, wofür es heute schon gehalten wird: reines Zeichengeld. Als solches wäre es dann tatsächlich noch mehr von Vertrauen abhängiges Geld, als es heute schon ist. In Zeiten der viralen Memes und Narrative, in der Vertrauen schnell kippen kann, ist das eigentlich kein gutes Omen.

Inflation: Konstante der Menschheitsgeschichte

Ob es so weit kommen wird, kann wiederum bloß die Zeit zeigen. Sicher ist, dass die Staaten einen Weg aus der Verschuldung finden müssen und wenn es „bloß“ die altbekannte Weginflationierung des Schuldenbergs sein wird. In einem „Race to the bottom“, einem allgemeinen Entwertungskampf, dürften sich Zentralbanken dann gegenseitig darin duellieren, wer seine nationale Währung am wenigsten schnell entwertet. Frei nach dem Motto: Unter den Blinden ist der Einäugige König. Am Ende jedoch verlieren wir alle.

Wenn auch Inflation einer Währung eines der komplexesten, nichtlinearen Phänomene der Ökonomik ist und oftmals zu schwarz-weiß dargestellt wird, dürfte sich bei kontinuierlicher Geldschöpfung durch Zentralbanken folgender Eindruck in den Köpfen der Menschen verfestigen: Fiatgeld ist zwar preisstabil, dafür immer wertloser. Als Folge dürfte die Flucht in die Realwerte anhalten. Aktien von Apple oder Amazon sowie Immobilien widerfährt heute schon eine monetäre Nachfrage. Anleger entdecken die Geldfunktionen dieser Anlagen – im Fall von Apple- oder Amazon-Aktien insbesondere deren hohe Liquidität – und verwenden sie dazu, ihr Kapital zu parken. Das treibt die Preise dieser Anlagegüter weiter in die Höhe. Als Sachwerte stellen sie gewissermaßen das Gegenteil von Zeichengeld dar. Die Beliebtheit der Sachwerte könnte in den kommenden Jahren demnach zunehmen, vor allem dann, wenn sich Fiatgelder im Zuge der MMT-Umgestaltung zu tatsächlichen Zeichengeldern wandeln.

Digitale Konventionalgelder

Verlieren staatliche Währungen an Kaufkraft – oftmals auch im Zusammenhang mit wirtschaftlichen Verwerfungen – gewinnen Tauschkreise und Regiogelder an Relevanz. Dank der Blockchain-Technologie könnten Gelder über digitale Gemeinschaften hinweg bedeutsamer werden. Ähnlich wie sich heute schon im Bereich der digitalen Kommunikation Gleichgesinnte in Filterblasen zusammenfinden, könnten digitale Konventionalgelder auf Blockchainbasis zu gegenseitigen Tauschkreisen führen.

Tauschkreise und Konventionalgelder haben ihre ökonomischen Grenzen. Diese dürften auch mit technologischem Fortschritt nicht gänzlich überwunden werden. Gleichwohl ist realistisch, dass solche als Nische vermehrt zu beobachten sein werden. Immerhin zeigt die digitale Welt denn auch, dass sich der Longtail effektiv und gewinnbringend bewirtschaften lässt. In der Welt des digitalen Krypto-Geldes dürfte das nicht anders sein.

Breitflächige Tauschkreise sind auch immer an der ökonomischen Realität, das heißt an der Ineffizienz des Tauschhandels mit wenig absatzfähigen Gütern oder auch Geldern gescheitert. Während etliche physische Friktionspunkte gewöhnlichen Tauschhandels durch digitale Tokengelder wegfallen, bleibt doch die Herausforderung, Absatzfähigkeit und damit Liquidität zu erlangen. Geld ist eben per definitionem das absatzfähigste Gut.

Mit der fortschreitenden Technologisierung stellen sich Ökonomen denn auch tatsächlich die Frage: Könnten technologische Entwicklungen Geld im alltäglichen Gebrauch gar überflüssig machen?

Computer werden nicht nur immer schneller, sie können auch immer besser miteinander kommunizieren. Elektronischer Hochfrequenz-Transfer schafft die Voraussetzungen dafür, dass nicht Geld, sondern Aktien und Anteile anderer Formen marktgängiger Vermögenswerte vom Käufer auf den Verkäufer übertragen werden. Auf diese Weise kann vermieden werden, Teile des Vermögens in Geld zu halten, das keinerlei Zinsen abwirft oder noch schlimmer kontinuierlich entwertet wird.

Einer der Schlüssel zu einer solchen Entwicklung ist letztlich die Fähigkeit von Computern, in Echtzeit zu kommunizieren, um eine sofortige Überprüfung der Kreditwürdigkeit des jeweiligen Käufers und Verkäufers zu ermöglichen, sodass eine Abwicklung mit Endgültigkeit erfolgen kann.

Uberisierung des Welthandels

Ein anderes Schlüsselelement könnte die Tokenisierung aller Arten physischer Sachgüter und deren Ablegung auf der Blockchain sein. Als solche macht diese die Güter zumindest technisch leichter handelbar. Sind die Vermögenswerte auf derselben Blockchain tokenisiert, ist die Standardisierung ebenfalls gegeben.

