Fast Fashion ade Mode aus dem Metaverse gegen die Wegwerfkultur?

Digitale Kleidung ist im Metaverse-Zeitgeist gefragter denn je. Wir trafen Marjorie Hernandez, Mitgründerin des Mode-Start-ups The Dematerialised, und sprechen über das Metaverse, Frauen in der Krypto-Szene und das größte Problem der traditionellen Modeindustrie: Konsumrausch.

Marlen Kremer
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Marjorie Hernandez

Beitragsbild: LUKSO/DMAT

| Nachdem sie das digitale Mode-Start-up DMAT gegründet hatte, verabschiedete sich Marjorie Hernandez von all ihren Kleidungsstücken, die in die Kategorie der Fast Fashion fielen

Es ist ein stürmischer Tag, als wir uns auf den Weg zu Marjorie Hernandez machen. Die Gegend um die Berliner Köpenicker Chaussee ist gezeichnet von ihrer Vergangenheit als Industrie- und Gewerbegebiet, beherbergt mittlerweile jedoch Künstlerstudios und Start-ups – so auch die junge Mode-Firma von Hernandez, deren Büros die Gründerin inmitten eines hochmodernen Neubaus gebettet hat.

Am Eingang begrüßt uns Martyna Mostowska, Director of Operations bei dem Blockchain-Projekt Lukso, welches ebenfalls von Hernandez und ihrem Ehemann, dem einstigen Ethe­reum-Entwickler Fabian Vogelsteller, ins Leben gerufen wurde. Beide Start-ups teilen sich die Räumlichkeiten des Großraumbüros, dessen wenige Einzelbüros durch Glas vom Rest getrennt sind: gelebte Transparenz, so wie sich das 2022 gehört. Innen treffen riesige Pflanzen auf eine gewollt minimalistische Einrichtung: ein Kontrast, der ohne Frage gewollt ist. Und einer, der sich auch durch die Arbeit Hernandez’ zieht.

Denn hier wird versucht, Krypto- und Modegeschichte gleichzeitig zu schreiben, alte Strukturen eines Traditionsgewerbes aufzubrechen und in die digitale Ära von Web3 und Metaverse zu hieven – alles mit Blick auf die Spree. In einem gesonderten Meeting-Raum treffen wir dann Hernandez, die ihre Haare locker zurückgebunden trägt und sich geschmackvoll, aber dezent kleidet. Mit einem Kaffee in der Hand und einem Lächeln im Gesicht, heißt sie uns willkommen. Die Ästhetik der Räumlichkeiten überrascht nicht: Hernandez hat ursprünglich Architektur studiert, bevor sie sich zu einer der einflussreichsten Persönlichkeiten im Krypto-Space entwickelte. Statt physischer Gebäude baut Hernandez nun digitale Mode-Luftschlösser für das Metaverse und arbeitet mit namhaften Marken wie etwa dem Modehaus Karl Lagerfeld zusammen.

Von Handarbeit zu digital

Die Modebranche hat sich jedoch mit Innovationen wie digitaler Kleidung nicht immer leichtgetan. “Ich denke, die Mode­industrie ist paradox, weil sie zwei entgegengesetzte Pole hat”, erklärt Hernandez gegenüber BTC-ECHO. “Der eine Pol versucht, Innovation zu demonstrieren, avantgardistisch und kreativ zu sein und sich ständig zu verändern, während sich auf der anderen Seite die Dinge nicht verändern, sondern gleich bleiben und ein ziemlich traditionelles Geschäft sind. Auch in Bezug darauf, woher die Talente kommen und wo die Macht liegt, ist die Branche in vielerlei Hinsicht sehr altmodisch”, so die Gründerin weiter.

Designerin Stephy Fung trägt “RenaiXance”. Das Kleid ist ausschließlich in digitaler Form verfügbar. Quelle: DMAT

Dass sich inzwischen das New Yorker Who’s who auf der Fashion Week für digitale Mode interessiert, spiegelt sich auch im Metaverse-Hype der letzten Monate wider. Weltberühmte Marken wie Adidas oder Gucci verkünden am laufenden Band Partnerschaften mit Plattformen wie The Sandbox oder Decentraland, mit denen die Modeklassiker in die virtuelle Welt übertragen werden sollen.

