Peng!-Kollektiv “Die Grenzen Europas wegtraden”: NFTs machen Geflüchtete zu Investoren

Die Hoffnung auf ein besseres, ein sichereres Leben deckt sich nicht mit den Aussichten: Die Flucht nach Europa endet für Tausende irgendwo in der Peripherie, in den Morias, in den blinden Flecken der öffentlichen Wahrnehmung. Mit nichts im Nichts gibt es kaum einen Weg aus der Verelendung und überfüllten Auffangbecken. Das Peng!-Kollektiv will einen Ausweg schaffen – mit dem Verkauf von NFTs.

Moritz Draht
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Während immer mehr Kapital an die Finanzmärkte geschwemmt wird, gehen Schlepperboote vor den Küsten Europas unter. Die globale Ungleichverteilung von Vermögen wurde in der Pandemie verstärkt, in der die Schere zwischen denen, die immer mehr, und denen, die nicht einmal genug zum Leben haben, weiter auseinanderklappt. Das Versagen der Wertegemeinschaft Europa mündet in dem zynischen Begriff Flüchtlingskrise, der die Ursachen dieser humanitären Katastrophe bei den Vertriebenen sucht und die eigentlichen Gründe rhetorisch verschleiert. Europa ist eine Festung: wer reinkommt oder nicht, darüber entscheidet oftmals das nötige Kleingeld. Wer was hat, ist auch ein Leben in Europa wert und kann sich über den “goldenen Pass” eine Staatsangehörigkeit kaufen, meist über Immobilien. Ein perfides System, das insbesondere vermögenden Kriminellen die Tore öffnet. Wie man die Eintrittskarte auch für gute Zwecke nutzen kann, zeigt das Peng!-Kollektiv mit ihrer neuesten NFT-Aktion.

Endstation Sehnsucht

Am 8. Oktober hat das Aktionskunstkollektiv Peng! zusammen mit 16 internationalen Künstler:innen das GoldenNFT-Programm gestartet. Ziel dieser im Kunst- und Krypto-Sektor wohl bislang einzigartigen Aktion ist es, Familien aus Syrien und Afghanistan ein neues Leben in Europa zu ermöglichen – mit dem Kauf von “Goldenen Visa” durch NFT-Verkäufe. Insgesamt 5.555 NFTs stehen seit Mittwoch, dem 20. Oktober, in einem Public Sale für einen Preis von 0,05 Ether pro Token zum Verkauf. Das Projekt ist Teil der Ausstellung “Beat the System” im Ludwig Forum für Internationale Kunst Aachen und hat einige Hochkaräter der Kunstszene an Land ziehen können. Neben Werken von Sibylle Berg, Nora al Badri und Nadine Kolodziey beinhaltet die Kollektion auch NFTs der Aktivistengruppe The Yes Men.

NFT “spall” von Laura Zalenga

Der Clou: Anleger:innen kaufen gewissermaßen die Katze im Sack. 16 NFTs sind Originale, die übrigen setzen sich individuell aus diesen Vorlagen als Mesh-Ups zusammen. Durch die Kombination ist jeder NFT ein Unikat. Erst nachdem die Sammlung ausverkauft ist, werden die NFTs enthüllt. Ob man einen originalen oder einen zusammengesetzten NFT erworben hat, weiß man also erst im Nachhinein. Dahinter steckt Kalkül. Wenn sich der Schleier um die NFTs wegzieht, unterliegen sie als Spekulationsobjekte der Wertbestimmung durch Angebot und Nachfrage. Die Kritik der GoldenNFT-Aktion ist also doppelbödig. Marktmechanismen werden entlarvt und gleichzeitig als Vehikel für soziale Projekte konterkariert.

“Wir traden die Grenzen Europas weg”

Der Erlös fließt in Immobilien in Portugal – als Garantie für einen goldenen Pass. Außerdem werden Kosten für Anwälte, Steuerberater:innen, Flüge und Visagebühren für die Familien gedeckt. Insgesamt müssten so rund 630.000 Euro für die erste Familie eingenommen werden. Eine Herkulesaufgabe, angesichts der schwindelerregenden Beträge, die am Krypto-Markt und seit einigen Monaten am NFT-Markt im Besonderen fließen, aber wohl kein unmögliches Unterfangen. Dass das Peng!-Kollektiv die Aktion auf eigene Kosten stemmt, versteht sich von selbst. Den Rest regelt der Markt. Von jedem NFT-Weiterverkauf gehen 15 Prozent an die GoldenNFT-Wallet, mit der goldene Pässe für weitere Familien bezahlt werden.

BTC-ECHO hat mit einem Organisator, der sich Luca nennt, über die Hinter- und Beweggründe gesprochen. Für Luca ist die Aktion mehr als ein Spendenprojekt, es ist ein Versuch, den Markt auszuhebeln und auch ein Mittel gegen die Ohnmachtsgefühle vieler Europäer: “Es ist ein Experiment. Wir wollen wissen, ob die Blockchain Community stärker ist als die EU”. Diejenigen, die daran teilnehmen, sind Teil einer Aktion, die die Grenzen zwischen Kunst-Performance, Hilfsprojekt und Investment aufweicht. “Wer bei uns investiert, wird Teil des Kunstwerks”, sagt Luca.

Ein feiner Unterschied

Zugleich ist die Aktion Kritik an einem System der Ungleichverteilung, das an den Märkten exorbitante Gewinne für die Finanzelite zulässt, während Menschen auf der Flucht im Mittelmeer ertrinken. “Es ist niemandem mehr zu erklären, wie auf der einen Seite Milliarden per Klick um den Globus geschossen werden und gleichzeitig Menschen an unseren Grenzen sterben müssen. Dieses System wollen wir kurzschließen.” Dabei macht sich die Aktion genau die Marktmechanismen zunutze, die das Gefälle zwischen globalem Norden und Süden aufrechterhalten. “Es ist die erste NFT Collection, die es einer Familie ermöglicht, nach Europa einzureisen. Als Investoren, nicht als Geflüchtete.” Ein feiner, aber entscheidender Unterschied. Denn Investoren empfängt Europa mit offenen Armen.

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