Mögliche Märkte für den Tausch tokenisierter Güter würden zudem durch Künstliche Intelligenz befördert. So lassen sich unter Einbezug Künstlicher Intelligenz große Datensätze viel schneller analysieren. Endnutzer hätten dabei kaum Kosten, das unendliche Universum tokenisierter Güter nach vorteilhaften Tauschgeschäften zu durchsuchen.

Tokenisierte Vermögenswerte könnten zu Tauschketten zusammengefasst werden, die aus vielen verschiedenen Handelspaaren bestehen. Ist jedes einzelne Tauschpaar eine atomische Transaktion – was bei der Abwicklung über eine Blockchain der Fall sein dürfte – ergeben Tauschreihen einen Sinn. In diesem Fall laufen Transaktionen automatisch ab. Anders bei sogenannten Zug-um-Zug-Geschäften, wo stets das Risiko besteht, dass eine Reihe plötzlich abbricht.

In letzter Konsequenz würde dadurch das seit Urzeiten bekannte Bartergeschäft seine Ineffizienz verlieren. Waren könnten über sogenannte „Location swaps“ transportiert werden, ohne dass sie tatsächlich bewegt werden müssten – es würden lediglich Ansprüche auf einen entsprechenden Vermögenswert getauscht. Auf diese Weise wird mehr mit weniger erreicht. Diese Entwicklung ist letztlich wiederum eine Reaktion auf die im ersten Teil erwähnte Ineffizienz, welche durch die gegenwärtige Existenz verschiedener staatlicher Währungen für den globalen Handel geschaffen worden ist.

Die Folge könnte als die Uberisierung des internationalen Handels eintreten: So wie Uber keine Autos besitzen muss, um Menschen zu transportieren, ermöglicht das geschickte Tokenisieren von Vermögenswerten den Transport von Aktien, aber auch realen Sachgütern, ohne sie physisch zu bewegen. Unternehmen über Ländergrenzen hinweg tauschen lediglich tokenisierte Ansprüche unterschiedlicher Güter. Die Nachfrage nach Devisen in Fremdwährungen würde dadurch abnehmen.

Würden wir uns also jemals in einer Welt bewegen, in der wir Sachen kaufen und verkaufen, indem wir Vermögenswerte im Zuge eines digitalen, hocheffizienten Bartergeschäfts tauschen, würde Geld in seiner Funktion als indirektes Tauschmittel zurückgedrängt. Auf die Geldpolitik heutiger Zentralbanken hätte das signifikante Auswirkungen. Der Funktion von Geld als Recheneinheit dürfte das kaum Abbruch tun, müssten auch Sachwerte jeglicher Art bepreist werden. Genauso wenig dürfte die Wertaufbewahrungsfunktion des Geldes entfallen, insbesondere dann nicht, wenn sich das Geld aufgrund seiner Eigenschaften zu horten lohnt.

Wie also sieht die Zukunft aus?

In dieser vierteiligen Artikelserie haben wir zuerst die Vergangenheit beleuchtet, um Dynamiken der Gegenwart zu erfassen, die sich künftig fortsetzen dürften. Ausschlaggebend war die Kappung des Goldankers 1971 – das definitive Ende des Goldstandards bedeutete zugleich den Anfang des Fiatgeldstandards.

Damit wurde ein Abwertungskampf der nationalen Währungen losgetreten. Nationale Währungen wurden verstärkt zum Spielball wirtschaftspolitischer und gesellschaftspolitischer Kraftmeiereien. Die Finanz- und darauffolgende Staatsschuldenkrise erschütterte die weltweite Finanzordnung – Politiker, Funktionäre und Technokraten einigten sich in der Folge darauf, die interventionistischen Stellschrauben anzuziehen. Das Resultat: mehr billiges Fiatgeld und stärkere finanzielle Repression.

Mit der Finanzkrise erblickte zugleich auch Bitcoin das Licht dieser Welt. Eine neue Ära des privaten Geldwettbewerbs wurde eingeleitet. Als Meta-Idee hat sich Bitcoin innerhalb nur einer Dekade fortgepflanzt und vielerorts die Debatte über Geld, dessen Wesen und dessen Stellung in der Gesellschaft neu angestoßen. Private Konzerne, Konsortien sowie Zentralbanken haben diesen Ball aufgenommen und tüfteln heute an ihren eigenen neuen Digitalwährungen.

Sicher ist: Zentralwährungshüter werden ihr Geldmonopol nicht kampflos aufgeben. Doch dürfte der Wettstreit mit privaten Konzernwährungen oder dezentralen Kryptowährungen nur noch weiter anheizen. Der Wettstreit um das bessere Geld ist definitiv lanciert. Wer sich durchsetzen wird, ist aktuell schwierig abzuschätzen. Sinnvoll ist es daher, stets einen offenen Geist zu pflegen, neue Entwicklungen aufmerksam zu verfolgen und die eigenen Werte über die verschiedenen Optionen bestmöglich zu streuen. Nur so verhindert man den persönlichen monetären Super-GAU.

Über den Autor

Pascal Hügli ist Chief Research Officer bei Schlossberg&Co, einem Schweizer Asset Manager mit Fokus auf digitale Assets.

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