Das Metaverse spielt sich jedoch nicht komplett virtuell ab, sondern findet auch einen Weg in unser echtes Leben, erklärt Hernandez: “Meiner Meinung nach ist das Metaverse eine Weiterentwicklung des Internets, das nicht mehr durch zweidimensionale Schnittstellen eingeschränkt ist. Es ist also ein Punkt, an dem die Erfahrung des Internets wirklich dreidimensional wird, nicht nur in dem Sinne, dass man ein VR-Headset aufsetzt und eine wahrgenommene dreidimensionale, eine räumliche Erfahrung hat, sondern auch im Hinblick darauf, dass diese Erfahrung in die reale Welt wandert – in diese Realität.”

Dabei nutzt DMAT die technische Infrastruktur der Kreativ-Blockchain Lukso, sogenannte Universal Profiles. Diese sollen es ermöglichen, beispielsweise NFT-Schuhe Blockchain-übergreifend auf verschiedenen Plattformen abrufen und nutzen zu können. Derweil veröffentlicht das junge Start-up komplett digitale NFTs, die man über einen Snapchat-Filter tragen kann, aber auch sogenannte phygitale Produkte, die nicht nur virtuell, sondern auch im echten Leben tragbar sind.

Ganz ausgereift sei die technische Umsetzung mit Snapchat-Filtern jedoch noch nicht. “Da Snapchat nicht mit Smart Contracts kommuniziert, haben wir keine Möglichkeit, den Zugriff auf den Filter auf der Grundlage einer Authentifizierung zu ermöglichen. Wir öffnen also einfach den Filter”, sagt Hernandez. Die Gründerin glaubt jedoch, dass auch Plattformen wie Snapchat anfangen werden, Smart Contracts zu integrieren, und die jeweiligen Filter dann durch eine entsprechende Authentifizierung freigeschaltet werden können. “Das ist das Problem: Wir befinden uns gerade in den Anfangsschwierigkeiten zwischen Web 2.0 und Web 3.0”, so die Gründerin. Und: “Wir leben in zwei Welten gleichzeitig.”

Podcast

Friede, Freude, Metaverse?

Die neue Welt berge jedoch auch einige Gefahren. Hernandez operiert mit ihrem Unternehmen im Metaverse – ein polarisierender Sektor, für den noch nicht ganz klar ist, ob es wirklich die Nutzer:innen sein werden, die davon profitieren, oder ob es doch nur ein Ebenbild der aktuellen Plattformökonomie darstellt, so wie wir es aktuell von Meta und Co. kennen. Weil Mark Zuckerberg jedoch die Infrastruktur und Ressourcen besitzt, eine solche virtuelle Parallelwelt zu zaubern, sieht die DMAT-Chefin einige Stolperfallen: “Es ist tatsächlich gefährlich, in einer 100-prozentigen digitalen Umgebung zu agieren, die sich im Besitz einer einzigen Einheit befindet. Es ist so, dass es eine einzige Schwachstelle gibt. Wenn etwas schiefgeht, ist unsere gesamte digitale Existenz wie ausgelöscht”, erklärt Hernandez gegenüber BTC-ECHO.

“In einer zu 100 Prozent digitalen Umgebung, in der dein Lebensunterhalt, die Art und Weise, wie du Geld verdienst, möglicherweise mit dieser digitalen Identität zusammenhängt, existierst du einfach nicht mehr, wenn jemand die Möglichkeit hat, sie dir wegzunehmen. Und das ist das Verrückte daran. Ich glaube, die Leute sind sich nicht bewusst, wie dramatisch das ist.”

Ein Raum voller Männer

“Ich glaube, als ich anfing, zu Blockchain- und Bitcoin-Treffen zu gehen, war ich die längste Zeit die einzige Frau im Raum. Und auf einmal fingen alle an, Geld zu verdienen. Und ich dachte: Und es gibt immer noch keine Frauen in diesem Raum”, sagt Hernandez. Mit DMAT solle deshalb vor allem auch die weibliche Zielgruppe angesprochen werden, um mit Ästhetik und eigentlichen Use Cases auch Frauen für die Krypto-Welt zu begeistern.
Warum die Szene von Bitcoin und Co. noch immer von Männern dominiert wird, sei nicht einfach zu erklären. “Ich weiß nicht, ob es an der Art liegt, wie wir erzogen wurden”, meint die Gründerin. “Ich denke, es gibt viele Faktoren, die dabei eine Rolle spielen. Es ist ein größeres Thema, aber wir trauen uns einfach nicht. Wir trauen uns aber zu denken. Frauen sind Denkerinnen. Sie sind sehr intellektuell.”

