Gastbeitrag Das undurchschaubare Rennen um die Skalierbarkeit der Blockchain – China an der Front?

Die Frage nach der Skalierbarkeit ist ein Problem, das nicht nur die Bitcoin Community umtreibt. Eine mögliche Lösung präsentiert uns Alexander Neuen in einem Gastbeitrag.

Alexander Neuen
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Beitragsbild: Shutterstock

Der folgende Artikel ist ein Gastbeitrag – BTC-ECHO übernimmt keine Haftung für die Inhalte. Trotz gewissenhafter Prüfung kann keine Garantie für die dargestellten Ausführungen gegeben werden.

„Wir brauchen ein solches System sehr, sehr dringend, aber so wie ich diesen Vorschlag verstehe, scheint er nicht auf die erforderliche Größe skalierbar zu sein.“ Dieser Kommentar, einer der ersten auf das in 2008 von Satoshi Nakamoto veröffentlichte Bitcoin White Paper, ist auch 11 Jahre später noch aktuell.

Trotz etlicher neuer Blockchain-Netzwerke, die theoretisch unbegrenzte Skalierbarkeit versprechen, sieht die Praxis anders aus. Skalierbarkeit, gemessen an den Transaktionen, die eine Blockchain pro Sekunde abwickeln kann (TPS – Transactions Per Second), ist noch immer der größte Engpass bei der Einführung von Blockchain-Anwendungen in der Industrie.

Als Ziel vieler Projekte dient das zentralisierte globale Zahlungssystem VISA. Dieses kann bis zu 24.000 TPS erreichen, muss in der Praxis allerdings durchschnittlich nur 1.700, zu Spitzenzeiten 4.400 Transaktionen verarbeiten.

Bitcoin und Ethereum: Langsame Pioniere

Die beiden größten Blockchains, Bitcoin und Ethereum, welche zusammen 74 Prozent des gesamten Kryptowährungsmarkts ausmachen, sind ein Paradebeispiel für mangelnde Skalierbarkeit. Ethereum erreicht derzeit 20 TPS, Bitcoin ist mit 7 TPS noch langsamer. In der Praxis bedeutet dies, dass beispielsweise eine Transaktion in Bitcoin im Optimalfall mindestens 10 Minuten braucht, um durchgeführt zu werden. Bei den allgemein empfohlenen sechs Folgeblöcken, um eine Transaktion als sicher bestätigt anzusehen, folgt eine Wartezeit von 60 Minuten.

Allerdings kann bei geringen Beträgen und daraus resultierenden geringen Transaktionsgebühren, die Transaktion einer Bitcoin-Zahlung sogar Stunden oder Tage dauern. Besonders deutlich wurde dies Ende 2017, dem Gipfel des Bitcoin-Hypes. Zu dieser Zeit haben Nutzer im Durchschnitt 78 Minuten auf die Durchführung ihrer Transaktion warten müssen. An manchen Tagen stieg dieser Durchschnitt auf knapp 20 Stunden an.

Ein großes Problem, wenn Kryptowährungen dem Anspruch gerecht werden möchten, eines Tages eine ernstzunehmende Alternative zu zentralisierten Zahlungssystemen zu sein oder diese sogar abzulösen.

Neben der für den alltäglichen Gebrauch untauglichen Wartezeit hat diese Nachfragespitze ein zweites Problem offenbart: immense Transaktionsgebühren. So haben Nutzer zu diesem Zeitpunkt durchschnittlich 28 US-Dollar Gebühren zahlen müssen. In einem konkreten Fall berichtete der Journalist Daniel Roberts von 15 US-Dollar Gebühr bei einer 100 US-Dollar Transaktion. Das Dreifache einer Western-Union-Überweisung.

Der Zielkonflikt: Dezentralisierung und Skalierbarkeit

Inzwischen werben viele Blockchain-Projekte mit einer beachtlichen TPS Rate. Auffällig: Die wenigsten machen von dem ursprünglichen Konsensmechanismus Proof of Work Gebrauch. Die von der Marktkapitalisierung her drittgrößte Kryptowährung Ripple kann beispielsweise etwa 1.500 Transaktionen pro Sekunde verarbeiten, basiert dabei allerdings nicht einmal auf einer Blockchain, sondern auf einer eigens patentierten Technologie: dem Ripple Protocol Consensus Algorithm.

