Ethereum: Casper und das „Nothing-at-Stake“-Problem

Ethereum-Programmierer suchen bereits seit knapp vier Jahren nach einer tragfähigen Alternative zur energieintensiven Konsensbildung per Proof-of-Work-Verfahren. Das Casper-Protokoll, (vorerst) ein Hybrid aus Proof of Work (PoW) und Proof of Stake (PoS), soll das Umsatteln des Ethereum-Netzwerks von PoW auf PoS ermöglichen. Ein Überblick der zugrunde liegenden Problematik der Konsensbildung und den aktuellen Stand der Casper-Entwicklung.

Christopher Klee
Teilen
DeFi Vitalik Buterin

Beitragsbild: PR/Flickr/TechCrunch

| Ethereum-Gründer Vitalik Buterin

Bisher ist das Proof-of-Work-Verfahren der gängigste Weg zur Konsensbildung bei Blockchains. Der Mechanismus kommt nicht nur bei Bitcoin, der Mutter aller Kryptowährungen, zum Einsatz. Mit Ethereum setzt auch die nach Marktkapitalisierung zweitgrößte Kryptowährung auf PoW. Man wollte sich aber schon früh für den Fall wappnen, dass PoS bei den Minern beliebter wird oder andere Gründe einen Wechsel zwingend erforderlich machen sollten. Und so begann man bereits im Jahr 2014 mit Forschungen zu alternativen Mechanismen der Konsensbildung.

Schwächen des Proof-of-Work-Verfahrens

Das Proof-of-Work-Verfahren ist berüchtigt für seine katastrophale Energieeffizienz. Das ist teilweise im Sinne des Erfinders. Schließlich soll ein hoher Rechenaufwand böswillige Miner davor abschrecken, illegitime Transaktionen durchzuführen oder die Blockchain nach seinem Gutdünken zu forken. Unter diesem Aspekt hat sich das Verfahren bewährt, doch die Umweltbilanz bleibt katastrophal. Mit wachsender Mining Difficulty steigt der Rechen- bzw. Energieaufwand quasi-proportional. Nach Schätzungen von digiconomist.net liegt der aktuelle Energieverbrauch alleine für das Bitcoin-Mining bei rund 73,12 TWh im Jahr, Tendenz: (zwangsläufig) steigend. Mit dieser Energiemenge könnte man fast sieben Millionen US-Haushalte versorgen. Der tägliche Energiebedarf für das Mining von Bitcoin ist mit über 200 Millionen Kilowattstunden derzeit so hoch, dass er 31 Haushalte am Tag abdecken könnte. Bitcoin-Mining ist für 0,33 Prozent des weltweiten Energieverbrauchs verantwortlich.

Es gibt jedoch auch abseits vom Energieverbrauch Kritik am Proof-of-Work-Verfahren. So können finanzkräftige Individuen und Organisationen sich mehr und bessere Mining-Hardware besorgen, was ihnen einen Vorteil gegenüber anderen, weniger liquiden Minern beschert. Sprich: Die „Großen“ erhalten tendenziell häufiger Block Rewards, können sich von dem Gewinn bessere Hardware kaufen, um wiederum mehr Blöcke minen, und so weiter. Was auf den ersten Blick vielleicht aus sozialromantischer Perspektive fragwürdig, aber letztlich legitim erscheint, hat handfeste Konsequenzen für den Dezentralisierungsgrad des Netzwerks.

Da man als einzelner Miner kaum eine Chance auf ein Stück vom Block-Reward-Kuchen hat, schließen sich viele zu Mining Pools zusammen. Die vier größten Mining Pools nach Hashrate sind BTC.com, Antpool, BTC.TOP und SlushPool. Zusammen haben sie aktuell einen Anteil von 58,2 Prozent an der Gesamt-Hashrate des Bitcoin-Netzwerks. In der Theorie könnten sie sich zusammenschließen, um eine 51-Prozent-Attacke zu starten und die Blockchain zu ihren Gunsten zu manipulieren. Dezentralisierung sieht anders aus.

