IOTA Auf dem Weg zur Dezentralität

Bei IOTA bahnt sich das lang erwartete Update “Coordicide” an, mit dem das Netzwerk ein altes Versprechen einlösen will: Dezentralität. Für das Projekt könnte dann eine neue Ära beginnen. Ausgemacht ist das aber nicht.

Moritz Draht
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IOTA

Beitragsbild: Shutterstock

| Der Coordicide ist ein Schlüsselmoment für IOTA, an dem sich die Zukunft des Netzwerks entscheidet

Keine Sonderrechte, Entscheidungsgewalten oder Manipulationen, kein zentraler Angriffspunkt, völlige Transparenz für alle Teilnehmer. Dezentralität ist die wahrscheinlich größte Errungenschaft der Krypto-Technologie – und zugleich die größte Herausforderung. Überlässt man Netzwerke sich selbst, müssen sie ausreichend robust – sprich: sicher vor Angriffen – sein. Ein sensibles Thema beim IoT-Vorzeigeprojekt IOTA, das zur Absicherung noch immer auf die Dienste des Coordinators, eines zentralen Steuerungsmoduls der IOTA Foundation, angewiesen ist.

Bereits 2018 kündigte das Team um Mitgründer Dominik Schiener das Projekt “Coordicide” an: die Abschaltung des Coordinators, der Beginn eines dezentralen IOTA 2.0. Nachdem das Projekt in der einige Male aktualisierten Roadmap immer weiter nach hinten gerückt ist und sich die Prioritäten zugunsten vieler Nebenprojekte verschoben zu haben schienen, stand der Coordicide in der Außenwahrnehmung bereits auf der Kippe. Langsam, aber sicher zeichnet sich jedoch grünes Licht für das lang erwartete Update ab. Damit könnte sich IOTA wieder auf die Landkarte in der IoT-Entwicklung setzen.

Im digitalen Maschinenraum

Aufstehen, wenn der Schlaf-Tracker ertönt, frühstücken, was der Kühlschrank im Supermarkt bestellt, zur Arbeit auf Autopilot und den Tag im Metaverse ausgleiten lassen. Im Internet der Dinge weicht der Grat zwischen Science-Fiction und Realität auf. Alles wird “smart”, die Welt wächst im Handyformat zusammen.

Als eines der ersten Krypto-Projekte hat sich IOTA auf die Verselbstständigung von Maschinen spezialisiert. Mit einer Infrastruktur, die auf den Austausch von Daten und Mikrotransaktionen optimiert ist. Statt einer “klassischen” Blockchain wurde der Ansatz des gerichteten azyklischen Graphen gewählt – eine dezentrale Technologie, die von einem hohen Durchsatz profitiert. Und einen für IoT-Anwendungen entscheidenden Vorteil mit sich bringt: Simultanität.

Anders als bei Netzwerken wie Bitcoin oder Ethereum, die Transaktionen linear, also nacheinander, in Blöcken verpacken, erlaubt das IOTA-Netzwerk – auch Tangle genannt – die paral­lele Ausführung von Transaktionen, ohne Gebühren. Mit diesem Konzept ließen sich Partnerschaften mit Schwergewichten wie Bosch, Dell oder Jaguar an Land ziehen. Auch im Blockchain-Projekt der EU-Kommission “European Blockchain Services Infrastructure” ist IOTA involviert. Ob E-Commerce, dezentrale Identitäten, Industrie 4.0 oder E-Mobilität: IOTA schien der geeignete Lösungsansatz für die Entwicklung von IoT-Anwendungen.

Doch obwohl IOTA mit Lorbeeren aus der Industrie überhäuft wurde, verharren die meisten Projekte im Proof of Concept. Konkrete Anwendungen: Fehlanzeige. Nach einem kometenhaften Aufstieg während der ersten Krypto-Hype-Welle 2017 ist IOTA immer weiter in der Selbstfindung versunken. Projekte wurden auf Eis gelegt, verschoben, umbenannt: IOTA ist immer mehr an seinen überambitionierten Zielen gescheitert. Der Coordicide stellt das Projekt nun auf die Bewährungsprobe.