Dementsprechend wird es von Teilen der Krypto-Community nicht als Kryptowährung angesehen. Ein weiteres Beispiel ist EOS. Eigenen Aussagen zufolge kann die Software über 3.000 Transaktionen pro Sekunde bewältigen. Allerdings nutzt EOS den sogenannten Delegated-Proof-of-Stake-Mechanismus (DPoS), in welchem lediglich 21 gewählte Blockproduzenten die Transaktionen validieren.

Dass dies nicht der Idee eines dezentralisierten Systems entspricht, wurde bereits von vielen Seiten bemängelt. ConsenSys, eines der weltweit größten Blockchain-Softwareunternehmen, geht sogar so weit zu sagen, dass EOS „keine Blockchain, sondern ein verherrlichter Cloud Computing Service“ ist.

Letztlich wollen aber selbst die Platzhirsche künftig auf zentralisierende Lösungen zurückgreifen, um ihre Performance zu skalieren. Die Einführungen des Lightning-Netzwerks (Bitcoin) und der Sharding-Technologie (Ethereum) sollen die möglichen Transaktionen pro Sekunde erhöhen, werden die Blockchain-Lösungen allerdings auch an Sicherheit und Dezentralisierung einbüßen lassen.
Die Idee des Lightning-Netzwerks ist die Errichtung von Zahlungskanälen zwischen zwei Parteien, die häufiger Zahlungen miteinander austauschen. Dafür wird eine Multisignature Wallet eröffnet, auf welche beide Parteien eine bestimmte Menge Bitcoin einzahlen. Von da an können Transaktionen zwischen beiden durchgeführt werden.

Dabei handelt es sich allerdings im Wesentlichen um Umverteilungen der in der gemeinsamen Wallet gespeicherten Gelder, welche in einer aktualisierten Bilanz festgehalten werden. Erst mit Schließung des Kanals erfolgt die Übertragung der Informationen über den Anfangs- und Endbestand an die Bitcoin Blockchain. Diese Neuerung ermöglicht es den Benutzern also, zahlreiche Transaktionen außerhalb der Blockchain durchzuführen und diese dann als eine einzige aufzuzeichnen.

Es wird schnell klar, dass dieser Ansatz zwar eine gewisse Skalierbarkeit ermöglicht, die Zahlungen allerdings nicht auf der Blockchain stattfinden und deshalb auch nicht deren Sicherheit bieten.

Beim Sharding, einer Methode aus der Datenbankpartitionierung, wird eine große Datenbank in mehrere kleine, einfacher zu verwaltende Datenbanken aufgeteilt. Der Sinn dahinter ist, umfangreiche Datenmengen, welche die Kapazitäten eines einzelnen Servers übersteigen würden, verwaltbar zu machen. Auf die Blockchain bezogen heißt dies, dass das Blockchain-Netzwerk aufgeteilt wird und nicht mehr jeder Knoten jede Transaktion verifiziert.

Durch den Umstieg von einem linearen auf ein paralleles Ausführungsmodell können mehr Transaktionen in derselben Zeit durchgeführt werden. Auch hier sind die resultierenden Probleme leicht zu erkennen. Durch die Segmentierung der Blockchain agiert jeder Shard als separates Blockchain-Netzwerk.

Anwendungen und Nutzer der einen Subdomäne können ohne Implementierung eines komplizierten Kommunikationsmechanismus nicht mit denen der anderen kommunizieren. Weitaus gravierender sind allerdings die resultierenden Sicherheitsprobleme. Da man die Gesamtrechenleistung auf viele Shards aufteilt, ist es für Angreifer leichter, die Kontrolle über ein Segment des Netzwerks zu übernehmen. Ist dies geschehen, können sie falsche Transaktionen an das Hauptnetzwerk übermitteln und bereits bestehende Transaktionen annullieren und löschen.

