Krypto-Kunst Die KÖNIG GALERIE wühlt den NFT-Betrieb auf

Schwebende Luftsäcke, fließende Naturlandschaften und im Chor singende Graffiti-Monster: Misa.Art, der digitale Kunstmarktplatz der Berliner König Galerie, ist ein morphendes Farbenfest, bei dem die Grenzen zwischen physischer und digitaler Kunst, zwischen Bild und Ton und nicht zuletzt zwischen Kunstschaffenden und Publikum zerfließen.

Moritz Draht
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NFT, AES+F, Turandot 2070, 2021

Beitragsbild: NFT, AES+F, Turandot 2070, 2021

Dieser Artikel erschien zunächst in der Oktober-Ausgabe des Kryptokompass, dem Magazin für alles rund ums Thema Blockchain und Kryptowährungen.

Nicht einmal vier Jahre sind vergangen, seit die Cryptokitties als erste NFT-basierte digital-Collectible-Kollektion den Massenmarkt erobern und den Auslöser für die Hysterie um Non-fungible Token geben sollten. Ein Wimpernschlag, in dem die Token eine Metamorphose vollzogen haben und spätestens durch Digitalkünstler:innen wie Beeple, der seine NFT-Bildercollage “Everydays – The First 5000 Days” für die Rekordsumme von 69 Millionen US-Dollar verkauft und damit zum drittwertvollsten noch lebenden Künstler aufgestiegen ist, am etablierten Kunstmarkt angekommen sind. Galerien, Auktionshäuser und digitale Kunstmarktplätze, sie alle wollen ein Stück vom Kuchen.

Auch die Berliner KÖNIG GALERIE, in deren Räumlichkeiten der brutalistischen Betonkirche St. Agnes im Herzen Kreuzbergs sich nicht nur Kunstschaffende seit fast 20 Jahren die Klinke in die Hand geben. Die Brutstätte für zeitgenössische Kunst veranstaltete im letzten Jahr erstmals die Messe in St. Agnes (MISA), eine Kunstverkaufsmesse, in der neben Werken renommierter Größen wie Andy Warhol und Gerhard Richter auch aufstrebende Künstler:innen wie Katharina Grosse oder Wolfgang Tillmans ausgestellt wurden. Pandemiebedingt ist die Messe mittlerweile ins Virtuelle gezogen, wobei Misa.Art, ein digitaler Primär- und Sekundärmarkt für Kunst, entstanden ist, auf dem NFT neben physischen Gemälden und Skulpturen inzwischen einen Großteil einnehmen.

Anders als die NFT-Massenmarktplätze Opensea oder Rarible sucht Misa.Art bewusst den Schulterschluss zum klassischen Kunstmarkt und schließt damit eine Lücke zwischen Kunst- und Krypto-Betrieb. Kuratiert werden handverlesene Kunstschaffende, die zur NFT-Avantgarde zählen und Token-Kunst auf spielerische Art in neue Richtungen drängen. Die Cryptokitties vereint mit den Exponaten auf Misa.Art nur noch ihre Blockchain-Verwandschaft. Was als wenig originelle Pixel-Kunst mit Meme-Charakter und Kätzchenmotiven begann, hat sich inzwischen zu einem gigantischen Feldversuch für experimentelle Digitalkünstler:innen entwickelt, die die Grenzen des neuen Mediums NFT immer weiter ausloten. Die KÖNIG GALERIE setzt dabei neue Maßstäbe – Token-Kunst reift allmählich zu einer eigenen Gattung heran.

Obwohl NFT einen gemeinsamen Berührungspunkt bilden, sind Krypto- und Kunstmarkt zwei Parallelwelten, die noch immer etwas unbeholfen miteinander flirten. Blockchain, Wallet oder Token sind für viele Kunstsammler:innen ebenso Fremdworte wie Triptychon oder Fauvismus für den typischen Krypto-Anleger. MISA.ART versucht, diese Hindernisse abzubauen und den Zugang zum NFT-Markt für ein breites Kunstpublikum zu demokratisieren. Die Token können mit Bitcoin und Ether, aber auch ohne Kryptowährungen und eigene Wallet gesammelt und weiterverkauft werden. Eine Wallet wird beim Check-out erstellt, die Sammlung lässt sich einfach per Mail verwalten.

Für Transparenz und objektive Kaufkriterien werden die Künstler:innen auf Misa.Art von Art.Facts geranked, eine der größten Kunstdatenbanken mit mehr als 700.000 Künstler:innen, die von über 45.000 Institutionen weltweit getrackt werden. Art.Facts bewertet den Stellenwert von Künstler:innen am Kunstmarkt anhand der Ausstellungshistorie und gibt Käufer:innen somit eine verlässliche Basis für Investmententscheidungen.

State of the NFT-Art

Das NFT-Portfolio auf Misa.Art kann sich durchaus sehen lassen. Neben bekannten Namen wie Erwin Wurm, dessen überstilisierte Fat-Sculptures-Motive seit 20 Jahren Statussymbole und Konsumfetisch persiflieren und von der New Yorker MoMA bis zum Pariser Centre Pompidou ausgestellt wurden, sowie Itzel Yard, die mit dem Verkauf ihres NFT Dreaming at Dusk für 2 Millionen US-Dollar zur teuersten weiblichen NFT-Künstlerin wurde, bietet die KÖNIG GALERIE auch aufstrebenden Künstler:innen ein Sprungbrett und hat eigens dafür ein virtuelles Pendant zur physischen Ausstellungsfläche geschaffen. Im digitalen Nachbau von St. Agnes in der Blockchain-basierten Virtual-Reality-Umgebung Decentraland können Künstler:innen die noch unerschöpften Möglichkeiten des neuen Mediums spielerisch auskundschaften. Manuel Rossner ist einer von ihnen.