IOTA auf der Zielgeraden

IOTA-Mitgründer Dominik Schiener lässt keinen Zweifel am Gelingen des Updates. “Alle noch ausstehenden, theoretischen Herausforderungen” seien gelöst, der “größte Teil unserer theoretischen Erkenntnisse bereits in Code umgesetzt”, so der Vorsitzende der IOTA Foundation gegenüber BTC-ECHO.

Die jahrelange Vorarbeit scheint dem 27-jährigen Südtiroler zufolge allmählich in die Schlussphase überzugehen: “Die letzten Module werden derzeit integriert, was den Abschluss unserer Forschungsimplementierung markiert.” Anschließend müssen “wir dann nur noch unsere Forschungsimplementierung in eine produktionsreife Software umwandeln, was wir paral­lel dazu bereits begonnen haben”.

Klingt wie ein Klacks, könnte sich bei IOTA aber erwartungsgemäß noch etwas ziehen, auch wenn die Entwicklung insgesamt “sehr weit fortgeschritten” sei. Eine Auditierungsphase für den Coordicide habe dem IOTA-Chef nach auch schon begonnen: “Wir haben kürzlich eine Reihe wissenschaftlicher Arbeiten veröffentlicht, von denen einige bereits von Fachleuten begutachtet wurden und die unser neues Konsensmodell und -protokoll im Detail beschreiben.”

Startschuss noch unbekannt

Mit konkreten Terminen hält man sich bei IOTA aber eher zurück. Auch beim Coordicide will sich Schiener nicht in die Karten blicken lassen: “Wir geben keine Schätzungen ab, wann genau wir den Coordinator, der das Netzwerk derzeit noch absichert, abschalten werden.” Die jeweiligen Module würden zunächst im IOTA-Testnet Shimmer “zur Verfügung stehen” und “auf Herz und Nieren geprüft werden”.

Wann es zum Coordicide im Mainnet kommt, dürfte auch davon abhängen, wie zügig sich die zuvor anstehenden Updates über die Bühne bringen lassen. Zum einen das “Stardust”-Upgrade, mit dem das Anwendungsspektrum des Tangle durch Integration der sehnlichst erwarteten Smart Contracts deutlich ausgeweitet wird. Zum anderen steht noch die Anbindung zur Ethereum Virtual Machine (EVM) auf Shimmer aus. Es ist ein wichtiges Update für die Interoperabilität des Netzwerks. Ist das abgehakt, könnte es schnell gehen: “Sobald die ShimmerEVM freigegeben ist, werden die ersten Coor­di­ci­de-Module in Shimmer integriert werden”, so Schiener, der voraussagt: “Es wird nicht mehr lange dauern, bis es losgeht.”

Der Coordicide ist ein Schlüsselmoment für IOTA, an dem sich die Zukunft des Netzwerks entscheidet. Mit dem Versprechen, das Tangle zu dezentralisieren, steht das Entwicklerteam tief in der Bringschuld. Letztlich stellt sich auch die Vertrauensfrage, ob das Projekt die Erwartungen erfüllt. Falls ja, festigt IOTA seinen Platz in der aufstrebenden IoT-Entwicklung.

Das Potenzial des Tangle für Anwendungen im IoT ist unbestritten, auch wenn vieles davon auf absehbare Zeit Tech-Träumerei bleiben dürfte. Aber nicht nur für die Industrie, auch im Krypto-Ökosystem dürfte die Dezentralisierung des Tangle zur Reputation beitragen. In Kombination mit der Einführung von Smart Contracts könnte 2023 in vielerlei Hinsicht ein wachstumsreiches Jahr für IOTA werden.

Disclaimer: Dieser Artikel erschien bereits in der Januarausgabe des BTC-ECHO Magazins.

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