Proof of Stake

Diese Schwächen des POW-Verfahrens sind seit geraumer Zeit bekannt. Und so nimmt es nicht wunder, dass Ethereum schon lange an einer Alternative feilt. Die Entwickler legen ihren Fokus auf die Implementierung eines Proof-of-Stake-Mechanismus (PoS). Beim PoS wird der Mining-Prozess praktisch virtualisiert. Sogenannte „Validatoren“ ersetzen die Miner. Diese Validatoren müssen zunächst einen Teil ihrer Coins als „Einsatz“ (stake) zur Seite legen. Dabei gilt: Je größer der Einsatz, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, als Validator für den nächsten Block berufen zu werden. Wer beispielsweise Coins im Wert von 100 Euro „aufs Spiel setzt“, hat eine zehnmal niedrigere Chance, als Validator ausgesucht zu werden, als jemand der 1.000 Euro gestakt hat.

Hat ein Validator einen Block bestätigt, wird dieser das neueste Glied der Blockchain und der Validator erhält die Transaktionsgebühren als Belohnung. Umgekehrt wird ein Validator für betrügerische Vorgänge bestraft, indem er einen Teil seines Einsatzes verliert. Solange der hinterlegte Einsatz höher ist als die Summe der Transaktionsgebühren eines Blocks, lohnt sich eine Manipulation vonseiten des Validators nicht.

Unter dem Aspekt der Energiever(sch)wendung hat PoS deutliche Vorteile gegenüber Proof of Work, da das energieintensive Mining praktisch entfällt.

PoS löst das Problem einer möglichen 51-Prozent-Attacke nicht wirklich, allerdings: Würde man beispielsweise Bitcoin auf PoS umstellen, müsste ein Angreifer 51 Prozent der Bitcoin halten, um die Blockchain kontrollieren zu können. Aktuell müsste er dafür Bitcoin im Wert von über 55 Milliarden US-Dollar kaufen – ein relativ unrealistisches Szenario.

PoS hat jedoch eine offensichtliche Schwachstelle. Da die Höhe des Einsatzes für die Wahrscheinlichkeit, als Validator berufen zu werden, ausschlaggebend ist, haben „Reiche“ bessere Chancen, Blöcke zu schmieden (in Abgrenzung zum PoW-Mining heißt der Prozess der Blockgenerierung bei PoS „Forging“, alternativ auch „Minting”) und Transaktionsgebühren abzusahnen. Diese können sie dann wiederum benutzen, um ihren Stake zu vergrößern, was wiederum ihre Chancen weiter steigert, erneut Transaktionsgebühren einzuheimsen.

Das „Nothing-at-Stake“-Problem

Man vergegenwärtige sich folgendes Szenario: In einer PoS-Blockchain werden zwei Blöcke exakt zur selben Zeit propagiert, und beide sind valide. Es kommt dann normalerweise zu einer Aufgabelung der Blockchain (Fork), wobei die Mehrheit der Teilnehmer entscheidet, welcher der beiden Blöcke das neue Glied der Kette wird. Der andere Block verwaist („orphan block“). Da das Forging von Blöcken im PoS-System kaum Ressourcen in Anspruch nimmt, könnte ein Validator sich dafür entscheiden, an mehreren Versionen der Fork weiter zu arbeiten und neue Blöcke zu schmieden.

Im Gegensatz zu PoW, bei dem die Miner wählen müssen, für welche Version der Blockchain sie ihre Ressourcen aufwenden, können die Miner ihre Coins also auf jede Version einer Proof-of-Stake-Blockchain setzen. Da es keine Opportunitätskosten für das Forging in einer bestimmten Blockchain gibt, steht für die Miner „nichts auf dem Spiel“ (nothing at stake). Also könnten gewiefte Miner einfach auf jedem konkurrierenden Zweig, den sie sehen, Blöcke schmieden, um die maximale Menge an Transaktionsgebühren zu erhalten.

Casper – Die Lösung?

Vitalik Buterin ist sich dieser Schwäche des PoS-Systems bewusst. Die Lösung soll das Casper-Protokoll liefern. Bei Casper handelt es sich weniger um ein einzelnes Projekt, als vielmehr um das Zusammenspiel diverser Forschungsprojekte. Diese werden derzeit vom Ethereum-Entwicklungsteam betreut und blicken in Sachen Use Cases mittlerweile über den Ethereum-Tellerrand hinaus. Dennoch gibt es zwei Projekte, die sich dediziert des Ethereum-Netzwerks annehmen. In Anlehnung an den freundlichen Filmgeist Casper heißt das erste Projekt „Casper the Friendly Finality Gadget” (FFG), während das zweite auf den Namen „Casper the Friendly GHOST: Correct-by-Construction“ (CBC) hört.