NFT, Manuel Rossner, Bouncy Sculpture, 2021

Seine Ausstellung Surprisingly this rather Works hat nicht nur die Übergänge zwischen physischem und digitalem Raum demontiert, auch die Grenzen zwischen Plastik und Malerei lösen sich auf. Dabei macht Rossner, der seine Arbeiten “speziell für die Institution oder den Ort, an dem eine Ausstellung stattfindet”, konzipiert, von den Möglichkeiten der VR-Plattform konsequent Gebrauch. Installationen sprengen den Rahmen und verschmelzen mit ihrer Umgebung, die sich als Avatar frei erkunden lässt und zur Interaktion einlädt. Das wirkt noch bisweilen etwas holprig. Aber Digitalkünstler:innen wie Rossner, der seine Werke und Welten teilweise mit 3-D-Controllern arrangiert, zeigen die vielfältigen NFT-Potenziale allmählich auf.

NFT füllen ein Wert-Vakuum

NFT geben Künstler:innen wie Rossner aber nicht nur neue Ausdrucksmöglichkeiten. Die Token lösen auch ein Wertproblem Copy-Paste-anfälliger Digitalkunst. Kunstschaffende können ihre Werke über die Token frei und unabhängig von Vertriebswegen vermarkten, Sammler:innen wiederum ermöglichen NFT erstmals, Besitzansprüche an digitalen Inhalten geltend zu machen. Für Künstler:innen wie Rossner waren NFT daher ein Selbstläufer: “Da ich schon seit mehr als 10 Jahren digitale Kunst mache, musste ich nicht lange überlegen. Eigentlich war es eher umgekehrt: Eine passende Möglichkeit, digitale Kunst zu definieren und Sammler:innen anzubieten, hat gefehlt”. Darüber hinaus gehen mit Non-fungible Token ganz neue Formen der Interaktion und Partizipation einher, wie Projektleiterin Anika Meier erklärt: “Künstler:innen sind auf Augenhöhe mit Sammler:innen”. Dadurch ändert sich auch der Status des unnahbaren Künstlers hin zum “Rockstar”, der in direktem Austausch zu seinem Publikum steht und Kunst mit den Mitteln der sozialen Kanäle vermarktet.

Wer das auf die Spitze treibt, ist Jonas Lund. Schon seit 2018 lässt der schwedische Künstler seinen Werdegang und künstlerische Entscheidungsprozesse von Investor:innen des Jonas Lund Token (JLT) unmittelbar mitbestimmen. Auf seiner Website stimmen JLT-Käufer:innen über Projekte ab und profitieren dabei langfristig vom steigenden Marktwert des Künstlers. Durch die Selbst-Tokenisierung, die bereits als Performance-Akt die Werk-Wertschöpfung zum Thema macht, transformiert der Künstler zum Anlageobjekt, was in seiner interaktiven NFT-Ausstellung On This Day der KÖNIG GALERIE im Decentraland in Form einer Aktionärsversammlung konzeptuell umgesetzt wurde.

NFT, Jonas Lund, JLT collectible deer, 2021

Auch Lunds Zugang zu NFT war zunächst eine Konsequenz aus dem Wertvakuum von Kunst im Internetzeitalter: “Die Motivation hinter der Tokenisierung meiner künstlerischen Praxis ist sozusagen das Endergebnis einer fast jahrzehntelangen Forschungsarbeit darüber, wie Werte in der und um die Kunstwelt herum produziert, vermittelt und verbreitet werden”. Dabei spiegelt der Jonas Lund Token die Ökonomisierung von Kunst wider: “Die grundsätzliche Idee, was ein gutes Kunstwerk ausmacht, basiert auf der institutionellen Theorie der Kunst: Die Kunstwelt bestimmt, was gute und schlechte Kunst ist. Um also den Mechanismus der Wertproduktion in der Kunstwelt zu kontrollieren, muss man die Kunstwelt oder einen kleinen Teil davon kontrollieren”. Diese Funktion erfüllt der Jonas Lund Token: “In gewisser Weise sichert JLT die Wertproduktion ab. Wenn der Vorstand eine bestimmte Entscheidung für “richtig” hält, dann muss sie das auch sein, denn sie repräsentieren ja die Kunstwelt”. So kann die künstlerische Praxis schon mal in unerwartete Bahnen gelenkt werden: “Es gab ein paar Mal, dass das Gremium die Entscheidungen in eine Richtung gedrängt hat, die ich nicht eingeschlagen hätte”.

NFT-Kunst auf dem Sprung

Mit Misa.Art hat die KÖNIG GALERIE nicht nur eine Plattform geschaffen, auf der NFT-Kunst heranreift, sondern auch als Bindeglied zwischen Krypto- und Kunstmarkt einen richtigen Nerv zu treffen scheint. Das NFT-Angebot stoße bereits auf “sehr positives Feedback”, wie Anika Meier sagt. In nur zwei Monaten sind “2.000 Token über den digitalen Marktplatz verkauft worden”. Das Interesse der Kunstwelt an Non-fungible Token steigt, wobei die KÖNIG GALERIE eine wichtige Scharnierfunktion ausübt und Krypto-Kunst auch unter klassischen Kunstsammler:innen en vogue macht. Dabei befindet sich auch die Berliner Galerie noch in der Experimentierphase, die mit zunehmenden Ausstellungen in Decentraland keinen besseren Nährboden finden könnte. Ein Bild davon kann man sich selbst bei den anstehenden NFT-Drops von Rossner, Lund oder auch Arvida Byström und Ditte Ejlerskov machen.

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