Zudem reflektiert Hernandez, warum das weibliche Interesse an der Krypto-Thematik vor allem anfangs ausblieb: “Ich frage mich nur, wenn diese Produkte ursprünglich etwas anderes gewesen wären, wenn es statt CryptoKitties etwas gewesen wäre, das sich zumindest intelligenter angefühlt hätte, wenn es ästhetisch ansprechender gewesen wäre oder etwas, das nicht so albern klingt wie CryptoKitties, dann glaube ich, dass sich mehr Frauen darauf eingelassen hätten.” Letztendlich möchte das Berliner Start-up nicht nur mit der teilweise alteingesessenen Modeindustrie aufräumen, sondern auch mit dem Narrativ rund um Frauen im Krypto-Sektor. “Das Ethos von DMAT besteht darin, dass wir den Leuten Zugang zu einem Markt verschaffen, zu dem sie sonst keinen Zugang hätten”, erklärt Hernandez. “Wir gehen einfach einen Schritt zurück zum Verbraucher und müssen ihm etwas bieten, das Spaß macht. Niemand wacht auf und denkt: ‘Mein Gott, mein Tag wird wieder so zentralisiert sein. Das halte ich nicht aus.’ Das ist noch nichts, worüber wir uns Gedanken machen. Aber wir haben ein Verlangen nach schönen Dingen, nach Spaß und Erfahrung.”

Metaverse Fashion für Nachhaltigkeit in der Modeindustrie

“Wir hatten ein sehr erfolgreiches erstes Jahr. Das erste Jahr war einfach eine sehr klare Demonstration der Zukunft”, so Hernandez im Gespräch. Wie die Zukunft genau aussieht, kann wohl niemand prophezeien. Im Gespräch merken wir jedoch auch, dass Hernandez nicht nur ein Auge für schöne Designs hat, sondern auch für nachhaltige Lösungen. “Seit ich DMAT gegründet habe, versuche ich, bewusster mit meinem Modekonsum umzugehen”, sagt die Gründerin. So verrät sie uns, dass sie all ihre Fast-Fashion-Kleidungsstücke aussortiert habe.

Das “Magic Pleats”-Kleid des britischen Boutique-Labels ROBERTS | WOOD ist als NFT und physisches Kleidungsstück verfügbar. Quelle: DMAT

Durch Fast Fashion à la Primark, H&M und Zara hat sich ein großer Teil der Modeindustrie zu einer Art Abfallgesellschaft verwandelt, mit Preisen, die längst entkoppelt vom tatsächlichen “Wert” der Mode zu sein scheinen. Das World Economic Forum (WEF) schreibt dazu in einem Bericht von 2020, dass sich die Kleiderproduktion in den letzten 20 Jahren verdoppelt habe und dass “jede Sekunde das Äquivalent eines Müllwagens voller Kleidung verbrannt oder auf einer Mülldeponie entsorgt wird”. Außerdem sei die Modeindustrie für zehn Prozent der von Menschen generierten Treibhausgase verantwortlich – mehr als alle internationalen Flüge und der Schiffsverkehr zusammen.

Ein Problem, welches mit digitaler Mode ein Stück weit behoben werden könnte, findet auch Hernandez: “Mein Vater ist Wirtschaftswissenschaftler, er hat mir immer gesagt: Irgendjemand zahlt. Wenn etwas billig ist, bezahlt jemand dafür”, sagt sie. “Ich denke, hier kommt die digitale Mode ins Spiel: Man will spielen, man will Spaß haben, man muss nicht die glitzernden Leggings für fünf Euro kaufen, die man nur einmal tragen wird”, meint sie. “Die Lust, Neues auszuprobieren und zu entdecken, kann auf unterschiedliche Weise befriedigt werden.” So können wir also unsere Lieblingskleidung, die wir wirklich tragen, auch behalten und uns die exotischen Teile für die virtuelle Welt aufheben. “Auf jeden Fall wird die digitale Mode der Ort sein, an dem wir diese Lust am Experimentieren und Spaßhaben befriedigen können”, sagt Hernandez überzeugt.

Mit unseren mittlerweile leeren Kaffeetassen verabschieden wir uns wieder aus dieser kreativen Oase. Für Hernandez geht es direkt weiter: Wenig später spricht sie auf einer Konferenz über digitale Mode.

Disclaimer: Dieser Beitrag erschien bereits in der Maiausgabe des BTC-ECHO Magazins. Hier entlang geht’s zum Shop.

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