Illegales Krypto-Mining sorgt im Iran für Energieengpässe, Brände – und einen volkswirtschaftlichen Schaden in Milliardenhöhe. Über eine Million Mining-Geräte sollen mit subventioniertem Strom betrieben werden. Dabei geht es längst nicht mehr nur ums Geld – sondern auch um Geopolitik.
Stromkrise durch Bitcoin-Mining
Iranische Behörden schlagen Alarm: Der heimische Krypto-Mining-Sektor soll bis zu 20 Prozent des Stromdefizits im Land verursachen – bei einem Stromverbrauch von über 2.000 Megawatt (MW). Das entspricht in etwa der Leistung von zwei Atomreaktoren. Laut dem staatlichen Energieversorger Tavanir ist dies nicht nur ein Infrastrukturproblem, sondern ein handfester wirtschaftlicher Skandal.
“Der Betrieb dieser Geräte belastet unser Netz massiv – besonders während der Sommermonate mit Rekordverbrauch durch Klimaanlagen und Industrie”, erklärte Mohammad Allahdad, Leiter für Stromerzeugung bei Tavanir.
12-Tage-Krieg offenbart das Ausmaß
Ein Vorfall macht die Dimension jüngst deutlich: Während eines 12-tägigen Internetausfalls im Zuge des Konflikts mit Israel sank der Stromverbrauch im Iran plötzlich um 2.400 MW. Genau dieser Betrag wird den illegal betriebenen Mining-Geräten zugerechnet – über eine Million Stück sollen aktiv sein, schätzen Behörden.
Laut Tavanir entspricht dieser plötzliche Rückgang rund 3,5 Prozent der gesamten Stromerzeugungskapazität des Landes – oder 15 Prozent des aktuellen Stromdefizits. Währenddessen blieben viele Geräte dank Satelliteninternet wie Starlink offenbar trotzdem aktiv.
Drei Milliarden US-Dollar Schaden jährlich
Laut dem iranischen Wirtschaftsministerium entstehen durch Stromdiebstahl im Mining-Sektor jährliche Verluste von bis zu drei Milliarden US-Dollar. Viele Betreiber umgehen die offiziellen Industrietarife, indem sie subventionierten Haushalts- oder Gewerbestrom nutzen. Das führt nicht nur zu Netzinstabilität, sondern untergräbt auch die wirtschaftliche Verteilungsgerechtigkeit.
Jedes Mining-Gerät verbraucht im Schnitt 3,5 kW rund um die Uhr – das entspricht dem Verbrauch mehrerer Haushalte und summiert sich bei über einer Million Mining-Rigs zu einer massiven Last für die Energieinfrastruktur.
Moscheen, Schulen, Militär – Mining in der Schattenwirtschaft
Immer wieder tauchen Berichte über Mining-Aktivitäten in Moscheen, Schulen und Regierungsgebäuden auf – also Einrichtungen mit stark subventioniertem oder gar kostenlosem Stromzugang.
Laut Berichten von oppositionellen Quellen wie dem National Council of Resistance of Iran gelten auch staatliche Einrichtungen – etwa die Islamische Revolutionsgarde (IRGC) – als Akteure im Mining-Sektor. Belegt ist: Der Großteil der Anlagen operiert illegal, um Gewinne zu maximieren und dem Verkaufszwang an die Zentralbank zu entgehen, der für lizenzierte Miner gilt.
Brände, Blackouts und Bürgerbeteiligung
Die Stromnetzüberlastung bleibt nicht folgenlos: Immer wieder kommt es zu Spannungseinbrüchen, Geräteschäden und Bränden, die auf überhitzte Mining-Rigs zurückgeführt werden. Laut Feuerwehrberichten haben sich einige Vorfälle auf benachbarte Gebäude ausgeweitet.
Um die Schattenwirtschaft zu bekämpfen, setzt die Regierung zunehmend auf die Bevölkerung: Wer illegale Miner meldet, kann umgerechnet bis zu 2.300 US-Dollar Belohnung erhalten. Neben Bürgerhinweisen kommen intelligente Stromzähler, Verbrauchsalgorithmen und ein SMS-System zum Einsatz.
Bitcoin-Produktion weltweit betroffen
Auch international zeigt sich das Ausmaß: Während des erwähnten Netzabschaltungszeitraums ging laut Tavanir die weltweite Bitcoin-Produktion um fünf Prozent zurück – ein drastischer Wert, der Irans Bedeutung als Mining-Standort unterstreicht. Ohne den Zugriff auf Starlink, so heißt es, wäre der Einbruch noch gravierender gewesen.

Krypto als geopolitisches Instrument
Der Iran nutzt Bitcoin nicht nur als wirtschaftlichen Ausweg, sondern auch als geopolitisches Werkzeug. Durch Sanktionen vom globalen Finanzsystem ausgeschlossen, verfolgt die Regierung ein “Energie-für-Bitcoin”-Modell: Öl und Gas werden verstromt, die Energie für Mining genutzt – und die Erlöse in Bitcoin zur Finanzierung von Importen verwendet. Ein Strategiepapier des iranischen Präsidialamts schätzt das Potenzial der Branche auf 700 Millionen US-Dollar jährlich.
Einige Mining-Farmen sollen in Zusammenarbeit mit chinesischen Unternehmen entstanden sein. So wurde die größte Anlage bereits 2017 von der Firma RHY in unmittelbarer Nähe eines Kraftwerks bei Rafsanjan errichtet – ein weiterer Hinweis auf die strategische Komponente des Sektors.
Repression oder Regulierung?
Der Iran steht am Scheideweg. Während Staaten wie Bhutan oder El Salvador auf reguliertes Bitcoin-Mining als Teil ihrer Energiepolitik setzen, geht die Islamische Republik repressiv gegen Schattenstrukturen vor – obwohl sie selbst am Mining verdient. Solange die Gewinne höher bleiben als die Strafen, dürfte sich daran wenig ändern. Bitcoin bleibt im Iran mehr als nur ein digitales Asset – es ist ökonomische Überlebensstrategie, geopolitisches Werkzeug und innenpolitischer Zündstoff zugleich.

Quellen
- Iranische Tageszeitung Setare Sobh berichtet über die wirtschaftlichen Folgen illegaler Bitcoin-Mining-Aktivitäten im Land
- Iran International beleuchtet die Auswirkungen illegaler Krypto-Mining-Aktivitäten auf das iranische Stromnetz