Casper FFG

Casper FFG ist ein Hybrid aus PoW- und PoS-Ansätzen. FFG wurde mit dem Ziel entworfen, die Umstellung der Ethereum-Blockchain von PoW auf PoS zu erleichtern. Bei FFG wird ein Proof-of-Stake-Protokoll über ein zugrunde liegendes PoW-Verfahren gelegt. Das heißt: Blöcke werden wie gewohnt per PoW gemint, doch jeder fünfzigste Block stellt einen PoS-Checkpoint dar. Die Zeitspanne zwischen den Checkpoints wird als „Epoche“ bezeichnet.

Während einer Epoche stimmen die Validatoren darüber ab, welche Version der Blockchain weiterverwendet wird. An den Kontrollpunkten bestätigt das Netzwerk von Validatoren dann die Endgültigkeit (finality) der Transaktionen. Finalität bedeutet, dass eine Transaktion unumkehrbar abgeschlossen ist und niemand hingehen kann, um Schindluder mit der Transaktionshistorie zu treiben. Casper soll Finalität auf verschiedene Arten gewährleisten. Zum einen besteht ein geringer Anreiz zur Manipulation für die zwei Drittel der Validatoren, die einen Maximalbetrag auf die Finalisierung eines Blocks setzen. Wenn sie das Netzwerk angreifen wollten, würden sie damit zwangsläufig ihre Einlagen gefährden. Um es mit den Worten des Casper-Entwicklers Vlad Zamfir zu sagen:

„Stell dir eine Version von Proof of Work vor, bei der, wenn du an einer 51-Prozent-Attacke teilnimmst, deine Mining-Hardware abbrennen würde.“

Werden zwei gültige Blöcke gleichzeitig propagiert, können die Teilnehmer sich für eine Version der Teilnehmer entscheiden. Dies resultiert letztlich in einer Hard Fork.

Casper CBC

Casper the Friendly GHOST CBC (im Folgenden „TFG“) wird hauptsächlich von Vlad Zamfir entwickelt. Es beschreibt eine wesentlich radikalere Erneuerung der Konsensbildung als FFG. Anders als FFG lässt sich TFG nicht über ein bestehendes PoW-Verfahren stülpen. Der größte Unterschied zu FFG besteht in der Tatsache, dass bei TFG die Blöcke selbst zu abgegebenen Stimmen in der Konsensfindung werden. Die Validatoren erstellen, senden und empfangen Blöcke, während sie die Finalität von Blöcken weiter hinten in der Kette erfassen. Das Konzept der Epoche ist für TFG nicht vorgesehen. Aufgrund dieser Unterschiede ist das Finality-Gadget FFG für die bestehende Ethereum-Blockchain deutlich einfacher zu implementieren. Daher wird es wohl das erste von Ethereum verwendete (quasi-)PoS-Protokoll sein. Ein kompletter Umstieg von PoW zu PoS würde mittels einer Hard Fork erfolgen.

PoS mit „Geschmäckle“

Der Gedanke an ein PoS-basiertes System ist vielen Krypto-Idealisten ein Graus. Das „Geschmäckle“, das durch die Tatsache entsteht, dass Stimmrechte auf der Blockchain vom Reichtum der Teilnehmer abhängen, bleibt trotz der ähnlichen Probematik bei PoW-Verfahren bestehen. Die Umweltbilanz spricht indes für PoS. Nun ist es an den Ethereum-Entwicklern, das Casper-Protokoll so zu implementieren, dass auf der Blockchain keine Plutokratie entsteht.

BTC-ECHO

EDIT: Im Abschnitt über den Energieverbrauch von Bitcoin-Minern wurden die Kosten für eine einzelne Transaktion ursprünglich fälschlicherweise mit 200 Millionen kWh angegeben. Tatsächlich liegt dieser bei „lediglich“ 931 kWh. Die 200 Millionen kWh sind indes der Energiebedarf aller Bitcoin-Transaktionen der letzten 24 Stunden. 

Du willst VeChain (VET) kaufen oder verkaufen?
Wir zeigen dir in unserem Leitfaden, wie und wo du einfach und seriös echte VeChain (VET) kaufen kannst.
VeChain kaufen