Rekordergebnisse: Nur Schall und Rauch?

Da alle Kryptowährungen weit davon entfernt sind, VISA-ähnliche Transaktionszahlen aufzuweisen, Bitcoin wickelt aktuell etwa 304.000 Transaktionen pro Tag bzw. 3,51 Transaktionen pro Sekunde ab, ist es schwer, veröffentlichte Leistungskennzahlen nachzuvollziehen beziehungsweise zu validieren. Allerdings gibt es Anzeichen und Beispiele dafür, dass viele der sich gegenseitig in Rekorden überschlagenden Transaktionsleistungen schlicht falsch sind.

EOS beispielsweise erreicht unter realen Bedingungen einen deutlich geringeren Durchsatz als die angegebenen 3.000 TPS. Ein unabhängiger Benchmarking-Test, durchgeführt von dem weltweit ersten und bisher einzigen Blockchain-Test-Unternehmen Whiteblock Inc., wies eine Leistung von gerade einmal 50 TPS nach. Der Fall von IOTA ist offensichtlich ähnlich gelagert. Die Entwickler sprechen von einer angeblich unendlichen Skalierbarkeit, mit einem Netzwerk welches schneller wird, je mehr Nutzer es verwenden.

Als Ziel hatte IOTA angegeben, 1.000 TPS bei Stresstests zu erreichen. In einem tatsächlich von einem Reddit User durchgeführten Stresstest erreichte er lediglich 45 TPS. Diese Unterschiede sind allerdings nicht zwangsläufig auf wissentliche Täuschung zurückzuführen. Vielmehr sind die von den Blockchain-Unternehmen verwendeten Testbedingungen praxisfern. Versuche mit wenigen, gut abgestimmten Knoten und einer perfekten Netzwerktopologie können die Leistung immens von der Realität abweichen lassen.

China: Führt das Land der Mitte die Blockchain-Revolution an?

Präsident Xi Jinpings kürzlich veröffentlichte Pläne, die Blockchain-Technologie zu unterstützen und voranzutreiben, lösten eine Euphorie aus, von der selbst der Bitcoin durch eine beachtliche Rallye profitierte. Jedoch ist es sehr überraschend, wie weit die chinesische Blockchain-Technologie tatsächlich heute schon ist. So haben viele Unternehmen abseits des westlichen Kryptowährungshypes an der Kerntechnologie gearbeitet und diese verbessert.

Ein Projekt aus China scheint hier Fortschritte zu machen. Das von der Regierung geförderte Unternehmen Conflux erreichte im Testnetzwerk knapp 3.500 TPS und eine Transaktionsbestätigung innerhalb von 23 Sekunden. Das Besondere: Die öffentliche Blockchain nutzt eine Abwandlung des Proof-of-Work-Verfahrens. Durch die Abkehr von der Longest-Chain-Regel und einer einzelnen langen Blockchain, hin zu einer Heaviest-Subtree-Regel und seiner Treegraph-ähnlichen Struktur (gerichteten azyklischen Graphen) können mehr Blocks in geringerer Zeit produziert und damit Transaktionen deutlich schneller verarbeitetet werden.

Dadurch kann man die Transaktionsgebühren im Vergleich zu Ethereum um den Faktor 100 verringern. Dabei fanden die Leistungstests unter praktischen Bedingungen statt: 12.000 Knoten verteilt auf der ganzen Welt.

Noch operiert das Unternehmen nur im Testnetzwerk. Der Launch des Hauptnetzwerks und des Conflux Token (CFX) ist für Q1 2020 geplant. Dann wird sich zeigen, wie weit es mit den Versprechen her ist. Stimmen die Ankündigungen des namhaften (Gründer-)Teams – unter anderem ein Träger des Turing-Awards, ein Juniorprofessor der Universität von Toronto und ein Juniorprofessor der Tsinghua University –, könnte China eine globale Vorreiterrolle in der Blockchain-Industrie einnehmen.

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